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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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nungen meiden müsse: ingleichen woher es komme, daß in denen bürgerlichen Gesellschafften nicht einerley Meynungen von löblichen und schändlichen Thun der Menschen sey, sondern nach dem Sprichwort: Ländlich, sittlich, was an einem Orte für wohlanständig, oder doch zum wenigsten für nicht über-anständig gehalten, an andern hingegen für schändlich, unehrlich u. d. g. geachtet werde? welchergestalt dannenhero nicht zu verwundern, daß auch nach Römischen und Teutschen Rechten dißfalls ein grosser Unterscheid müsse gemacht werden, und der titulus pandectarum de his, qui notantur in famia bey uns schlechten Nutzen habe, ja in denen alten teutschen Statuten und Gewohnheiten selbst solche Dinge vorkommen, da wir nicht wissen, was wir damit machen sollen u. s. w. Z. E. Also waren bey denen Jüben auch diejemgen unehrlich, die die Tauben fliegen lerneten: Also hat schon Cornelius Nepos in der Vorrede angemerckt: daß bey denen Griechen nicht für schändlich gehalten worden, wenn einer seine leibliche Schwester geheyrathet, ing eichen, daß junge Bürchsgen von ihren Liebhabern, als Frauenzimmer, bedienet worden, daß Adel. Wittwen Comödiantinnen abgegeben, hingegen kein ehrlich Frauen-Volck mit denen Männern zu Gaste gegangen, noch ihre Zimmer forne heraus auf die Strasse gehabt, vielweniger visiten ausser von denen nächsten Freunden, angenommen; Also war bey denen Römern eine Geschwächte keine Hure, vielweniger eine concubine, denn sie wusten davon nichts, daß die Ehe ein Sacran ent seyn solte: So waren auch bey denen Römern die ausser der Ehe gezeugten Kinder nicht infam, noch für Huren-Kinder gehalten. Also waren für etlichen hundert Jahren die Diebhencker in Teutschland noch nicht infam, sondern dieses Amt wurde von ehrlichen Leuten, auch wohl von denen untersten Schöppen verrichtet. Also ist sehr ungewiß in denen alten teutschen Statuten: was Katzen Ritter heissen, und warum dieselbe für rechtloß gehalten worden; ingleichen die Spielleute und Gauckler; und ob auch die Feder-Fechter und Marx-Brüder darunter zu rechnen? It. wie die Stadt-Pfeiffer und Kunst-Geiger von denen Spielleuten zu unterscheiden? Wohin die Taschen-Spieler, Häscher, Schwein-Schneider, Schinder, Unflaths-Räumer, zu rechnen? Also ist zweiffelhafft gewesen, wie ein Gesetz zu verstehen, wenn ein Fürst befohlen, daß wenn die von Adel mit Weibes-Personen vom Bauren-Stande und gar geringen Herkommens sich verheyratheten, alsdann die Kinder nicht für ebenbürtig zu halten wären? Da nehmlich der Fall sich zugetragen, daß einer von Adel eines Buch druckers Tochter geheyrathet? u. s. w.

nungen meiden müsse: ingleichen woher es komme, daß in denen bürgerlichen Gesellschafften nicht einerley Meynungen von löblichen und schändlichen Thun der Menschen sey, sondern nach dem Sprichwort: Ländlich, sittlich, was an einem Orte für wohlanständig, oder doch zum wenigsten für nicht über-anständig gehalten, an andern hingegen für schändlich, unehrlich u. d. g. geachtet werde? welchergestalt dannenhero nicht zu verwundern, daß auch nach Römischen und Teutschen Rechten dißfalls ein grosser Unterscheid müsse gemacht werden, und der titulus pandectarum de his, qui notantur in famia bey uns schlechten Nutzen habe, ja in denen alten teutschen Statuten und Gewohnheiten selbst solche Dinge vorkommen, da wir nicht wissen, was wir damit machen sollen u. s. w. Z. E. Also waren bey denen Jüben auch diejemgen unehrlich, die die Tauben fliegen lerneten: Also hat schon Cornelius Nepos in der Vorrede angemerckt: daß bey denen Griechen nicht für schändlich gehalten worden, wenn einer seine leibliche Schwester geheyrathet, ing eichen, daß junge Bürchsgen von ihren Liebhabern, als Frauenzimmer, bedienet worden, daß Adel. Wittwen Comödiantinnen abgegeben, hingegen kein ehrlich Frauen-Volck mit denen Männern zu Gaste gegangen, noch ihre Zimmer forne heraus auf die Strasse gehabt, vielweniger visiten ausser von denen nächsten Freunden, angenommen; Also war bey denen Römern eine Geschwächte keine Hure, vielweniger eine concubine, denn sie wusten davon nichts, daß die Ehe ein Sacran ent seyn solte: So waren auch bey denen Römern die ausser der Ehe gezeugten Kinder nicht infam, noch für Huren-Kinder gehalten. Also waren für etlichen hundert Jahren die Diebhencker in Teutschland noch nicht infam, sondern dieses Amt wurde von ehrlichen Leuten, auch wohl von denen untersten Schöppen verrichtet. Also ist sehr ungewiß in denen alten teutschen Statuten: was Katzen Ritter heissen, und warum dieselbe für rechtloß gehalten worden; ingleichen die Spielleute und Gauckler; und ob auch die Feder-Fechter und Marx-Brüder darunter zu rechnen? It. wie die Stadt-Pfeiffer und Kunst-Geiger von denen Spielleuten zu unterscheiden? Wohin die Taschen-Spieler, Häscher, Schwein-Schneider, Schinder, Unflaths-Räumer, zu rechnen? Also ist zweiffelhafft gewesen, wie ein Gesetz zu verstehen, wenn ein Fürst befohlen, daß wenn die von Adel mit Weibes-Personen vom Bauren-Stande und gar geringen Herkommens sich verheyratheten, alsdann die Kinder nicht für ebenbürtig zu halten wären? Da nehmlich der Fall sich zugetragen, daß einer von Adel eines Buch druckers Tochter geheyrathet? u. s. w.

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[168/0174] nungen meiden müsse: ingleichen woher es komme, daß in denen bürgerlichen Gesellschafften nicht einerley Meynungen von löblichen und schändlichen Thun der Menschen sey, sondern nach dem Sprichwort: Ländlich, sittlich, was an einem Orte für wohlanständig, oder doch zum wenigsten für nicht über-anständig gehalten, an andern hingegen für schändlich, unehrlich u. d. g. geachtet werde? welchergestalt dannenhero nicht zu verwundern, daß auch nach Römischen und Teutschen Rechten dißfalls ein grosser Unterscheid müsse gemacht werden, und der titulus pandectarum de his, qui notantur in famia bey uns schlechten Nutzen habe, ja in denen alten teutschen Statuten und Gewohnheiten selbst solche Dinge vorkommen, da wir nicht wissen, was wir damit machen sollen u. s. w. Z. E. Also waren bey denen Jüben auch diejemgen unehrlich, die die Tauben fliegen lerneten: Also hat schon Cornelius Nepos in der Vorrede angemerckt: daß bey denen Griechen nicht für schändlich gehalten worden, wenn einer seine leibliche Schwester geheyrathet, ing eichen, daß junge Bürchsgen von ihren Liebhabern, als Frauenzimmer, bedienet worden, daß Adel. Wittwen Comödiantinnen abgegeben, hingegen kein ehrlich Frauen-Volck mit denen Männern zu Gaste gegangen, noch ihre Zimmer forne heraus auf die Strasse gehabt, vielweniger visiten ausser von denen nächsten Freunden, angenommen; Also war bey denen Römern eine Geschwächte keine Hure, vielweniger eine concubine, denn sie wusten davon nichts, daß die Ehe ein Sacran ent seyn solte: So waren auch bey denen Römern die ausser der Ehe gezeugten Kinder nicht infam, noch für Huren-Kinder gehalten. Also waren für etlichen hundert Jahren die Diebhencker in Teutschland noch nicht infam, sondern dieses Amt wurde von ehrlichen Leuten, auch wohl von denen untersten Schöppen verrichtet. Also ist sehr ungewiß in denen alten teutschen Statuten: was Katzen Ritter heissen, und warum dieselbe für rechtloß gehalten worden; ingleichen die Spielleute und Gauckler; und ob auch die Feder-Fechter und Marx-Brüder darunter zu rechnen? It. wie die Stadt-Pfeiffer und Kunst-Geiger von denen Spielleuten zu unterscheiden? Wohin die Taschen-Spieler, Häscher, Schwein-Schneider, Schinder, Unflaths-Räumer, zu rechnen? Also ist zweiffelhafft gewesen, wie ein Gesetz zu verstehen, wenn ein Fürst befohlen, daß wenn die von Adel mit Weibes-Personen vom Bauren-Stande und gar geringen Herkommens sich verheyratheten, alsdann die Kinder nicht für ebenbürtig zu halten wären? Da nehmlich der Fall sich zugetragen, daß einer von Adel eines Buch druckers Tochter geheyrathet? u. s. w.

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Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/174>, abgerufen am 28.03.2024.