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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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[Spaltenumbruch] Nach Neigung, Affect, Sinn und Muth, Ohn Zaum gleich der tollen Jugend; Achten weder Weißheit noch Tugend, Weil sie darauff nie sind gewiesen Also viel edler Zeit verliessen. Unempfindlich eigener Thorheit, So man sie aber mit der Zeit, Mit sanfften Worten zeucht und lehrt Und solche Unart ihnen wehrt Vertraulichen in aller Güth So habens doch ein gut Gemüth, Gehorsam gefällig und geschlacht, Daß sie werden gar leichtlich bracht, Auf die Strassen der Tugend-Bahn, Die nehmen sie begierlich an, Und würcket diese Straf und Zucht Bey diesem Theil der Weißheit Frucht, Den Weg der Thorheit sie verlassen Und gehn denn nach der Weißheit Strassen, Darin erkennen mit der Zeit Ihr Thorheit und Unwissenheit Darin sie gangen sind gefährlich Und haben geirret so schwerlich, Und wären auch verdorben drin Wo ihn ihr Hertz Gemüth und Sinn Mit Weißheit nit wär worn erleucht Durch Zucht der Weißheit wär befeucht Der Theil ist grösser, doch zuloben, Doch weit geringer, denn die oben.
Der dritte Theil.
Der dritte Theil der Menschen sind Gleich thörigt, toll und staren blind, Die gehn nach ihrem eignem Sinn Immer wie ein Saumroß dahin, Ihn gfält allein ihr eigne Weiß Und haben weder Acht noch Fleiß Was ihn sey schändlich oder löblich [Spaltenumbruch] Die fehlen des rechten Wegs sehr gröblich, Also hin nach ihrm Kopf thun wandren, Von einer Untugend zu der andren In einem lasterlichen Leben Je länger je mehr darein bekleben Und wer sie unterweisen will Und ihn zeigen der Weißheit-Ziel Vernünfftiglich und wohl zu leben, Demselben kein Gehör sie geben, Und stellen sich zu diesen Dingen, Sambt thu er einem Todten singen, Wird von ihm seiner Lehr veracht, Verspott, verhöhnet und verlacht, Alle Zucht ist an ihn verlohren Schlagen die Weißheit aus mit Zorn, Und stellen sich also dagegen, Als woll man eyserne Kettn anlegen, Also in ihrer Thorheit verharren, Diese sind allezumahl Narren, Und lassen vor Thorheit nit ab Und bleiben Narren biß ins Grab.
Beschluß.
Bey dieses weisen Heyden Lehr So sieht man leider, daß vielmehr, Und grösser ist der dritte Theil Menschen auf Erd, lebt zu Unheil Ihn und auch andren zu der Zeit Nach eignem Willen und Thorheit, Der sie gemeiniglich nachtrachten Alle Straff Zucht und Lehr verachten Fehlen der edlen Weißheit Pfort Wie das probirt das alte Sprichwort, Weil jedem gfält sein Weiß so wol So ist das Land der Narren voll, Derhalb es auch so übel steht Gar schändlich und lästerlich geht, In allen Ständen ober und nieder
[Spaltenumbruch] Nach Neigung, Affect, Sinn und Muth, Ohn Zaum gleich der tollen Jugend; Achten weder Weißheit noch Tugend, Weil sie darauff nie sind gewiesen Also viel edler Zeit verliessen. Unempfindlich eigener Thorheit, So man sie aber mit der Zeit, Mit sanfften Worten zeucht und lehrt Und solche Unart ihnen wehrt Vertraulichen in aller Güth So habens doch ein gut Gemüth, Gehorsam gefällig und geschlacht, Daß sie werden gar leichtlich bracht, Auf die Strassen der Tugend-Bahn, Die nehmen sie begierlich an, Und würcket diese Straf und Zucht Bey diesem Theil der Weißheit Frucht, Den Weg der Thorheit sie verlassen Und gehn denn nach der Weißheit Strassen, Darin erkennen mit der Zeit Ihr Thorheit und Unwissenheit Darin sie gangen sind gefährlich Und haben geirret so schwerlich, Und wären auch verdorben drin Wo ihn ihr Hertz Gemüth und Sinn Mit Weißheit nit wär worn erleucht Durch Zucht der Weißheit wär befeucht Der Theil ist grösser, doch zuloben, Doch weit geringer, denn die oben.
Der dritte Theil.
Der dritte Theil der Menschen sind Gleich thörigt, toll und staren blind, Die gehn nach ihrem eignem Sinn Immer wie ein Saumroß dahin, Ihn gfält allein ihr eigne Weiß Und haben weder Acht noch Fleiß Was ihn sey schändlich oder löblich [Spaltenumbruch] Die fehlen des rechten Wegs sehr gröblich, Also hin nach ihrm Kopf thun wandren, Von einer Untugend zu der andren In einem lasterlichen Leben Je länger je mehr darein bekleben Und wer sie unterweisen will Und ihn zeigen der Weißheit-Ziel Vernünfftiglich und wohl zu leben, Demselben kein Gehör sie geben, Und stellen sich zu diesen Dingen, Sambt thu er einem Todten singen, Wird von ihm seiner Lehr veracht, Verspott, verhöhnet und verlacht, Alle Zucht ist an ihn verlohren Schlagen die Weißheit aus mit Zorn, Und stellen sich also dagegen, Als woll man eyserne Kettn anlegen, Also in ihrer Thorheit verharren, Diese sind allezumahl Narren, Und lassen vor Thorheit nit ab Und bleiben Narren biß ins Grab.
Beschluß.
Bey dieses weisen Heyden Lehr So sieht man leider, daß vielmehr, Und grösser ist der dritte Theil Menschen auf Erd, lebt zu Unheil Ihn und auch andren zu der Zeit Nach eignem Willen und Thorheit, Der sie gemeiniglich nachtrachten Alle Straff Zucht und Lehr verachten Fehlen der edlen Weißheit Pfort Wie das probirt das alte Sprichwort, Weil jedem gfält sein Weiß so wol So ist das Land der Narren voll, Derhalb es auch so übel steht Gar schändlich und lästerlich geht, In allen Ständen ober und nieder
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[330/0346] Nach Neigung, Affect, Sinn und Muth, Ohn Zaum gleich der tollen Jugend; Achten weder Weißheit noch Tugend, Weil sie darauff nie sind gewiesen Also viel edler Zeit verliessen. Unempfindlich eigener Thorheit, So man sie aber mit der Zeit, Mit sanfften Worten zeucht und lehrt Und solche Unart ihnen wehrt Vertraulichen in aller Güth So habens doch ein gut Gemüth, Gehorsam gefällig und geschlacht, Daß sie werden gar leichtlich bracht, Auf die Strassen der Tugend-Bahn, Die nehmen sie begierlich an, Und würcket diese Straf und Zucht Bey diesem Theil der Weißheit Frucht, Den Weg der Thorheit sie verlassen Und gehn denn nach der Weißheit Strassen, Darin erkennen mit der Zeit Ihr Thorheit und Unwissenheit Darin sie gangen sind gefährlich Und haben geirret so schwerlich, Und wären auch verdorben drin Wo ihn ihr Hertz Gemüth und Sinn Mit Weißheit nit wär worn erleucht Durch Zucht der Weißheit wär befeucht Der Theil ist grösser, doch zuloben, Doch weit geringer, denn die oben. Der dritte Theil. Der dritte Theil der Menschen sind Gleich thörigt, toll und staren blind, Die gehn nach ihrem eignem Sinn Immer wie ein Saumroß dahin, Ihn gfält allein ihr eigne Weiß Und haben weder Acht noch Fleiß Was ihn sey schändlich oder löblich Die fehlen des rechten Wegs sehr gröblich, Also hin nach ihrm Kopf thun wandren, Von einer Untugend zu der andren In einem lasterlichen Leben Je länger je mehr darein bekleben Und wer sie unterweisen will Und ihn zeigen der Weißheit-Ziel Vernünfftiglich und wohl zu leben, Demselben kein Gehör sie geben, Und stellen sich zu diesen Dingen, Sambt thu er einem Todten singen, Wird von ihm seiner Lehr veracht, Verspott, verhöhnet und verlacht, Alle Zucht ist an ihn verlohren Schlagen die Weißheit aus mit Zorn, Und stellen sich also dagegen, Als woll man eyserne Kettn anlegen, Also in ihrer Thorheit verharren, Diese sind allezumahl Narren, Und lassen vor Thorheit nit ab Und bleiben Narren biß ins Grab. Beschluß. Bey dieses weisen Heyden Lehr So sieht man leider, daß vielmehr, Und grösser ist der dritte Theil Menschen auf Erd, lebt zu Unheil Ihn und auch andren zu der Zeit Nach eignem Willen und Thorheit, Der sie gemeiniglich nachtrachten Alle Straff Zucht und Lehr verachten Fehlen der edlen Weißheit Pfort Wie das probirt das alte Sprichwort, Weil jedem gfält sein Weiß so wol So ist das Land der Narren voll, Derhalb es auch so übel steht Gar schändlich und lästerlich geht, In allen Ständen ober und nieder

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/346>, abgerufen am 19.04.2024.