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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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man ihn berichtet/ ob wäre Aristoteles mit ursach gewesen/ daß
dem alexander mit Gifft vergeben worden; da er doch im übri-
gen nicht die geringste qvalität/ krafft welcher Alexander sich
den Namen des Großen verdienet/ an sich gehabt. Jch weiß
nicht/ Meine Herrn/ ob es uns nicht auch so gehe. Denn wie
kommts doch/ daß wan von uns Teutschen iemand in Franck-
reich reiset/ ohnerachtet er propre gekleidet ist/ und sehr geschickt
von einen Frantzösischen Braten oder fricassee raisonniren
kan/ auch perfect parliret und seinen Reverentz so gut als ein
leibhafftiger Frantzoß zumachen weiß/ er dennoch gemeiniglich
als ein eiufältiges Schaff ausgelachet wird/ da hingegen die
Frantzosen/ so zu uns herausser kommen durchgehends Liebe und
Verwunderung an sich ziehen? Es kan nicht fehlen/ wir müssen
mit unserer Nachahnung das rechte pflöckgen nicht getroffen ha-
ben/ und ist dannenhero hoch nöthig/ wenn wir ihnen hinter die
Künste kommen wollen/ wodurch sie alle Welt ihnen Ehrerbie-
tung zu bezeigen anlocken/ daß wir der Sachen ein wenig reiffer
nachdencken/ ob wir den wahren Hauptzweck erreichen können.

Wie solten wir aber denselben besser erlangen/ als wenn wir
das jenige etwas genauer überlegen/ welches die Frantzosen un-
ter sich in hohen Werth halten/ und derohalben die jenigen so da-
mit begabt sind andern fürziehen. Sie machen viel wesens
d' un honnete homme, d' un homme scavant, d' un
bel esprit, d' un homme de bon goust, & d' un homme
galant,
welches alles solche Eigenschafften sind/ so wohl verdie-
nen/ daß man sie nicht obenhin ansehe/ noch vermeine/ daß man es
trefflich erfunden habe/ wenn man nach uuserer Redens-Art sa-
gen wolte/ sie erfoderten zu einem geschickten Menschen/ daß er
ein chrlicher/ gelehrter/ verständiger/ kiuger und artiger
Kopff sey/
in ansehen die Frantzosen selbst diese Titel nicht alle-
mahl auff gleiche Art gebrauchen. Zwar so viel un honnete

homme

man ihn berichtet/ ob waͤre Ariſtoteles mit urſach geweſen/ daß
dem alexander mit Gifft vergeben worden; da er doch im uͤbri-
gen nicht die geringſte qvalitaͤt/ krafft welcher Alexander ſich
den Namen des Großen verdienet/ an ſich gehabt. Jch weiß
nicht/ Meine Herrn/ ob es uns nicht auch ſo gehe. Denn wie
kommts doch/ daß wan von uns Teutſchen iemand in Franck-
reich reiſet/ ohnerachtet er propre gekleidet iſt/ und ſehr geſchickt
von einen Frantzoͤſiſchen Braten oder fricaſſée raiſonniren
kan/ auch perfect parliret und ſeinen Reverentz ſo gut als ein
leibhafftiger Frantzoß zumachen weiß/ er dennoch gemeiniglich
als ein eiufaͤltiges Schaff ausgelachet wird/ da hingegen die
Frantzoſen/ ſo zu uns herauſſer kommen durchgehends Liebe und
Verwunderung an ſich ziehen? Es kan nicht fehlen/ wir muͤſſen
mit unſerer Nachahnung das rechte pfloͤckgen nicht getroffen ha-
ben/ und iſt dannenhero hoch noͤthig/ wenn wir ihnen hinter die
Kuͤnſte kommen wollen/ wodurch ſie alle Welt ihnen Ehrerbie-
tung zu bezeigen anlocken/ daß wir der Sachen ein wenig reiffer
nachdencken/ ob wir den wahren Hauptzweck erreichen koͤnnen.

Wie ſolten wir aber denſelben beſſer erlangen/ als wenn wir
das jenige etwas genauer uͤberlegen/ welches die Frantzoſen un-
ter ſich in hohen Werth halten/ und derohalben die jenigen ſo da-
mit begabt ſind andern fuͤrziehen. Sie machen viel weſens
d’ un honnéte homme, d’ un homme ſcavant, d’ un
bel esprit, d’ un homme de bon gouſt, & d’ un homme
galant,
welches alles ſolche Eigenſchafften ſind/ ſo wohl verdie-
nen/ daß man ſie nicht obenhin anſehe/ noch vermeine/ daß man es
trefflich erfunden habe/ wenn man nach uuſerer Redens-Art ſa-
gen wolte/ ſie erfoderten zu einem geſchickten Menſchen/ daß er
ein chrlicher/ gelehrter/ verſtaͤndiger/ kiuger und artiger
Kopff ſey/
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[7/0009] man ihn berichtet/ ob waͤre Ariſtoteles mit urſach geweſen/ daß dem alexander mit Gifft vergeben worden; da er doch im uͤbri- gen nicht die geringſte qvalitaͤt/ krafft welcher Alexander ſich den Namen des Großen verdienet/ an ſich gehabt. Jch weiß nicht/ Meine Herrn/ ob es uns nicht auch ſo gehe. Denn wie kommts doch/ daß wan von uns Teutſchen iemand in Franck- reich reiſet/ ohnerachtet er propre gekleidet iſt/ und ſehr geſchickt von einen Frantzoͤſiſchen Braten oder fricaſſée raiſonniren kan/ auch perfect parliret und ſeinen Reverentz ſo gut als ein leibhafftiger Frantzoß zumachen weiß/ er dennoch gemeiniglich als ein eiufaͤltiges Schaff ausgelachet wird/ da hingegen die Frantzoſen/ ſo zu uns herauſſer kommen durchgehends Liebe und Verwunderung an ſich ziehen? Es kan nicht fehlen/ wir muͤſſen mit unſerer Nachahnung das rechte pfloͤckgen nicht getroffen ha- ben/ und iſt dannenhero hoch noͤthig/ wenn wir ihnen hinter die Kuͤnſte kommen wollen/ wodurch ſie alle Welt ihnen Ehrerbie- tung zu bezeigen anlocken/ daß wir der Sachen ein wenig reiffer nachdencken/ ob wir den wahren Hauptzweck erreichen koͤnnen. Wie ſolten wir aber denſelben beſſer erlangen/ als wenn wir das jenige etwas genauer uͤberlegen/ welches die Frantzoſen un- ter ſich in hohen Werth halten/ und derohalben die jenigen ſo da- mit begabt ſind andern fuͤrziehen. Sie machen viel weſens d’ un honnéte homme, d’ un homme ſcavant, d’ un bel esprit, d’ un homme de bon gouſt, & d’ un homme galant, welches alles ſolche Eigenſchafften ſind/ ſo wohl verdie- nen/ daß man ſie nicht obenhin anſehe/ noch vermeine/ daß man es trefflich erfunden habe/ wenn man nach uuſerer Redens-Art ſa- gen wolte/ ſie erfoderten zu einem geſchickten Menſchen/ daß er ein chrlicher/ gelehrter/ verſtaͤndiger/ kiuger und artiger Kopff ſey/ in anſehen die Frantzoſen ſelbſt dieſe Titel nicht alle- mahl auff gleiche Art gebrauchen. Zwar ſo viel un honnéte homme

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/9>, abgerufen am 29.03.2024.