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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Werthschätzung eines Landguts.

Ueber die Benutzung der Dienste wird übrigens im Kapitel von der Arbeit ge-
handelt werden.

§. 102.

Eine wichtige Rücksicht bei der Schätzung eines Landguts ist die Lage derDie Lage der
Grundstücke.

Grundstücke gegen einander.

In einigen Gegenden ist die Zerstückelung und Vermengung der zu verschiede-
nen Gütern gehörigen, oder der herrschaftlichen mit den bäuerlichen, fast allgemein.
Der Grund dieser Zerstückelung mag vor Alters in der Unwissenheit gelegen haben,
wie man bei Theilung einer Feldmark eine gewisse Gleichheit der Loose ausmitteln sollte,
oder aber in andern Rücksichten, welche zu jener Zeit wichtiger als eine gehörige Be-
stellung des Feldes schienen. Jetzt macht diese Einrichtung eine hohe Stufe der
[ - 4 Zeichen fehlen]kultur, wo sie nicht abgeändert wird, durchaus unerreichbar. Die Bearbei-
tung des Feldes ist vielen Schwierigkeiten und Zwange unterworfen, kann auf kleinen
Breiten nie in der Vollkommenheit, wie auf großen geschehen. Der Zeitverlust, der
durch das Umherziehen von einem Felde zum andern verursacht wird, ist beträchtlich,
und es ist weder eine zureichende Aufsicht auf die Arbeiter und Kontrolle der geschehe-
nen Arbeiten, noch ein zutreffender Voranschlag der Zeit und Kraft, welche zur Be-
stellung des Feldes nöthig seyn wird, möglich. Durch die Scheidungen der Acker-
felder, durch Raine -- die doch nöthig bleiben, wenn die Gränzen nicht verletzt
werden sollen -- geht ein beträchtlicher Raum verloren. Die Vertilgung des einge-
saamten Unkrauts wird dem Einzelnen unmöglich. Die oft so nützlichen Befriedi-
gungen fallen weg, so daß man der Zerstörung des zahmen und des wilden Viehes,
selbst der Menschen, nicht wehren kann. Auch die nothwendigen Begrabungen zur
Ableitung der schädlichen Feuchtigkeit können von dem Einzelnen nicht bewerkstelligt
werden, und werden von der Gemeinde höchst selten zweckmäßig veranstaltet und er-
halten. Aber, was der Hauptnachtheil ist, die Weide ist nicht privativ, und kann
nicht privativ benutzt werden. Deshalb ist man an das eingeführte, mehrentheils
höchst fehlerhafte und mit einer zweckmäßigen Benutzung unvereinbarliche Feldsystem
gebunden, und alle wesentliche Verbesserungen werden unmöglich.

Deshalb ist der Werth solcher zerstückelten Grundstücke, nach der Ueberzeugung
aller rationellen Landwirthe, unter der Hälfte des Werths der zusammen liegenden
und privativen. Ein solcher wird sich daher für den Ankauf eines Guts dieser Art

J 2
Werthſchaͤtzung eines Landguts.

Ueber die Benutzung der Dienſte wird uͤbrigens im Kapitel von der Arbeit ge-
handelt werden.

§. 102.

Eine wichtige Ruͤckſicht bei der Schaͤtzung eines Landguts iſt die Lage derDie Lage der
Grundſtuͤcke.

Grundſtuͤcke gegen einander.

In einigen Gegenden iſt die Zerſtuͤckelung und Vermengung der zu verſchiede-
nen Guͤtern gehoͤrigen, oder der herrſchaftlichen mit den baͤuerlichen, faſt allgemein.
Der Grund dieſer Zerſtuͤckelung mag vor Alters in der Unwiſſenheit gelegen haben,
wie man bei Theilung einer Feldmark eine gewiſſe Gleichheit der Looſe ausmitteln ſollte,
oder aber in andern Ruͤckſichten, welche zu jener Zeit wichtiger als eine gehoͤrige Be-
ſtellung des Feldes ſchienen. Jetzt macht dieſe Einrichtung eine hohe Stufe der
[ – 4 Zeichen fehlen]kultur, wo ſie nicht abgeaͤndert wird, durchaus unerreichbar. Die Bearbei-
tung des Feldes iſt vielen Schwierigkeiten und Zwange unterworfen, kann auf kleinen
Breiten nie in der Vollkommenheit, wie auf großen geſchehen. Der Zeitverluſt, der
durch das Umherziehen von einem Felde zum andern verurſacht wird, iſt betraͤchtlich,
und es iſt weder eine zureichende Aufſicht auf die Arbeiter und Kontrolle der geſchehe-
nen Arbeiten, noch ein zutreffender Voranſchlag der Zeit und Kraft, welche zur Be-
ſtellung des Feldes noͤthig ſeyn wird, moͤglich. Durch die Scheidungen der Acker-
felder, durch Raine — die doch noͤthig bleiben, wenn die Graͤnzen nicht verletzt
werden ſollen — geht ein betraͤchtlicher Raum verloren. Die Vertilgung des einge-
ſaamten Unkrauts wird dem Einzelnen unmoͤglich. Die oft ſo nuͤtzlichen Befriedi-
gungen fallen weg, ſo daß man der Zerſtoͤrung des zahmen und des wilden Viehes,
ſelbſt der Menſchen, nicht wehren kann. Auch die nothwendigen Begrabungen zur
Ableitung der ſchaͤdlichen Feuchtigkeit koͤnnen von dem Einzelnen nicht bewerkſtelligt
werden, und werden von der Gemeinde hoͤchſt ſelten zweckmaͤßig veranſtaltet und er-
halten. Aber, was der Hauptnachtheil iſt, die Weide iſt nicht privativ, und kann
nicht privativ benutzt werden. Deshalb iſt man an das eingefuͤhrte, mehrentheils
hoͤchſt fehlerhafte und mit einer zweckmaͤßigen Benutzung unvereinbarliche Feldſyſtem
gebunden, und alle weſentliche Verbeſſerungen werden unmoͤglich.

Deshalb iſt der Werth ſolcher zerſtuͤckelten Grundſtuͤcke, nach der Ueberzeugung
aller rationellen Landwirthe, unter der Haͤlfte des Werths der zuſammen liegenden
und privativen. Ein ſolcher wird ſich daher fuͤr den Ankauf eines Guts dieſer Art

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[67/0097] Werthſchaͤtzung eines Landguts. Ueber die Benutzung der Dienſte wird uͤbrigens im Kapitel von der Arbeit ge- handelt werden. §. 102. Eine wichtige Ruͤckſicht bei der Schaͤtzung eines Landguts iſt die Lage der Grundſtuͤcke gegen einander. Die Lage der Grundſtuͤcke. In einigen Gegenden iſt die Zerſtuͤckelung und Vermengung der zu verſchiede- nen Guͤtern gehoͤrigen, oder der herrſchaftlichen mit den baͤuerlichen, faſt allgemein. Der Grund dieſer Zerſtuͤckelung mag vor Alters in der Unwiſſenheit gelegen haben, wie man bei Theilung einer Feldmark eine gewiſſe Gleichheit der Looſe ausmitteln ſollte, oder aber in andern Ruͤckſichten, welche zu jener Zeit wichtiger als eine gehoͤrige Be- ſtellung des Feldes ſchienen. Jetzt macht dieſe Einrichtung eine hohe Stufe der ____kultur, wo ſie nicht abgeaͤndert wird, durchaus unerreichbar. Die Bearbei- tung des Feldes iſt vielen Schwierigkeiten und Zwange unterworfen, kann auf kleinen Breiten nie in der Vollkommenheit, wie auf großen geſchehen. Der Zeitverluſt, der durch das Umherziehen von einem Felde zum andern verurſacht wird, iſt betraͤchtlich, und es iſt weder eine zureichende Aufſicht auf die Arbeiter und Kontrolle der geſchehe- nen Arbeiten, noch ein zutreffender Voranſchlag der Zeit und Kraft, welche zur Be- ſtellung des Feldes noͤthig ſeyn wird, moͤglich. Durch die Scheidungen der Acker- felder, durch Raine — die doch noͤthig bleiben, wenn die Graͤnzen nicht verletzt werden ſollen — geht ein betraͤchtlicher Raum verloren. Die Vertilgung des einge- ſaamten Unkrauts wird dem Einzelnen unmoͤglich. Die oft ſo nuͤtzlichen Befriedi- gungen fallen weg, ſo daß man der Zerſtoͤrung des zahmen und des wilden Viehes, ſelbſt der Menſchen, nicht wehren kann. Auch die nothwendigen Begrabungen zur Ableitung der ſchaͤdlichen Feuchtigkeit koͤnnen von dem Einzelnen nicht bewerkſtelligt werden, und werden von der Gemeinde hoͤchſt ſelten zweckmaͤßig veranſtaltet und er- halten. Aber, was der Hauptnachtheil iſt, die Weide iſt nicht privativ, und kann nicht privativ benutzt werden. Deshalb iſt man an das eingefuͤhrte, mehrentheils hoͤchſt fehlerhafte und mit einer zweckmaͤßigen Benutzung unvereinbarliche Feldſyſtem gebunden, und alle weſentliche Verbeſſerungen werden unmoͤglich. Deshalb iſt der Werth ſolcher zerſtuͤckelten Grundſtuͤcke, nach der Ueberzeugung aller rationellen Landwirthe, unter der Haͤlfte des Werths der zuſammen liegenden und privativen. Ein ſolcher wird ſich daher fuͤr den Ankauf eines Guts dieſer Art J 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/97>, abgerufen am 19.04.2024.