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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
wie ganz neue Gebäude aussehen. Neben den Häu-
sern sind schöne wohl unterhaltene Gärten, auch gar
oft Weinberge, Wiesen und Aecker. Das Gewim-
mel der Menschen auf der Landstraße zu Fuß, zu
Pferd und im Wagen war diesen Morgen beträcht-
lich. Die ganze Gegend um die Stadt war so leb-
haft, wie es sonst an andern Orten bey großen feyer-
lichen Gelegenheiten zu seyn pflegt.

Weil der See gegen die Stadt hin sich merklich
derschmälert, so kann man auf diesem Wege das Land
an dem jenseitigen Ufer mit den vielen Lusthäusern,
Gärten und Gütern deutlich sehen. Diese reiche Land-
schaft, dann die Stadt selbst am Ausfluß der Rhone,
die man in diesem weiten Umkreis von Lusthäusern, als
den Hauptsitz, dem alles andre gehört, erblicket, hin-
ter der Stadt aber ein hoher und sehr breiter Berg, der
zum Hintergrund der Landschaft dienet, macht ein
Schauspiel aus, das ich ohne starke Rührung nicht
ansehen konnte. Diese bewundernde Empfindung
wird, nachdem man in die Stadt hineingekommen,
eher stärker als geschwächt. Der Ort ist an sich selbst
wohl gebaut, besonders die obere Stadt, wo die
Vornehmern wohnen. Sie liegt auf einer beträchtli-
chen Höhe, und da siehet man auf hohen freystehen-
den Terrassen eine Menge wirklich prächtiger Häuser,
die man wohl Paläste nennen könnte.

Das auf den Straßen wimmelnde Volk aber
macht ein neues nicht wenig interessantes Schauspiel.
Freyheit, Wohlstand, froher Muth und eine beson-
ders lebhafte Physiognomie kündigen wirklich ein
außerordentliches Volk an. Eine solche Kraft der
Gesichter, besonders der Augen, habe ich sonst nir-

gend

Tagebuch von einer nach Nizza
wie ganz neue Gebaͤude ausſehen. Neben den Haͤu-
ſern ſind ſchoͤne wohl unterhaltene Gaͤrten, auch gar
oft Weinberge, Wieſen und Aecker. Das Gewim-
mel der Menſchen auf der Landſtraße zu Fuß, zu
Pferd und im Wagen war dieſen Morgen betraͤcht-
lich. Die ganze Gegend um die Stadt war ſo leb-
haft, wie es ſonſt an andern Orten bey großen feyer-
lichen Gelegenheiten zu ſeyn pflegt.

Weil der See gegen die Stadt hin ſich merklich
derſchmaͤlert, ſo kann man auf dieſem Wege das Land
an dem jenſeitigen Ufer mit den vielen Luſthaͤuſern,
Gaͤrten und Guͤtern deutlich ſehen. Dieſe reiche Land-
ſchaft, dann die Stadt ſelbſt am Ausfluß der Rhone,
die man in dieſem weiten Umkreis von Luſthaͤuſern, als
den Hauptſitz, dem alles andre gehoͤrt, erblicket, hin-
ter der Stadt aber ein hoher und ſehr breiter Berg, der
zum Hintergrund der Landſchaft dienet, macht ein
Schauſpiel aus, das ich ohne ſtarke Ruͤhrung nicht
anſehen konnte. Dieſe bewundernde Empfindung
wird, nachdem man in die Stadt hineingekommen,
eher ſtaͤrker als geſchwaͤcht. Der Ort iſt an ſich ſelbſt
wohl gebaut, beſonders die obere Stadt, wo die
Vornehmern wohnen. Sie liegt auf einer betraͤchtli-
chen Hoͤhe, und da ſiehet man auf hohen freyſtehen-
den Terraſſen eine Menge wirklich praͤchtiger Haͤuſer,
die man wohl Palaͤſte nennen koͤnnte.

Das auf den Straßen wimmelnde Volk aber
macht ein neues nicht wenig intereſſantes Schauſpiel.
Freyheit, Wohlſtand, froher Muth und eine beſon-
ders lebhafte Phyſiognomie kuͤndigen wirklich ein
außerordentliches Volk an. Eine ſolche Kraft der
Geſichter, beſonders der Augen, habe ich ſonſt nir-

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[66/0084] Tagebuch von einer nach Nizza wie ganz neue Gebaͤude ausſehen. Neben den Haͤu- ſern ſind ſchoͤne wohl unterhaltene Gaͤrten, auch gar oft Weinberge, Wieſen und Aecker. Das Gewim- mel der Menſchen auf der Landſtraße zu Fuß, zu Pferd und im Wagen war dieſen Morgen betraͤcht- lich. Die ganze Gegend um die Stadt war ſo leb- haft, wie es ſonſt an andern Orten bey großen feyer- lichen Gelegenheiten zu ſeyn pflegt. Weil der See gegen die Stadt hin ſich merklich derſchmaͤlert, ſo kann man auf dieſem Wege das Land an dem jenſeitigen Ufer mit den vielen Luſthaͤuſern, Gaͤrten und Guͤtern deutlich ſehen. Dieſe reiche Land- ſchaft, dann die Stadt ſelbſt am Ausfluß der Rhone, die man in dieſem weiten Umkreis von Luſthaͤuſern, als den Hauptſitz, dem alles andre gehoͤrt, erblicket, hin- ter der Stadt aber ein hoher und ſehr breiter Berg, der zum Hintergrund der Landſchaft dienet, macht ein Schauſpiel aus, das ich ohne ſtarke Ruͤhrung nicht anſehen konnte. Dieſe bewundernde Empfindung wird, nachdem man in die Stadt hineingekommen, eher ſtaͤrker als geſchwaͤcht. Der Ort iſt an ſich ſelbſt wohl gebaut, beſonders die obere Stadt, wo die Vornehmern wohnen. Sie liegt auf einer betraͤchtli- chen Hoͤhe, und da ſiehet man auf hohen freyſtehen- den Terraſſen eine Menge wirklich praͤchtiger Haͤuſer, die man wohl Palaͤſte nennen koͤnnte. Das auf den Straßen wimmelnde Volk aber macht ein neues nicht wenig intereſſantes Schauſpiel. Freyheit, Wohlſtand, froher Muth und eine beſon- ders lebhafte Phyſiognomie kuͤndigen wirklich ein außerordentliches Volk an. Eine ſolche Kraft der Geſichter, beſonders der Augen, habe ich ſonſt nir- gend

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/84>, abgerufen am 10.10.2024.