Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Koppelwirthschaft.
Freilich ging man in jenen Zeiten wohl ohne alle Ordnung von einem Flecke des Bo-
dens zum andern über, so wie der bisher angebaute erschöpft war, und mit reichlichen
Früchten nicht mehr lohnte. Denn es war aufzubrechender Boden, der zur Weide
gedient hatte, genug vorhanden. Wie aber bei vermehrter Bevölkerung das Eigen-
thum Gränzen erhielt, sah man sich genöthigt, zu dem verlassenen Acker zurückzukeh-
ren, fand, daß er durch die Ruhe und dem Weidedünger seine Kraft wieder erhal-
ten hatte, und ließ nun den später aufgebrochenen wieder zur Weide liegen. Von die-
ser Wechselung finden wir noch in manchen Gegenden Spuren, indem man die auf-
gepflügten Ackerbeete unter alten Eichen noch deutlich erkennt. Wahrscheinlich hatte
sich dieses Verfahren in dem nördlichsten Theile von Deutschland, der dänischen Halb-
insel erhalten, war daselbst zu einem regulären Systeme geworden, um sich von
hieraus nun wieder auf benachbarte Provinzen zu verbreiten. Der Landdrost von
der Lühe
lernte die Vorzüge dieses Systems zu Anfange des vorigen Jahrhunderts
daselbst kennen, und sing in den Dreißiger-Jahren desselben an, es auf seinen Gü-
tern in Mecklenburg, jedoch mit gewissen Modifikationen, einzuführen. Er zog sich
dadurch heftigen Widerspruch, Streit, Spott und Feindschaft zu, die nachher bei
Gelegenheit der Streitigkeiten mit dem Herzoge, wahrscheinlich theils die Verfolgun-
gen veranlaßte, denen er unterlag, und die seine neue Wirthschaft in Unordnung
brachten, und seine Vermögensumstände zurütteten. Deshalb fand er lange Zeit nur
versteckte Nachahmer, die das System mit verschiedenen neuen Modifikationen ganz
in der Stille auf ihren Gütern einführten, öffentlich aber wohl gar dagegen sprachen.
Auf einmal kam es an den Tag, daß dieses System auf vielen Gütern, die bei der
Dreifelderwirthschaft in die höchste Erschöpfung verfallen waren, und deshalb ihr
Düngerland auf eine immer kleinere Fläche hatten beschränken müssen, durch dieses
System gehoben, aufs neue in Kraft gesetzt und zu einem ungleich höhern Ertrag ge-
bracht worden war. Während und nach dem siebenjährigen Kriege erhielt es aber
erst den allgemeinen Beifall, und verbreitete sich über den größten Theil von Meck-
lenburg
und von da aus einzeln im benachbarte Provinzen. Aus diesen Zeiten sind
auch die ersten Schriften, welche wir darüber haben; z. B. "Rosenows Versuche
einer Abhandlung vom Ackerbau in der Koppelwirthschaft, Leipzig 1759." "Schu-
machers
gerechtes Verhältniß der Viehzucht zum Ackerbau aus der Mecklenburgi-
schen Wirthschaftsverfassung." "Gedanken von der Mecklenburgischen Wirthschaft

und

Die Koppelwirthſchaft.
Freilich ging man in jenen Zeiten wohl ohne alle Ordnung von einem Flecke des Bo-
dens zum andern uͤber, ſo wie der bisher angebaute erſchoͤpft war, und mit reichlichen
Fruͤchten nicht mehr lohnte. Denn es war aufzubrechender Boden, der zur Weide
gedient hatte, genug vorhanden. Wie aber bei vermehrter Bevoͤlkerung das Eigen-
thum Graͤnzen erhielt, ſah man ſich genoͤthigt, zu dem verlaſſenen Acker zuruͤckzukeh-
ren, fand, daß er durch die Ruhe und dem Weideduͤnger ſeine Kraft wieder erhal-
ten hatte, und ließ nun den ſpaͤter aufgebrochenen wieder zur Weide liegen. Von die-
ſer Wechſelung finden wir noch in manchen Gegenden Spuren, indem man die auf-
gepfluͤgten Ackerbeete unter alten Eichen noch deutlich erkennt. Wahrſcheinlich hatte
ſich dieſes Verfahren in dem noͤrdlichſten Theile von Deutſchland, der daͤniſchen Halb-
inſel erhalten, war daſelbſt zu einem regulaͤren Syſteme geworden, um ſich von
hieraus nun wieder auf benachbarte Provinzen zu verbreiten. Der Landdroſt von
der Luͤhe
lernte die Vorzuͤge dieſes Syſtems zu Anfange des vorigen Jahrhunderts
daſelbſt kennen, und ſing in den Dreißiger-Jahren deſſelben an, es auf ſeinen Guͤ-
tern in Mecklenburg, jedoch mit gewiſſen Modifikationen, einzufuͤhren. Er zog ſich
dadurch heftigen Widerſpruch, Streit, Spott und Feindſchaft zu, die nachher bei
Gelegenheit der Streitigkeiten mit dem Herzoge, wahrſcheinlich theils die Verfolgun-
gen veranlaßte, denen er unterlag, und die ſeine neue Wirthſchaft in Unordnung
brachten, und ſeine Vermoͤgensumſtaͤnde zuruͤtteten. Deshalb fand er lange Zeit nur
verſteckte Nachahmer, die das Syſtem mit verſchiedenen neuen Modifikationen ganz
in der Stille auf ihren Guͤtern einfuͤhrten, oͤffentlich aber wohl gar dagegen ſprachen.
Auf einmal kam es an den Tag, daß dieſes Syſtem auf vielen Guͤtern, die bei der
Dreifelderwirthſchaft in die hoͤchſte Erſchoͤpfung verfallen waren, und deshalb ihr
Duͤngerland auf eine immer kleinere Flaͤche hatten beſchraͤnken muͤſſen, durch dieſes
Syſtem gehoben, aufs neue in Kraft geſetzt und zu einem ungleich hoͤhern Ertrag ge-
bracht worden war. Waͤhrend und nach dem ſiebenjaͤhrigen Kriege erhielt es aber
erſt den allgemeinen Beifall, und verbreitete ſich uͤber den groͤßten Theil von Meck-
lenburg
und von da aus einzeln im benachbarte Provinzen. Aus dieſen Zeiten ſind
auch die erſten Schriften, welche wir daruͤber haben; z. B. „Roſenows Verſuche
einer Abhandlung vom Ackerbau in der Koppelwirthſchaft, Leipzig 1759.“ „Schu-
machers
gerechtes Verhaͤltniß der Viehzucht zum Ackerbau aus der Mecklenburgi-
ſchen Wirthſchaftsverfaſſung.“ „Gedanken von der Mecklenburgiſchen Wirthſchaft

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0358" n="312"/><fw place="top" type="header">Die Koppelwirth&#x017F;chaft.</fw><lb/>
Freilich ging man in jenen Zeiten wohl ohne alle Ordnung von einem Flecke des Bo-<lb/>
dens zum andern u&#x0364;ber, &#x017F;o wie der bisher angebaute er&#x017F;cho&#x0364;pft war, und mit reichlichen<lb/>
Fru&#x0364;chten nicht mehr lohnte. Denn es war aufzubrechender Boden, der zur Weide<lb/>
gedient hatte, genug vorhanden. Wie aber bei vermehrter Bevo&#x0364;lkerung das Eigen-<lb/>
thum Gra&#x0364;nzen erhielt, &#x017F;ah man &#x017F;ich geno&#x0364;thigt, zu dem verla&#x017F;&#x017F;enen Acker zuru&#x0364;ckzukeh-<lb/>
ren, fand, daß er durch die Ruhe und dem Weidedu&#x0364;nger &#x017F;eine Kraft wieder erhal-<lb/>
ten hatte, und ließ nun den &#x017F;pa&#x0364;ter aufgebrochenen wieder zur Weide liegen. Von die-<lb/>
&#x017F;er Wech&#x017F;elung finden wir noch in manchen Gegenden Spuren, indem man die auf-<lb/>
gepflu&#x0364;gten Ackerbeete unter alten Eichen noch deutlich erkennt. Wahr&#x017F;cheinlich hatte<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;es Verfahren in dem no&#x0364;rdlich&#x017F;ten Theile von <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName>, der da&#x0364;ni&#x017F;chen Halb-<lb/>
in&#x017F;el erhalten, war da&#x017F;elb&#x017F;t zu einem regula&#x0364;ren Sy&#x017F;teme geworden, um &#x017F;ich von<lb/>
hieraus nun wieder auf benachbarte Provinzen zu verbreiten. Der <hi rendition="#g">Landdro&#x017F;t <persName>von<lb/>
der Lu&#x0364;he</persName></hi> lernte die Vorzu&#x0364;ge die&#x017F;es Sy&#x017F;tems zu Anfange des vorigen Jahrhunderts<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t kennen, und &#x017F;ing in den Dreißiger-Jahren de&#x017F;&#x017F;elben an, es auf &#x017F;einen Gu&#x0364;-<lb/>
tern in <placeName>Mecklenburg</placeName>, jedoch mit gewi&#x017F;&#x017F;en Modifikationen, einzufu&#x0364;hren. Er zog &#x017F;ich<lb/>
dadurch heftigen Wider&#x017F;pruch, Streit, Spott und Feind&#x017F;chaft zu, die nachher bei<lb/>
Gelegenheit der Streitigkeiten mit dem Herzoge, wahr&#x017F;cheinlich theils die Verfolgun-<lb/>
gen veranlaßte, denen er unterlag, und die &#x017F;eine neue Wirth&#x017F;chaft in Unordnung<lb/>
brachten, und &#x017F;eine Vermo&#x0364;gensum&#x017F;ta&#x0364;nde zuru&#x0364;tteten. Deshalb fand er lange Zeit nur<lb/>
ver&#x017F;teckte Nachahmer, die das Sy&#x017F;tem mit ver&#x017F;chiedenen neuen Modifikationen ganz<lb/>
in der Stille auf ihren Gu&#x0364;tern einfu&#x0364;hrten, o&#x0364;ffentlich aber wohl gar dagegen &#x017F;prachen.<lb/>
Auf einmal kam es an den Tag, daß die&#x017F;es Sy&#x017F;tem auf vielen Gu&#x0364;tern, die bei der<lb/>
Dreifelderwirth&#x017F;chaft in die ho&#x0364;ch&#x017F;te Er&#x017F;cho&#x0364;pfung verfallen waren, und deshalb ihr<lb/>
Du&#x0364;ngerland auf eine immer kleinere Fla&#x0364;che hatten be&#x017F;chra&#x0364;nken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, durch die&#x017F;es<lb/>
Sy&#x017F;tem gehoben, aufs neue in Kraft ge&#x017F;etzt und zu einem ungleich ho&#x0364;hern Ertrag ge-<lb/>
bracht worden war. Wa&#x0364;hrend und nach dem &#x017F;iebenja&#x0364;hrigen Kriege erhielt es aber<lb/>
er&#x017F;t den allgemeinen Beifall, und verbreitete &#x017F;ich u&#x0364;ber den gro&#x0364;ßten Theil von <placeName>Meck-<lb/>
lenburg</placeName> und von da aus einzeln im benachbarte Provinzen. Aus die&#x017F;en Zeiten &#x017F;ind<lb/>
auch die er&#x017F;ten Schriften, welche wir daru&#x0364;ber haben; z. B. &#x201E;<hi rendition="#g"><persName>Ro&#x017F;enows</persName></hi> Ver&#x017F;uche<lb/>
einer Abhandlung vom Ackerbau in der Koppelwirth&#x017F;chaft, <placeName>Leipzig</placeName> 1759.&#x201C; &#x201E;<hi rendition="#g"><persName>Schu-<lb/>
machers</persName></hi> gerechtes Verha&#x0364;ltniß der Viehzucht zum Ackerbau aus der Mecklenburgi-<lb/>
&#x017F;chen Wirth&#x017F;chaftsverfa&#x017F;&#x017F;ung.&#x201C; &#x201E;Gedanken von der Mecklenburgi&#x017F;chen Wirth&#x017F;chaft<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0358] Die Koppelwirthſchaft. Freilich ging man in jenen Zeiten wohl ohne alle Ordnung von einem Flecke des Bo- dens zum andern uͤber, ſo wie der bisher angebaute erſchoͤpft war, und mit reichlichen Fruͤchten nicht mehr lohnte. Denn es war aufzubrechender Boden, der zur Weide gedient hatte, genug vorhanden. Wie aber bei vermehrter Bevoͤlkerung das Eigen- thum Graͤnzen erhielt, ſah man ſich genoͤthigt, zu dem verlaſſenen Acker zuruͤckzukeh- ren, fand, daß er durch die Ruhe und dem Weideduͤnger ſeine Kraft wieder erhal- ten hatte, und ließ nun den ſpaͤter aufgebrochenen wieder zur Weide liegen. Von die- ſer Wechſelung finden wir noch in manchen Gegenden Spuren, indem man die auf- gepfluͤgten Ackerbeete unter alten Eichen noch deutlich erkennt. Wahrſcheinlich hatte ſich dieſes Verfahren in dem noͤrdlichſten Theile von Deutſchland, der daͤniſchen Halb- inſel erhalten, war daſelbſt zu einem regulaͤren Syſteme geworden, um ſich von hieraus nun wieder auf benachbarte Provinzen zu verbreiten. Der Landdroſt von der Luͤhe lernte die Vorzuͤge dieſes Syſtems zu Anfange des vorigen Jahrhunderts daſelbſt kennen, und ſing in den Dreißiger-Jahren deſſelben an, es auf ſeinen Guͤ- tern in Mecklenburg, jedoch mit gewiſſen Modifikationen, einzufuͤhren. Er zog ſich dadurch heftigen Widerſpruch, Streit, Spott und Feindſchaft zu, die nachher bei Gelegenheit der Streitigkeiten mit dem Herzoge, wahrſcheinlich theils die Verfolgun- gen veranlaßte, denen er unterlag, und die ſeine neue Wirthſchaft in Unordnung brachten, und ſeine Vermoͤgensumſtaͤnde zuruͤtteten. Deshalb fand er lange Zeit nur verſteckte Nachahmer, die das Syſtem mit verſchiedenen neuen Modifikationen ganz in der Stille auf ihren Guͤtern einfuͤhrten, oͤffentlich aber wohl gar dagegen ſprachen. Auf einmal kam es an den Tag, daß dieſes Syſtem auf vielen Guͤtern, die bei der Dreifelderwirthſchaft in die hoͤchſte Erſchoͤpfung verfallen waren, und deshalb ihr Duͤngerland auf eine immer kleinere Flaͤche hatten beſchraͤnken muͤſſen, durch dieſes Syſtem gehoben, aufs neue in Kraft geſetzt und zu einem ungleich hoͤhern Ertrag ge- bracht worden war. Waͤhrend und nach dem ſiebenjaͤhrigen Kriege erhielt es aber erſt den allgemeinen Beifall, und verbreitete ſich uͤber den groͤßten Theil von Meck- lenburg und von da aus einzeln im benachbarte Provinzen. Aus dieſen Zeiten ſind auch die erſten Schriften, welche wir daruͤber haben; z. B. „Roſenows Verſuche einer Abhandlung vom Ackerbau in der Koppelwirthſchaft, Leipzig 1759.“ „Schu- machers gerechtes Verhaͤltniß der Viehzucht zum Ackerbau aus der Mecklenburgi- ſchen Wirthſchaftsverfaſſung.“ „Gedanken von der Mecklenburgiſchen Wirthſchaft und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/358
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/358>, abgerufen am 29.04.2024.