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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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leget, welche ihm als einem Becker nicht zukomme, sondern der Policey-Ordnung zuwieder sey, bate dannenhero, daß man Ihn mit seinen Suchen ab- und daß Er sich in Person stellen solle, anzuweisen. Hierauf war ein Befehl an den Rath ergangen, nicht ab executione anzufangen, des Bürgers Mandatarium zu admittiren, auch dem Process gemäß mit gewöhnlichen Citationibus zu verfahren: Welcher Befehl auch, nachdem sich der Bürger über den Rath abermahls beschweret, und dabey, daß an der Chaise keine Kostbarkeit zu finden, und solche vornehmlich vor reisende Leute gemacht sey; er auch seine Becker-Profession längst quittiret hätte, und die Handlung triebe, &c. nochmahls wiederhohlet wurde. Auff diesen letzten Befehl berichtete der Rath, daß Er den Bürger, weil Er ungehorsam aussen blieben, 100. Thaler Straffe, wegen des mit der Chaise, Zeuge und kostbahren Pferden getriebenen Prachts dictiret, dessen Mandatarius aber davon stante pede appelliret hätte, und bat, diese Appellation nicht anzunehmen, die aber der Bürger in dessen introduciret hatte. Worauff die Regierung verordnet, daß ein Cancellist mit Zuziehung etlicher Handwercks-Leute die Chaise und Geschirr in Augenschein nehmen, und dem Burger, seine Defension zu führen anbefohlen werden solte. Der Cancellist stattete nebst denen Handwercks-Leuten Ihren Bericht ab, daß an der Chaise keine Kostbarkeit gesunden worden, der Bürger aber übergab die Justification seiner Appellation, und führete darinnen an, daß der Rath über 10. Thaler nicht straffen könte; daß in der Policey-Ordnung von der Chaise und Pferden nichts determiniret wäre, und es also dißfalls bey der natürlichen Freyheit bliebe; daß er die Chaise nicht für sich machen lassen, sondern auff Einrathen guter Freunde, damit Frembde umbs Lohn fortzubringen, endlich: daß weder an denen Pferden noch an der Chaise und Zeuge einige kostbarkeit wäre, massen die Pferde starck seyn müsten, weil er Sie in der Handlung auf dem Hartze brauchte: das Zeug wäre Altväterisch und schon gebraucht, massen er solches von dem Amtmann zu S. gekaufft; So sey er auch kein Becker mehr, noch jemahls in der Zunfft gewesen, sondern habe die gantze Zeit her Handlung getrieben, gäbe auch von solcher Profession alle onera ordinaria & extraordinaria. Endlich legte auch der Appellant unterschiedene Briefschafften denen Actis bey, daraus zum Uberfluß zu sehen, wie der Rath schon vormahls mit Ihm harte verfahren hatte.

Unser in dieser Sa-

§. II. Nun hätte wohl der Bürger vielleicht besser gethan, wenn er an statt seine Appellation zu justificiren, nach dem Ihm von der

leget, welche ihm als einem Becker nicht zukomme, sondern der Policey-Ordnung zuwieder sey, bate dannenhero, daß man Ihn mit seinen Suchen ab- und daß Er sich in Person stellen solle, anzuweisen. Hierauf war ein Befehl an den Rath ergangen, nicht ab executione anzufangen, des Bürgers Mandatarium zu admittiren, auch dem Process gemäß mit gewöhnlichen Citationibus zu verfahren: Welcher Befehl auch, nachdem sich der Bürger über den Rath abermahls beschweret, und dabey, daß an der Chaise keine Kostbarkeit zu finden, und solche vornehmlich vor reisende Leute gemacht sey; er auch seine Becker-Profession längst quittiret hätte, und die Handlung triebe, &c. nochmahls wiederhohlet wurde. Auff diesen letzten Befehl berichtete der Rath, daß Er den Bürger, weil Er ungehorsam aussen blieben, 100. Thaler Straffe, wegen des mit der Chaise, Zeuge und kostbahren Pferden getriebenen Prachts dictiret, dessen Mandatarius aber davon stante pede appelliret hätte, und bat, diese Appellation nicht anzunehmen, die aber der Bürger in dessen introduciret hatte. Worauff die Regierung verordnet, daß ein Cancellist mit Zuziehung etlicher Handwercks-Leute die Chaise und Geschirr in Augenschein nehmen, und dem Burger, seine Defension zu führen anbefohlen werden solte. Der Cancellist stattete nebst denen Handwercks-Leuten Ihren Bericht ab, daß an der Chaise keine Kostbarkeit gesunden worden, der Bürger aber übergab die Justification seiner Appellation, und führete darinnen an, daß der Rath über 10. Thaler nicht straffen könte; daß in der Policey-Ordnung von der Chaise und Pferden nichts determiniret wäre, und es also dißfalls bey der natürlichen Freyheit bliebe; daß er die Chaise nicht für sich machen lassen, sondern auff Einrathen guter Freunde, damit Frembde umbs Lohn fortzubringen, endlich: daß weder an denen Pferden noch an der Chaise und Zeuge einige kostbarkeit wäre, massen die Pferde starck seyn müsten, weil er Sie in der Handlung auf dem Hartze brauchte: das Zeug wäre Altväterisch und schon gebraucht, massen er solches von dem Amtmann zu S. gekaufft; So sey er auch kein Becker mehr, noch jemahls in der Zunfft gewesen, sondern habe die gantze Zeit her Handlung getrieben, gäbe auch von solcher Profession alle onera ordinaria & extraordinaria. Endlich legte auch der Appellant unterschiedene Briefschafften denen Actis bey, daraus zum Uberfluß zu sehen, wie der Rath schon vormahls mit Ihm harte verfahren hatte.

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§. II. Nun hätte wohl der Bürger vielleicht besser gethan, wenn er an statt seine Appellation zu justificiren, nach dem Ihm von der

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[288/0294] leget, welche ihm als einem Becker nicht zukomme, sondern der Policey-Ordnung zuwieder sey, bate dannenhero, daß man Ihn mit seinen Suchen ab- und daß Er sich in Person stellen solle, anzuweisen. Hierauf war ein Befehl an den Rath ergangen, nicht ab executione anzufangen, des Bürgers Mandatarium zu admittiren, auch dem Process gemäß mit gewöhnlichen Citationibus zu verfahren: Welcher Befehl auch, nachdem sich der Bürger über den Rath abermahls beschweret, und dabey, daß an der Chaise keine Kostbarkeit zu finden, und solche vornehmlich vor reisende Leute gemacht sey; er auch seine Becker-Profession längst quittiret hätte, und die Handlung triebe, &c. nochmahls wiederhohlet wurde. Auff diesen letzten Befehl berichtete der Rath, daß Er den Bürger, weil Er ungehorsam aussen blieben, 100. Thaler Straffe, wegen des mit der Chaise, Zeuge und kostbahren Pferden getriebenen Prachts dictiret, dessen Mandatarius aber davon stante pede appelliret hätte, und bat, diese Appellation nicht anzunehmen, die aber der Bürger in dessen introduciret hatte. Worauff die Regierung verordnet, daß ein Cancellist mit Zuziehung etlicher Handwercks-Leute die Chaise und Geschirr in Augenschein nehmen, und dem Burger, seine Defension zu führen anbefohlen werden solte. Der Cancellist stattete nebst denen Handwercks-Leuten Ihren Bericht ab, daß an der Chaise keine Kostbarkeit gesunden worden, der Bürger aber übergab die Justification seiner Appellation, und führete darinnen an, daß der Rath über 10. Thaler nicht straffen könte; daß in der Policey-Ordnung von der Chaise und Pferden nichts determiniret wäre, und es also dißfalls bey der natürlichen Freyheit bliebe; daß er die Chaise nicht für sich machen lassen, sondern auff Einrathen guter Freunde, damit Frembde umbs Lohn fortzubringen, endlich: daß weder an denen Pferden noch an der Chaise und Zeuge einige kostbarkeit wäre, massen die Pferde starck seyn müsten, weil er Sie in der Handlung auf dem Hartze brauchte: das Zeug wäre Altväterisch und schon gebraucht, massen er solches von dem Amtmann zu S. gekaufft; So sey er auch kein Becker mehr, noch jemahls in der Zunfft gewesen, sondern habe die gantze Zeit her Handlung getrieben, gäbe auch von solcher Profession alle onera ordinaria & extraordinaria. Endlich legte auch der Appellant unterschiedene Briefschafften denen Actis bey, daraus zum Uberfluß zu sehen, wie der Rath schon vormahls mit Ihm harte verfahren hatte. §. II. Nun hätte wohl der Bürger vielleicht besser gethan, wenn er an statt seine Appellation zu justificiren, nach dem Ihm von der

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Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/294>, abgerufen am 28.03.2024.