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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Vernunfft-Lehre insonderheit.
überhaupt in Erkäntnüs der Warheit/ in
waserley Theilen der Gelahrheit es auch
seyn möge/ recht gebrauchen/ und andern
Menschen damit dienen sollen.

2. Die Vernunfft-Lehre gehet die Men-
schen an/ und keine andere Creaturen/ weil
keine andere Creaturen eine Vernunfft ha-
ben. Denn die Vernunfft ist nichts anders/
als ein Vermögen der menschlichen Seele.

3. Diese Lehre ist in der Vernunfft des
Menschen selbst gegründet/ und also von
GOtt dem menschlichen Geschlecht selbsten
von Natur eingegeben. Bey welcher Be-
wan[d]nüß denn es keiner absonderlichen Lehre
brauchen würde/ wenn des Menschen Zu-
stand in diesem Leben nicht so beschaffen wäre/
daß von Jugend auf das natürliche Licht der
Vernunfft durch vielfältige Ursachen verdun-
ckelt würde.

4. Jndem von Jugend auf denen kleinen
Kindern/ deren Verstand noch nicht bekräffti-
get ist/ das Wahre von dem Falschen zu ent-
scheiden/ viel falsche Einbildungen für war-
hafftige imprimiret werden/ welche falsche
impressiones sich so lange mehren/ biß bey
heranwachsenden Alter der Mensch geschickt

wird/
F 5

Vernunfft-Lehre inſonderheit.
uͤberhaupt in Erkaͤntnuͤs der Warheit/ in
waſerley Theilen der Gelahrheit es auch
ſeyn moͤge/ recht gebrauchen/ und andern
Menſchen damit dienen ſollen.

2. Die Vernunfft-Lehre gehet die Men-
ſchen an/ und keine andere Creaturen/ weil
keine andere Creaturen eine Vernunfft ha-
ben. Denn die Vernunfft iſt nichts anders/
als ein Vermoͤgen der menſchlichen Seele.

3. Dieſe Lehre iſt in der Vernunfft des
Menſchen ſelbſt gegruͤndet/ und alſo von
GOtt dem menſchlichen Geſchlecht ſelbſten
von Natur eingegeben. Bey welcher Be-
wan[d]nuͤß denn es keiner abſonderlichen Lehre
brauchen wuͤrde/ wenn des Menſchen Zu-
ſtand in dieſem Leben nicht ſo beſchaffen waͤre/
daß von Jugend auf das natuͤrliche Licht der
Vernunfft durch vielfaͤltige Urſachen verdun-
ckelt wuͤrde.

4. Jndem von Jugend auf denen kleinen
Kindern/ deren Verſtand noch nicht bekraͤffti-
get iſt/ das Wahre von dem Falſchen zu ent-
ſcheiden/ viel falſche Einbildungen fuͤr war-
hafftige imprimiret werden/ welche falſche
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wird/
F 5
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[89/0107] Vernunfft-Lehre inſonderheit. uͤberhaupt in Erkaͤntnuͤs der Warheit/ in waſerley Theilen der Gelahrheit es auch ſeyn moͤge/ recht gebrauchen/ und andern Menſchen damit dienen ſollen. 2. Die Vernunfft-Lehre gehet die Men- ſchen an/ und keine andere Creaturen/ weil keine andere Creaturen eine Vernunfft ha- ben. Denn die Vernunfft iſt nichts anders/ als ein Vermoͤgen der menſchlichen Seele. 3. Dieſe Lehre iſt in der Vernunfft des Menſchen ſelbſt gegruͤndet/ und alſo von GOtt dem menſchlichen Geſchlecht ſelbſten von Natur eingegeben. Bey welcher Be- wandnuͤß denn es keiner abſonderlichen Lehre brauchen wuͤrde/ wenn des Menſchen Zu- ſtand in dieſem Leben nicht ſo beſchaffen waͤre/ daß von Jugend auf das natuͤrliche Licht der Vernunfft durch vielfaͤltige Urſachen verdun- ckelt wuͤrde. 4. Jndem von Jugend auf denen kleinen Kindern/ deren Verſtand noch nicht bekraͤffti- get iſt/ das Wahre von dem Falſchen zu ent- ſcheiden/ viel falſche Einbildungen fuͤr war- hafftige imprimiret werden/ welche falſche impreſſiones ſich ſo lange mehren/ biß bey heranwachſenden Alter der Menſch geſchickt wird/ F 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/107>, abgerufen am 29.03.2024.