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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Werthschätzung eines Landguts.
gutem Stande sind, kann man allerdings bessere und mehrere Arbeit von ihnen erwar-
ten und auf die gehörige Weise fordern. Wo aber der Bauer einmal in schlechten
Umständen ist, da haben sie beinahe allen Werth verloren, und werden zuweilen
eine wahre Last für das Gut, da in den meisten Ländern der Gutsbesitzer verpflichtet
ist, den Bauer zu erhalten, für seine Leistungen an den Staat einzustehn und
einen verwüsteten Bauerhof herzustellen. Auch wird, wenn man die Entbehrlichkeit
der Dienste fühlt, der wohlhabende Bauer weit eher zu einem billigen Aequivalent an
Gelde oder Getreide sich verstehen und solches gehörig entrichten, als der einmal in
Dürftigkeit Versunkene es thun will und kann. Diese Rücksicht ist um so wichtiger,
da wahrscheinlich alle Regierungen die Aufhebung der Frohnden, gegen billigen Er-
satz, wo nicht gebieten, doch auf alle Weise befördern werden, indem man allgemein
anerkennt, welch eine große Masse von arbeitenden Kräften, die jetzt fast schlafen,
dadurch erweckt und zum Vortheil des Staats in Thätigkeit gesetzt werden würde.
Wenn auch, wie wir zugeben, die Aufhebung der Frohnden in einzelnen Fäl-
len
weder für den Berechtigten, noch für den Leistenden, in Betracht des zu erle-
genden Aequivalents, vortheilhaft seyn sollte, so würde doch allenthalben eine beiden
Theilen reel zuträgliche Einrichtung darüber getroffen werden können, wenn die
Dienstleistungen als eine Abarbeitung eines bestimmten Quantums von Pacht, Erb-
zins oder Meiergefällen angesehen und berechnet würden, wo dann beide Theile nach
ihrer Konvenienz sich auf gewisse Termine darüber vergleichen könnten.

Nach dem verschiedenen Zustande der Bauern und ihres Gespanns werden dann
auch in den Anschlägen die Dienste sehr verschieden berechnet. Man rechnet einen
Gespanndienst mit zwei Pferden täglich zu 2, 3 bis 8 Gr., in seltenen Fällen zu
12 Gr., einen Handdienst zu 1, 11/2 bis 3 Gr., und nimmt im Durchschnitt an, daß
die Arbeit zweier Dienstgespanne der eines Hofgespanns, und die Arbeit dreier Hand-
dienste der von zwei Tagelöhnern gleicher Art gleich komme. Jenes kann nur bei gu-
tem Dienstgespann angenommen werden, und die Erfahrung lehrt, daß ein Hofge-
spann oft mehr als vier, fünf Dienstgespanne leiste. Auch ist zu erwägen, ob den
Leuten beim Dienste an Gelde oder Naturalien etwas verabreicht, oder dem Zugvieh
Weide eingeräumt werden müsse, in welchem Falle dieses von der Taxation der Dienste
wieder abzuziehen ist. Mancher speziellen Einrichtungen mit den Diensten können
wir hier nicht erwähnen, man hat sich aber darnach an jedem Orte zu erkundigen.


Werthſchaͤtzung eines Landguts.
gutem Stande ſind, kann man allerdings beſſere und mehrere Arbeit von ihnen erwar-
ten und auf die gehoͤrige Weiſe fordern. Wo aber der Bauer einmal in ſchlechten
Umſtaͤnden iſt, da haben ſie beinahe allen Werth verloren, und werden zuweilen
eine wahre Laſt fuͤr das Gut, da in den meiſten Laͤndern der Gutsbeſitzer verpflichtet
iſt, den Bauer zu erhalten, fuͤr ſeine Leiſtungen an den Staat einzuſtehn und
einen verwuͤſteten Bauerhof herzuſtellen. Auch wird, wenn man die Entbehrlichkeit
der Dienſte fuͤhlt, der wohlhabende Bauer weit eher zu einem billigen Aequivalent an
Gelde oder Getreide ſich verſtehen und ſolches gehoͤrig entrichten, als der einmal in
Duͤrftigkeit Verſunkene es thun will und kann. Dieſe Ruͤckſicht iſt um ſo wichtiger,
da wahrſcheinlich alle Regierungen die Aufhebung der Frohnden, gegen billigen Er-
ſatz, wo nicht gebieten, doch auf alle Weiſe befoͤrdern werden, indem man allgemein
anerkennt, welch eine große Maſſe von arbeitenden Kraͤften, die jetzt faſt ſchlafen,
dadurch erweckt und zum Vortheil des Staats in Thaͤtigkeit geſetzt werden wuͤrde.
Wenn auch, wie wir zugeben, die Aufhebung der Frohnden in einzelnen Faͤl-
len
weder fuͤr den Berechtigten, noch fuͤr den Leiſtenden, in Betracht des zu erle-
genden Aequivalents, vortheilhaft ſeyn ſollte, ſo wuͤrde doch allenthalben eine beiden
Theilen reel zutraͤgliche Einrichtung daruͤber getroffen werden koͤnnen, wenn die
Dienſtleiſtungen als eine Abarbeitung eines beſtimmten Quantums von Pacht, Erb-
zins oder Meiergefaͤllen angeſehen und berechnet wuͤrden, wo dann beide Theile nach
ihrer Konvenienz ſich auf gewiſſe Termine daruͤber vergleichen koͤnnten.

Nach dem verſchiedenen Zuſtande der Bauern und ihres Geſpanns werden dann
auch in den Anſchlaͤgen die Dienſte ſehr verſchieden berechnet. Man rechnet einen
Geſpanndienſt mit zwei Pferden taͤglich zu 2, 3 bis 8 Gr., in ſeltenen Faͤllen zu
12 Gr., einen Handdienſt zu 1, 1½ bis 3 Gr., und nimmt im Durchſchnitt an, daß
die Arbeit zweier Dienſtgeſpanne der eines Hofgeſpanns, und die Arbeit dreier Hand-
dienſte der von zwei Tageloͤhnern gleicher Art gleich komme. Jenes kann nur bei gu-
tem Dienſtgeſpann angenommen werden, und die Erfahrung lehrt, daß ein Hofge-
ſpann oft mehr als vier, fuͤnf Dienſtgeſpanne leiſte. Auch iſt zu erwaͤgen, ob den
Leuten beim Dienſte an Gelde oder Naturalien etwas verabreicht, oder dem Zugvieh
Weide eingeraͤumt werden muͤſſe, in welchem Falle dieſes von der Taxation der Dienſte
wieder abzuziehen iſt. Mancher ſpeziellen Einrichtungen mit den Dienſten koͤnnen
wir hier nicht erwaͤhnen, man hat ſich aber darnach an jedem Orte zu erkundigen.


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[66/0096] Werthſchaͤtzung eines Landguts. gutem Stande ſind, kann man allerdings beſſere und mehrere Arbeit von ihnen erwar- ten und auf die gehoͤrige Weiſe fordern. Wo aber der Bauer einmal in ſchlechten Umſtaͤnden iſt, da haben ſie beinahe allen Werth verloren, und werden zuweilen eine wahre Laſt fuͤr das Gut, da in den meiſten Laͤndern der Gutsbeſitzer verpflichtet iſt, den Bauer zu erhalten, fuͤr ſeine Leiſtungen an den Staat einzuſtehn und einen verwuͤſteten Bauerhof herzuſtellen. Auch wird, wenn man die Entbehrlichkeit der Dienſte fuͤhlt, der wohlhabende Bauer weit eher zu einem billigen Aequivalent an Gelde oder Getreide ſich verſtehen und ſolches gehoͤrig entrichten, als der einmal in Duͤrftigkeit Verſunkene es thun will und kann. Dieſe Ruͤckſicht iſt um ſo wichtiger, da wahrſcheinlich alle Regierungen die Aufhebung der Frohnden, gegen billigen Er- ſatz, wo nicht gebieten, doch auf alle Weiſe befoͤrdern werden, indem man allgemein anerkennt, welch eine große Maſſe von arbeitenden Kraͤften, die jetzt faſt ſchlafen, dadurch erweckt und zum Vortheil des Staats in Thaͤtigkeit geſetzt werden wuͤrde. Wenn auch, wie wir zugeben, die Aufhebung der Frohnden in einzelnen Faͤl- len weder fuͤr den Berechtigten, noch fuͤr den Leiſtenden, in Betracht des zu erle- genden Aequivalents, vortheilhaft ſeyn ſollte, ſo wuͤrde doch allenthalben eine beiden Theilen reel zutraͤgliche Einrichtung daruͤber getroffen werden koͤnnen, wenn die Dienſtleiſtungen als eine Abarbeitung eines beſtimmten Quantums von Pacht, Erb- zins oder Meiergefaͤllen angeſehen und berechnet wuͤrden, wo dann beide Theile nach ihrer Konvenienz ſich auf gewiſſe Termine daruͤber vergleichen koͤnnten. Nach dem verſchiedenen Zuſtande der Bauern und ihres Geſpanns werden dann auch in den Anſchlaͤgen die Dienſte ſehr verſchieden berechnet. Man rechnet einen Geſpanndienſt mit zwei Pferden taͤglich zu 2, 3 bis 8 Gr., in ſeltenen Faͤllen zu 12 Gr., einen Handdienſt zu 1, 1½ bis 3 Gr., und nimmt im Durchſchnitt an, daß die Arbeit zweier Dienſtgeſpanne der eines Hofgeſpanns, und die Arbeit dreier Hand- dienſte der von zwei Tageloͤhnern gleicher Art gleich komme. Jenes kann nur bei gu- tem Dienſtgeſpann angenommen werden, und die Erfahrung lehrt, daß ein Hofge- ſpann oft mehr als vier, fuͤnf Dienſtgeſpanne leiſte. Auch iſt zu erwaͤgen, ob den Leuten beim Dienſte an Gelde oder Naturalien etwas verabreicht, oder dem Zugvieh Weide eingeraͤumt werden muͤſſe, in welchem Falle dieſes von der Taxation der Dienſte wieder abzuziehen iſt. Mancher ſpeziellen Einrichtungen mit den Dienſten koͤnnen wir hier nicht erwaͤhnen, man hat ſich aber darnach an jedem Orte zu erkundigen.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/96>, abgerufen am 26.04.2024.