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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Kleinod des gemeinen Wesens ist, sondern auch dabey in einem geehrten undschern überhaupt. vergnügten Zustande seyn kan; und daß dannenhero diejenigen denen Großen Herren nicht treulich rathen, die da meinen, das Justitz-Wesen werde trefflich gebessert, wenn nur die Advocaten scharff gestrafft, oder wohl gar abgeschafft würden, und man nur gute Richter wehlete, und Ihren arbitrio die Verkürtzungen der Processe anheim gebe. Aber es ist auch nicht zu leugnen / daß es auch in dem edlen Advocaten-Stande greuliche Zungendrescher gebe, die der berühmte Ziegler in einem schönen Tractat de arte rabulistica mit lebendigen Farben abgemahlet hat, dessen extract in meinen Notis ad Lancelottum zu finden. Dieweil nun ohnedem nicht nur in natürlichen Dingen die sichtbare Vorstellung derselben, als z. E. eines Hasens, Storchs, Apffels denen Unwissenden einen viel deutlichern Eindruck giebet, als die blosse definitio v. g. ciconiae, quod sit animal bipes, habens longum rostrum & longos pedes & faciens saltum sic vel sic, sondern auch in moralischen oder politischen concepten die Exempel die Lehren trefflich erläutern, und kenntlicher machen; als will ich in gegenwärtigen Handel ein lebendig Exempel eines dergleichen und zward tummen Zungendreschers vorstellen. Denn es giebt auch kluge Zungendrescher, nicht zwar in eigentlichen und philosophischen Verstand, sondern nach der gemeinen Redens-Art, nach welcher auch der Herr Christus den ungerechten Haußhalter in unserer Teutschen version, klug nennet, nemlich schlaue Leute, die Ihre Zungen-Drescherey zu verbergen wissen, daß man Ihnen dieselbe nicht so bald abmercken kan, zumahlen wenn Sie dabey wohl studirt und einen guten natürlichen Verstand haben.

§. II. Dergleichen tumme Kerl sind gemeiniglich diejenigen, die dieEin lebendig Exempel eines Zungendreschers. Ungemeine Auslegung, was ein leiblicher Eyd bedeute. Bauren wieder Ihre Edelleute auffzuhetzen pflegen, (nicht, die denen Bauren wieder die Edelleute bedient seyn) weil wegen vieler moralischen und politischen Ursachen kein gescheider und nicht brutaler Mensch dieses thun wird. Und eben ein solcher Geselle war auch derjenige, den ich ietzo vorstellen wil, ob er gleich ein Doctor Juris hieße. Es forderte ein gewisser von Adel von seinen Bauren den Huldigungs-Eyd, und da Sie Ihm solchen zu thun weigerten, wurde deßhalben auff sein Anhalten von der Regierung des Orts eine Commission angeordnet. Da nun die Commissarii die Bauren vernahmen, brachte Ihr Advocatus und Doctor Juris unter andern tergiversationen auch diese höchst merckwürdige Ursache vor: In der Juraments Formul stünde das Wort Leiblicher Eyd, und ehe die Bauren dieses schwüren, wolten Sie sich lieber hengen oder die Zunge aus dem Halse reißen lassen. Nun rathe einmahl, warum dieses Wort de-

Kleinod des gemeinen Wesens ist, sondern auch dabey in einem geehrten undschern überhaupt. vergnügten Zustande seyn kan; und daß dannenhero diejenigen denen Großen Herren nicht treulich rathen, die da meinen, das Justitz-Wesen werde trefflich gebessert, wenn nur die Advocaten scharff gestrafft, oder wohl gar abgeschafft würden, und man nur gute Richter wehlete, und Ihren arbitrio die Verkürtzungen der Processe anheim gebe. Aber es ist auch nicht zu leugnen / daß es auch in dem edlen Advocaten-Stande greuliche Zungendrescher gebe, die der berühmte Ziegler in einem schönen Tractat de arte rabulistica mit lebendigen Farben abgemahlet hat, dessen extract in meinen Notis ad Lancelottum zu finden. Dieweil nun ohnedem nicht nur in natürlichen Dingen die sichtbare Vorstellung derselben, als z. E. eines Hasens, Storchs, Apffels denen Unwissenden einen viel deutlichern Eindruck giebet, als die blosse definitio v. g. ciconiae, quod sit animal bipes, habens longum rostrum & longos pedes & faciens saltum sic vel sic, sondern auch in moralischen oder politischen concepten die Exempel die Lehren trefflich erläutern, und kenntlicher machen; als will ich in gegenwärtigen Handel ein lebendig Exempel eines dergleichen und zward tummen Zungendreschers vorstellen. Denn es giebt auch kluge Zungendrescher, nicht zwar in eigentlichen und philosophischen Verstand, sondern nach der gemeinen Redens-Art, nach welcher auch der Herr Christus den ungerechten Haußhalter in unserer Teutschen version, klug nennet, nemlich schlaue Leute, die Ihre Zungen-Drescherey zu verbergen wissen, daß man Ihnen dieselbe nicht so bald abmercken kan, zumahlen wenn Sie dabey wohl studirt und einen guten natürlichen Verstand haben.

§. II. Dergleichen tumme Kerl sind gemeiniglich diejenigen, die dieEin lebendig Exempel eines Zungendreschers. Ungemeine Auslegung, was ein leiblicher Eyd bedeute. Bauren wieder Ihre Edelleute auffzuhetzen pflegen, (nicht, die denen Bauren wieder die Edelleute bedient seyn) weil wegen vieler moralischen und politischen Ursachen kein gescheider und nicht brutaler Mensch dieses thun wird. Und eben ein solcher Geselle war auch derjenige, den ich ietzo vorstellen wil, ob er gleich ein Doctor Juris hieße. Es forderte ein gewisser von Adel von seinen Bauren den Huldigungs-Eyd, und da Sie Ihm solchen zu thun weigerten, wurde deßhalben auff sein Anhalten von der Regierung des Orts eine Commission angeordnet. Da nun die Commissarii die Bauren vernahmen, brachte Ihr Advocatus und Doctor Juris unter andern tergiversationen auch diese höchst merckwürdige Ursache vor: In der Juraments Formul stünde das Wort Leiblicher Eyd, und ehe die Bauren dieses schwüren, wolten Sie sich lieber hengen oder die Zunge aus dem Halse reißen lassen. Nun rathe einmahl, warum dieses Wort de-

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[161/0177] Kleinod des gemeinen Wesens ist, sondern auch dabey in einem geehrten und vergnügten Zustande seyn kan; und daß dannenhero diejenigen denen Großen Herren nicht treulich rathen, die da meinen, das Justitz-Wesen werde trefflich gebessert, wenn nur die Advocaten scharff gestrafft, oder wohl gar abgeschafft würden, und man nur gute Richter wehlete, und Ihren arbitrio die Verkürtzungen der Processe anheim gebe. Aber es ist auch nicht zu leugnen / daß es auch in dem edlen Advocaten-Stande greuliche Zungendrescher gebe, die der berühmte Ziegler in einem schönen Tractat de arte rabulistica mit lebendigen Farben abgemahlet hat, dessen extract in meinen Notis ad Lancelottum zu finden. Dieweil nun ohnedem nicht nur in natürlichen Dingen die sichtbare Vorstellung derselben, als z. E. eines Hasens, Storchs, Apffels denen Unwissenden einen viel deutlichern Eindruck giebet, als die blosse definitio v. g. ciconiae, quod sit animal bipes, habens longum rostrum & longos pedes & faciens saltum sic vel sic, sondern auch in moralischen oder politischen concepten die Exempel die Lehren trefflich erläutern, und kenntlicher machen; als will ich in gegenwärtigen Handel ein lebendig Exempel eines dergleichen und zward tummen Zungendreschers vorstellen. Denn es giebt auch kluge Zungendrescher, nicht zwar in eigentlichen und philosophischen Verstand, sondern nach der gemeinen Redens-Art, nach welcher auch der Herr Christus den ungerechten Haußhalter in unserer Teutschen version, klug nennet, nemlich schlaue Leute, die Ihre Zungen-Drescherey zu verbergen wissen, daß man Ihnen dieselbe nicht so bald abmercken kan, zumahlen wenn Sie dabey wohl studirt und einen guten natürlichen Verstand haben. schern überhaupt. §. II. Dergleichen tumme Kerl sind gemeiniglich diejenigen, die die Bauren wieder Ihre Edelleute auffzuhetzen pflegen, (nicht, die denen Bauren wieder die Edelleute bedient seyn) weil wegen vieler moralischen und politischen Ursachen kein gescheider und nicht brutaler Mensch dieses thun wird. Und eben ein solcher Geselle war auch derjenige, den ich ietzo vorstellen wil, ob er gleich ein Doctor Juris hieße. Es forderte ein gewisser von Adel von seinen Bauren den Huldigungs-Eyd, und da Sie Ihm solchen zu thun weigerten, wurde deßhalben auff sein Anhalten von der Regierung des Orts eine Commission angeordnet. Da nun die Commissarii die Bauren vernahmen, brachte Ihr Advocatus und Doctor Juris unter andern tergiversationen auch diese höchst merckwürdige Ursache vor: In der Juraments Formul stünde das Wort Leiblicher Eyd, und ehe die Bauren dieses schwüren, wolten Sie sich lieber hengen oder die Zunge aus dem Halse reißen lassen. Nun rathe einmahl, warum dieses Wort de- Ein lebendig Exempel eines Zungendreschers. Ungemeine Auslegung, was ein leiblicher Eyd bedeute.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/177>, abgerufen am 16.04.2024.