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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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[Spaltenumbruch] zum wenigsten durch wahrscheinliche Schlüsse gemacht werden, so kan ich nicht schliessen: dieses ist mir höchst wahrscheinlich. E. muß es auch einem andern höchstwahrscheinlich vorkommen: oder, wenn ich des Autoris Meinung beypflichtete, würde ich diese Consequentien auch mit vertheidigen müssen; derohalben muß er solches auch thun. Also wann Cartesius saget, man müsse auch an GOtt zweiffeln, und seine Wiedersacher sagen, daß er dadurch nothwendig zum wenigsten zu einem augenblicklichen Atheisten werden müsse; und er wehret sich hierwieder mit Händen und Füssen: muß man ihn mit frieden lassen. Also wenn diejenigen, die da sagen, die Seele eines Kindes, werde in dem Beyschlaff von der Seele der Eltern gleichsam angezündet; denen die da sagen, daß GOtt dieselbe der Mutter nach einer geraumen Zeit der Empfängniß eingiesse, vorwerffen: daß nach ihrer Meinung, GOtt Ursache der Sünde sey, diese aber jene beschuldigen, daß sie die Seele für cörperlich halten müsten: gleichwohl beyde wieder diese Consequentien protestiren; so ist es nicht mehr als billig, daß man diese Protestation gelten lasse.

[Spaltenumbruch]

Gutachten, übertreten und verachtet worden; da doch insonderheit von meinen hochgeehrten Herrn ausdrücklich gelehret und souteniret wird, daß wann Autores wieder die Consequentien, welche aus ihren Schrifften und Sätzen gezogen werden, protestiren, mit selbigen nichts zu thun haben wollen, und ihre Meinungen anders erklähren; man sie zu frieden lassen, und ihre Protestationes müsse gelten lassen. Eure Hochedlen nennen zwar in ihrem Responso, meine Auslegung eine gezwungene und offenbahr cavillatorische Auslegung: suchen auch dadurch gleichsam den Vortheil vorgeschützter Protestationen mir streitig zu machen. Daß aber beyde Epitheta, aus dem Primo Falso gleicherweise hervorsprossen: documentiret schon zur Gnüge gegenwärtiges Schreiben; wiewohl hinkünfftig solches: mit mehrerm Licht und Nachdruck zeigen werde. Ich muß und will indessen zur Salvation des mir zukommenden Rechts: vorjetzo dieses nur beyfügen und erwehnen: daß weilen noch zur Zeit keine Cavillation mir von Ew. Hochedlen würcklich ist erwiesen worden: meine redliche Auslegung nebst den von mir eingewendeten Gegensprechungen, ihre völlige Vigueur, Verbindlichkeit und Rechts-Kräffte nicht allein haben und behalten: sondern auch so lange, als die Christen GOtt und die Warheit lieben; haben und behalten werden.

General Anmerckungen, wegen

§. XXVII. Es ist mir von Hertzen leyd, daß ich auch bey dieser Beylage nicht anders antworten kan, als: ubi judicium? denn 1. haben sich meine Herren Collegen noch niemals zu der Ausübung meiner Vernunfft-Lehre, als zu einem Libro Symbolico unserer Facultät bekennet, und al-

[Spaltenumbruch] zum wenigsten durch wahrscheinliche Schlüsse gemacht werden, so kan ich nicht schliessen: dieses ist mir höchst wahrscheinlich. E. muß es auch einem andern höchstwahrscheinlich vorkommen: oder, wenn ich des Autoris Meinung beypflichtete, würde ich diese Consequentien auch mit vertheidigen müssen; derohalben muß er solches auch thun. Also wann Cartesius saget, man müsse auch an GOtt zweiffeln, und seine Wiedersacher sagen, daß er dadurch nothwendig zum wenigsten zu einem augenblicklichen Atheisten werden müsse; und er wehret sich hierwieder mit Händen und Füssen: muß man ihn mit frieden lassen. Also wenn diejenigen, die da sagen, die Seele eines Kindes, werde in dem Beyschlaff von der Seele der Eltern gleichsam angezündet; denen die da sagen, daß GOtt dieselbe der Mutter nach einer geraumen Zeit der Empfängniß eingiesse, vorwerffen: daß nach ihrer Meinung, GOtt Ursache der Sünde sey, diese aber jene beschuldigen, daß sie die Seele für cörperlich halten müsten: gleichwohl beyde wieder diese Consequentien protestiren; so ist es nicht mehr als billig, daß man diese Protestation gelten lasse.

[Spaltenumbruch]

Gutachten, übertreten und verachtet worden; da doch insonderheit von meinen hochgeehrten Herrn ausdrücklich gelehret und souteniret wird, daß wann Autores wieder die Consequentien, welche aus ihren Schrifften und Sätzen gezogen werden, protestiren, mit selbigen nichts zu thun haben wollen, und ihre Meinungen anders erklähren; man sie zu frieden lassen, und ihre Protestationes müsse gelten lassen. Eure Hochedlen nennen zwar in ihrem Responso, meine Auslegung eine gezwungene und offenbahr cavillatorische Auslegung: suchen auch dadurch gleichsam den Vortheil vorgeschützter Protestationen mir streitig zu machen. Daß aber beyde Epitheta, aus dem Primo Falso gleicherweise hervorsprossen: documentiret schon zur Gnüge gegenwärtiges Schreiben; wiewohl hinkünfftig solches: mit mehrerm Licht und Nachdruck zeigen werde. Ich muß und will indessen zur Salvation des mir zukommenden Rechts: vorjetzo dieses nur beyfügen und erwehnen: daß weilen noch zur Zeit keine Cavillation mir von Ew. Hochedlen würcklich ist erwiesen worden: meine redliche Auslegung nebst den von mir eingewendeten Gegensprechungen, ihre völlige Vigueur, Verbindlichkeit und Rechts-Kräffte nicht allein haben und behalten: sondern auch so lange, als die Christen GOtt und die Warheit lieben; haben und behalten werden.

General Anmerckungen, wegen

§. XXVII. Es ist mir von Hertzen leyd, daß ich auch bey dieser Beylage nicht anders antworten kan, als: ubi judicium? denn 1. haben sich meine Herren Collegen noch niemals zu der Ausübung meiner Vernunfft-Lehre, als zu einem Libro Symbolico unserer Facultät bekennet, und al-

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        <p>§. XXVII. Es ist mir von Hertzen leyd, daß ich auch bey dieser Beylage nicht                      anders antworten kan, als: ubi judicium? denn 1. haben sich meine Herren                      Collegen noch niemals zu der Ausübung meiner Vernunfft-Lehre, als zu einem Libro                      Symbolico unserer Facultät bekennet, und al-
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[306/0322] zum wenigsten durch wahrscheinliche Schlüsse gemacht werden, so kan ich nicht schliessen: dieses ist mir höchst wahrscheinlich. E. muß es auch einem andern höchstwahrscheinlich vorkommen: oder, wenn ich des Autoris Meinung beypflichtete, würde ich diese Consequentien auch mit vertheidigen müssen; derohalben muß er solches auch thun. Also wann Cartesius saget, man müsse auch an GOtt zweiffeln, und seine Wiedersacher sagen, daß er dadurch nothwendig zum wenigsten zu einem augenblicklichen Atheisten werden müsse; und er wehret sich hierwieder mit Händen und Füssen: muß man ihn mit frieden lassen. Also wenn diejenigen, die da sagen, die Seele eines Kindes, werde in dem Beyschlaff von der Seele der Eltern gleichsam angezündet; denen die da sagen, daß GOtt dieselbe der Mutter nach einer geraumen Zeit der Empfängniß eingiesse, vorwerffen: daß nach ihrer Meinung, GOtt Ursache der Sünde sey, diese aber jene beschuldigen, daß sie die Seele für cörperlich halten müsten: gleichwohl beyde wieder diese Consequentien protestiren; so ist es nicht mehr als billig, daß man diese Protestation gelten lasse. Gutachten, übertreten und verachtet worden; da doch insonderheit von meinen hochgeehrten Herrn ausdrücklich gelehret und souteniret wird, daß wann Autores wieder die Consequentien, welche aus ihren Schrifften und Sätzen gezogen werden, protestiren, mit selbigen nichts zu thun haben wollen, und ihre Meinungen anders erklähren; man sie zu frieden lassen, und ihre Protestationes müsse gelten lassen. Eure Hochedlen nennen zwar in ihrem Responso, meine Auslegung eine gezwungene und offenbahr cavillatorische Auslegung: suchen auch dadurch gleichsam den Vortheil vorgeschützter Protestationen mir streitig zu machen. Daß aber beyde Epitheta, aus dem Primo Falso gleicherweise hervorsprossen: documentiret schon zur Gnüge gegenwärtiges Schreiben; wiewohl hinkünfftig solches: mit mehrerm Licht und Nachdruck zeigen werde. Ich muß und will indessen zur Salvation des mir zukommenden Rechts: vorjetzo dieses nur beyfügen und erwehnen: daß weilen noch zur Zeit keine Cavillation mir von Ew. Hochedlen würcklich ist erwiesen worden: meine redliche Auslegung nebst den von mir eingewendeten Gegensprechungen, ihre völlige Vigueur, Verbindlichkeit und Rechts-Kräffte nicht allein haben und behalten: sondern auch so lange, als die Christen GOtt und die Warheit lieben; haben und behalten werden. §. XXVII. Es ist mir von Hertzen leyd, daß ich auch bey dieser Beylage nicht anders antworten kan, als: ubi judicium? denn 1. haben sich meine Herren Collegen noch niemals zu der Ausübung meiner Vernunfft-Lehre, als zu einem Libro Symbolico unserer Facultät bekennet, und al-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/322>, abgerufen am 16.04.2024.