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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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legato, quam ordinario, auch diese Commission nicht motu proprio Principis, sondern auf Herrn quaerentis eigene requisition ergangen, und Er als sonsten judex ordinarius hierinnen selbsten nicht judiciren kan, auch hiebey wohl zu beobachten, daß Bekl. als eine vidua und persona miserabilis an die subtilitates juris Civilis de foro competente nicht gebunden, hiernechst die reconvention von der Beklagtin der rechten und wahren Litis Contestation in continenti angehangen worden, und nicht aus der conventions-Klage, sondern ex facto separato, das mit derselben hauptsächlich nichts zuthun, herfliesset: Ferner wenn gleich die Quartal-Gerichts-Ordnung dasjenige, was Herr quaerent vorgiebet, in sich hielte, dennoch aus besagten Umständen die Erkäntniß auf die Einlassung allerdings zu vermuthen, und Bekl. endlich als eine arme Frau ad cautionem juratoriam, da Ihr selbige zuerkandt werden solte, sich erbothen, sie auch ohne dem, wenn das factum notorium, und öffentlich geschehen wäre, praesumtionem juris für sich hat. So möchte auch derselbige (dann von den Seinigen kan nicht gefragt werden, weil Bekl. die reconventions-Klage auf ihn allein gerichtet) auff die wieder Ihn angestellete reconventions-Klage sich coram Commissione einzulassen, mit Bestande Rechtens nicht entbrechen können. Alles V. R. W.

§. IV. Hätte der Quaerente nur seine fünff Sinnen vernünfftig gebrauchenNoch etliche Anmerckungen von der Ungeschicklichkeit des Quaerenten. wollen, und nicht seiner unzeitigen Nachgier wieder die arme Gertraud, oder wohl gar dem despotischen Befehl seiner Frau Gemahlin, oder auch dem Nath eines von denen ungeschicktesten Advocaten gefolget; so würde Ihm auch der einfältigste Mann gesagt haben, daß er sich nach seinen eigenen registraturen nicht an die Gertraud, wegen dieser zu Gemüthe so sehr gezogenen Schimpff-Rede halten könte, sondern daß er sich an die Kloster-Jungfer, als die da die wahre injuriantin seyn muste, hätte halten müssen, und daß er die arme Gertraud vielmehr als eine Zeugin dißfalls hätte menagiren, und nicht wieder alle Vernunfft so barbarisch tractiren sollen. Dieses ware also der Haupt-Fehler, den aber unsere Facultät unmöglich zu rechte bringen, und aus schwartz weiß machen konte. Ja wer solte es sich wohl einbilden, daß ein vernünfftiger Mensch ein Collegium juridicum fragen könte: Ob die Seinigen, nemlich seine Frau und sein Sohn sich auff die reconvention einzulassen schuldig wären, da doch die Reconvenientin nur über den quaerenten geklagt, und weder von seiner Frau noch von seinem Sohne eine Einlassung gefordert hatte. Und dennoch ist es geschehen, wie diese Figur bey Formirung der dritten Frage ausweiset.

legato, quam ordinario, auch diese Commission nicht motu proprio Principis, sondern auf Herrn quaerentis eigene requisition ergangen, und Er als sonsten judex ordinarius hierinnen selbsten nicht judiciren kan, auch hiebey wohl zu beobachten, daß Bekl. als eine vidua und persona miserabilis an die subtilitates juris Civilis de foro competente nicht gebunden, hiernechst die reconvention von der Beklagtin der rechten und wahren Litis Contestation in continenti angehangen worden, und nicht aus der conventions-Klage, sondern ex facto separato, das mit derselben hauptsächlich nichts zuthun, herfliesset: Ferner wenn gleich die Quartal-Gerichts-Ordnung dasjenige, was Herr quaerent vorgiebet, in sich hielte, dennoch aus besagten Umständen die Erkäntniß auf die Einlassung allerdings zu vermuthen, und Bekl. endlich als eine arme Frau ad cautionem juratoriam, da Ihr selbige zuerkandt werden solte, sich erbothen, sie auch ohne dem, wenn das factum notorium, und öffentlich geschehen wäre, praesumtionem juris für sich hat. So möchte auch derselbige (dann von den Seinigen kan nicht gefragt werden, weil Bekl. die reconventions-Klage auf ihn allein gerichtet) auff die wieder Ihn angestellete reconventions-Klage sich coram Commissione einzulassen, mit Bestande Rechtens nicht entbrechen können. Alles V. R. W.

§. IV. Hätte der Quaerente nur seine fünff Sinnen vernünfftig gebrauchenNoch etliche Anmerckungen von der Ungeschicklichkeit des Quaerenten. wollen, und nicht seiner unzeitigen Nachgier wieder die arme Gertraud, oder wohl gar dem despotischen Befehl seiner Frau Gemahlin, oder auch dem Nath eines von denen ungeschicktesten Advocaten gefolget; so würde Ihm auch der einfältigste Mann gesagt haben, daß er sich nach seinen eigenen registraturen nicht an die Gertraud, wegen dieser zu Gemüthe so sehr gezogenen Schimpff-Rede halten könte, sondern daß er sich an die Kloster-Jungfer, als die da die wahre injuriantin seyn muste, hätte halten müssen, und daß er die arme Gertraud vielmehr als eine Zeugin dißfalls hätte menagiren, und nicht wieder alle Vernunfft so barbarisch tractiren sollen. Dieses ware also der Haupt-Fehler, den aber unsere Facultät unmöglich zu rechte bringen, und aus schwartz weiß machen konte. Ja wer solte es sich wohl einbilden, daß ein vernünfftiger Mensch ein Collegium juridicum fragen könte: Ob die Seinigen, nemlich seine Frau und sein Sohn sich auff die reconvention einzulassen schuldig wären, da doch die Reconvenientin nur über den quaerenten geklagt, und weder von seiner Frau noch von seinem Sohne eine Einlassung gefordert hatte. Und dennoch ist es geschehen, wie diese Figur bey Formirung der dritten Frage ausweiset.

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[139/0155] legato, quam ordinario, auch diese Commission nicht motu proprio Principis, sondern auf Herrn quaerentis eigene requisition ergangen, und Er als sonsten judex ordinarius hierinnen selbsten nicht judiciren kan, auch hiebey wohl zu beobachten, daß Bekl. als eine vidua und persona miserabilis an die subtilitates juris Civilis de foro competente nicht gebunden, hiernechst die reconvention von der Beklagtin der rechten und wahren Litis Contestation in continenti angehangen worden, und nicht aus der conventions-Klage, sondern ex facto separato, das mit derselben hauptsächlich nichts zuthun, herfliesset: Ferner wenn gleich die Quartal-Gerichts-Ordnung dasjenige, was Herr quaerent vorgiebet, in sich hielte, dennoch aus besagten Umständen die Erkäntniß auf die Einlassung allerdings zu vermuthen, und Bekl. endlich als eine arme Frau ad cautionem juratoriam, da Ihr selbige zuerkandt werden solte, sich erbothen, sie auch ohne dem, wenn das factum notorium, und öffentlich geschehen wäre, praesumtionem juris für sich hat. So möchte auch derselbige (dann von den Seinigen kan nicht gefragt werden, weil Bekl. die reconventions-Klage auf ihn allein gerichtet) auff die wieder Ihn angestellete reconventions-Klage sich coram Commissione einzulassen, mit Bestande Rechtens nicht entbrechen können. Alles V. R. W. §. IV. Hätte der Quaerente nur seine fünff Sinnen vernünfftig gebrauchen wollen, und nicht seiner unzeitigen Nachgier wieder die arme Gertraud, oder wohl gar dem despotischen Befehl seiner Frau Gemahlin, oder auch dem Nath eines von denen ungeschicktesten Advocaten gefolget; so würde Ihm auch der einfältigste Mann gesagt haben, daß er sich nach seinen eigenen registraturen nicht an die Gertraud, wegen dieser zu Gemüthe so sehr gezogenen Schimpff-Rede halten könte, sondern daß er sich an die Kloster-Jungfer, als die da die wahre injuriantin seyn muste, hätte halten müssen, und daß er die arme Gertraud vielmehr als eine Zeugin dißfalls hätte menagiren, und nicht wieder alle Vernunfft so barbarisch tractiren sollen. Dieses ware also der Haupt-Fehler, den aber unsere Facultät unmöglich zu rechte bringen, und aus schwartz weiß machen konte. Ja wer solte es sich wohl einbilden, daß ein vernünfftiger Mensch ein Collegium juridicum fragen könte: Ob die Seinigen, nemlich seine Frau und sein Sohn sich auff die reconvention einzulassen schuldig wären, da doch die Reconvenientin nur über den quaerenten geklagt, und weder von seiner Frau noch von seinem Sohne eine Einlassung gefordert hatte. Und dennoch ist es geschehen, wie diese Figur bey Formirung der dritten Frage ausweiset. Noch etliche Anmerckungen von der Ungeschicklichkeit des Quaerenten.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/155>, abgerufen am 29.03.2024.