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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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niß nach und nach zu ändern angefangen.der Wahrheit in Ehe-Sachen hergegangen, und werden dannenhero auch die in diesen meinen Juristischen Händeln vorkommende, in Ehe-Sachen ertheilte Urtheile und Responsa, Exempel an die Hand geben, wie bey unserer Facultät, auch bey mir selbst diese Erkäntniß nach und nach immer mehr und mehr gewachsen: Ja weil auch dieses noch ad reliquias Papatus Politici gehöret, daß unerachtet der Sel. Lutherus allbereit erkant, daß die Ehe ein weltlich Geschäffte sey, dennoch auch noch heute zu Tage in quaestionibus juris (denn ausser denen quaestionibus juris ist kein Zweiffel, daß, wie in allen menschlichen Händeln und Gesellschafften, also auch in der Ehelichen Gesellschafft viele Fragen vorkommen können, die nicht nur für die Herren Theologos, sondern auch für diese alleine & cum exclusione Facultatum Juridicarum gehören) die Urtheils-Fragen, und über welche Responsa juris eingeholet werden, gar öffters an beyde von denen obersten Facultäten zugleich pflegen gerichtet zu werden; so ist es leicht zu begreiffen, daß auch aus dergleichen Urtheilen und Responsis mag erkannt werden, wie auch bey der löblichen Theologischen Facultät nach und nach in Ehe-Sachen die Erkäntniß der Wahrheit zugenommen habe.

Der erste Handel nebst dem darüber cum rationibus gesprochenen Urtheil.

§. IV. Vor dieses mahl will ich bey dem Beschluß dieses ersten Theils ein paar Händel anführen, über welche allbereit anno 1693. und 95. nomine Facultatis Theologicae & Iuridicae von mir theils ein Urtheil, theils ein Responsum ausgefertiget worden. Was den ersten Handel betrifft, so wurden aus der Regierung zu M. zu Ende des 1693. Jahres uns Acta zugeschickt, in welchen folgender Casus enthalten. Ein gewisser Hauptmann hatte seine Ehefrau sehr übel tractiret, dergestalt, daß die Scheidung von Tische und Bette erkannt worden war, jedoch mit beygefügter Clausul, daß Kläger zu einer andern Ehe zu schreiten nicht befugt wäre. Weil nun dieser das donum continentiae nicht hatte, als war er bemühet, die Erlaubniß, daß er wieder heyrathen dürffte, auff eine andre invention zu erhalten. Er offerirte sich nemlich zur juratorischen Caution, daß er künfftig mit seiner Frau friedlich und schiedlich leben wolte; diese aber war an dem Orte, dahin sie sich nach der Scheidung von Tische und Bette gewendet hatte, nicht mehr anzutreffen, sondern hatte sich anders wohin begeben. Da vermeinte nun der Mann, er hätte genungsame Ursache, diese seine Ehefrau, als wenn sie ihn bößlich verlassen hätte zu verklagen, und solchergestalt für sich die Freyheit wieder zu heyrathen, zu erhalten; hingegen war ex Actis zu sehen, daß die Frau den Mann beschuldigte, daß dieser inzwischen eine ledige Weibes-Person geschwängert

niß nach und nach zu ändern angefangen.der Wahrheit in Ehe-Sachen hergegangen, und werden dannenhero auch die in diesen meinen Juristischen Händeln vorkommende, in Ehe-Sachen ertheilte Urtheile und Responsa, Exempel an die Hand geben, wie bey unserer Facultät, auch bey mir selbst diese Erkäntniß nach und nach immer mehr und mehr gewachsen: Ja weil auch dieses noch ad reliquias Papatus Politici gehöret, daß unerachtet der Sel. Lutherus allbereit erkant, daß die Ehe ein weltlich Geschäffte sey, dennoch auch noch heute zu Tage in quaestionibus juris (denn ausser denen quaestionibus juris ist kein Zweiffel, daß, wie in allen menschlichen Händeln und Gesellschafften, also auch in der Ehelichen Gesellschafft viele Fragen vorkommen können, die nicht nur für die Herren Theologos, sondern auch für diese alleine & cum exclusione Facultatum Juridicarum gehören) die Urtheils-Fragen, und über welche Responsa juris eingeholet werden, gar öffters an beyde von denen obersten Facultäten zugleich pflegen gerichtet zu werden; so ist es leicht zu begreiffen, daß auch aus dergleichen Urtheilen und Responsis mag erkannt werden, wie auch bey der löblichen Theologischen Facultät nach und nach in Ehe-Sachen die Erkäntniß der Wahrheit zugenommen habe.

Der erste Handel nebst dem darüber cum rationibus gesprochenen Urtheil.

§. IV. Vor dieses mahl will ich bey dem Beschluß dieses ersten Theils ein paar Händel anführen, über welche allbereit anno 1693. und 95. nomine Facultatis Theologicae & Iuridicae von mir theils ein Urtheil, theils ein Responsum ausgefertiget worden. Was den ersten Handel betrifft, so wurden aus der Regierung zu M. zu Ende des 1693. Jahres uns Acta zugeschickt, in welchen folgender Casus enthalten. Ein gewisser Hauptmann hatte seine Ehefrau sehr übel tractiret, dergestalt, daß die Scheidung von Tische und Bette erkannt worden war, jedoch mit beygefügter Clausul, daß Kläger zu einer andern Ehe zu schreiten nicht befugt wäre. Weil nun dieser das donum continentiae nicht hatte, als war er bemühet, die Erlaubniß, daß er wieder heyrathen dürffte, auff eine andre invention zu erhalten. Er offerirte sich nemlich zur juratorischen Caution, daß er künfftig mit seiner Frau friedlich und schiedlich leben wolte; diese aber war an dem Orte, dahin sie sich nach der Scheidung von Tische und Bette gewendet hatte, nicht mehr anzutreffen, sondern hatte sich anders wohin begeben. Da vermeinte nun der Mann, er hätte genungsame Ursache, diese seine Ehefrau, als wenn sie ihn bößlich verlassen hätte zu verklagen, und solchergestalt für sich die Freyheit wieder zu heyrathen, zu erhalten; hingegen war ex Actis zu sehen, daß die Frau den Mann beschuldigte, daß dieser inzwischen eine ledige Weibes-Person geschwängert

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[360/0376] niß der Wahrheit in Ehe-Sachen hergegangen, und werden dannenhero auch die in diesen meinen Juristischen Händeln vorkommende, in Ehe-Sachen ertheilte Urtheile und Responsa, Exempel an die Hand geben, wie bey unserer Facultät, auch bey mir selbst diese Erkäntniß nach und nach immer mehr und mehr gewachsen: Ja weil auch dieses noch ad reliquias Papatus Politici gehöret, daß unerachtet der Sel. Lutherus allbereit erkant, daß die Ehe ein weltlich Geschäffte sey, dennoch auch noch heute zu Tage in quaestionibus juris (denn ausser denen quaestionibus juris ist kein Zweiffel, daß, wie in allen menschlichen Händeln und Gesellschafften, also auch in der Ehelichen Gesellschafft viele Fragen vorkommen können, die nicht nur für die Herren Theologos, sondern auch für diese alleine & cum exclusione Facultatum Juridicarum gehören) die Urtheils-Fragen, und über welche Responsa juris eingeholet werden, gar öffters an beyde von denen obersten Facultäten zugleich pflegen gerichtet zu werden; so ist es leicht zu begreiffen, daß auch aus dergleichen Urtheilen und Responsis mag erkannt werden, wie auch bey der löblichen Theologischen Facultät nach und nach in Ehe-Sachen die Erkäntniß der Wahrheit zugenommen habe. nach und nach zu ändern angefangen. §. IV. Vor dieses mahl will ich bey dem Beschluß dieses ersten Theils ein paar Händel anführen, über welche allbereit anno 1693. und 95. nomine Facultatis Theologicae & Iuridicae von mir theils ein Urtheil, theils ein Responsum ausgefertiget worden. Was den ersten Handel betrifft, so wurden aus der Regierung zu M. zu Ende des 1693. Jahres uns Acta zugeschickt, in welchen folgender Casus enthalten. Ein gewisser Hauptmann hatte seine Ehefrau sehr übel tractiret, dergestalt, daß die Scheidung von Tische und Bette erkannt worden war, jedoch mit beygefügter Clausul, daß Kläger zu einer andern Ehe zu schreiten nicht befugt wäre. Weil nun dieser das donum continentiae nicht hatte, als war er bemühet, die Erlaubniß, daß er wieder heyrathen dürffte, auff eine andre invention zu erhalten. Er offerirte sich nemlich zur juratorischen Caution, daß er künfftig mit seiner Frau friedlich und schiedlich leben wolte; diese aber war an dem Orte, dahin sie sich nach der Scheidung von Tische und Bette gewendet hatte, nicht mehr anzutreffen, sondern hatte sich anders wohin begeben. Da vermeinte nun der Mann, er hätte genungsame Ursache, diese seine Ehefrau, als wenn sie ihn bößlich verlassen hätte zu verklagen, und solchergestalt für sich die Freyheit wieder zu heyrathen, zu erhalten; hingegen war ex Actis zu sehen, daß die Frau den Mann beschuldigte, daß dieser inzwischen eine ledige Weibes-Person geschwängert

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/376>, abgerufen am 29.03.2024.