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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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chen Exempel siehet und höret, oder lieset, Mitleyden mit denen armen Leuten zu haben, indem, andre Neben Ursachen zu geschweigen die reliquien des Päpstischen Rechts, das man, wie eine wächserne Nase drehen kan, und doch allenthalben auch in unsern Consistoriis annoch herrschet, sie darzu vielfältig veranlasset. Daß dasjenige, was bißher gemeldet, wahr sey, wird aus folgenden casibus erhellen.

§. II. Anno 1698. in September wurden von einen AmtmanneDer erste Casus von einen wieder einen Prediger gedruckten Responso. Inquisition acta wieder einen gewissen Stiffts-Rath eingeschickt, der mit dem Prediger in seinen Dorff, dessen Patronus er war, einen injurien Proceß gehabt, auch vorher wieder denselben in Fürstlichen Consistorio unterschiedliche Excesse denunciret, und um Inquisition wieder Ihn angehalten hatte, zu welchen Ende er auch sich in einen Schöppen Stuhl belehren lassen, welcher erkannt, daß, wenn wegen der specificirten excesse genungsamer Verdacht verhanden und solche gehöriges Orts denunciret würden, so dann mit der Inquisition wieder den Pfarrer gebührend zu verfahren wäre. Dieses Informat hatte der Adeliche Stiffts-Rath drucken lassen, weil aber der Buchdrucker auff den Titul etliche Worte ausgelassen, und also kein vollkommener sensus des Tituls verhanden war, hatte der Stiffts-Rath ad complendum fensum die zwey Worte: ärgerliche Excesse auf die gedruckten Exemplaria eigenhändig dazu geschrieben. Als nun dieses factum kund worden, nahm es das Cosistorium übel auf, indem es den Pfarrer von diesen denuncirten excessen absolviret hatte, und also vermeynete, der Stiffts-Rath hätte durch dieses factum die von dem Consistorio ertheilte absolutorische Verordnung angegriffen, weshalb es dem Amtmann anbefohlen, wieder den Stiffts-Rath zu inquiriren. Der Stiffts-Rath hatte sich in scriptis so fort zu dem facto bekannt, jedoch aber dabey remonstriren wollen, daß er dadurch das Consistorium anzugreiffen niemahls intentionirt gewesen. Seine Haupt-Gründe bestunden in zwey Puncten. Erstlich hätte er niemahls die Verordnung des Consistorii zu Gesicht bekommen, und also davon keine Wissenschafft gehabt, weshalben er auch dawieder nichts vornehmen können. Zum andern sey das Informat ein viertel Jahr eher datirt, als die Verordnung des Consistorii, und könne er also durch Einhohlung desselben ermeldete Verordnung nicht angegriffen haben. Daß man aber eingehohlte responsa drucken lasse, wäre nichts ungewöhnliches, auch ihm dieser Druck nicht zu verdencken gewesen, weil er des Pfarrers collator wäre, und also auf desselben Leben und Wandel billich Achtung geben, und zu

chen Exempel siehet und höret, oder lieset, Mitleyden mit denen armen Leuten zu haben, indem, andre Neben Ursachen zu geschweigen die reliquien des Päpstischen Rechts, das man, wie eine wächserne Nase drehen kan, und doch allenthalben auch in unsern Consistoriis annoch herrschet, sie darzu vielfältig veranlasset. Daß dasjenige, was bißher gemeldet, wahr sey, wird aus folgenden casibus erhellen.

§. II. Anno 1698. in September wurden von einen AmtmanneDer erste Casus von einen wieder einen Prediger gedruckten Responso. Inquisition acta wieder einen gewissen Stiffts-Rath eingeschickt, der mit dem Prediger in seinen Dorff, dessen Patronus er war, einen injurien Proceß gehabt, auch vorher wieder denselben in Fürstlichen Consistorio unterschiedliche Excesse denunciret, und um Inquisition wieder Ihn angehalten hatte, zu welchen Ende er auch sich in einen Schöppen Stuhl belehren lassen, welcher erkannt, daß, wenn wegen der specificirten excesse genungsamer Verdacht verhanden und solche gehöriges Orts denunciret würden, so dann mit der Inquisition wieder den Pfarrer gebührend zu verfahren wäre. Dieses Informat hatte der Adeliche Stiffts-Rath drucken lassen, weil aber der Buchdrucker auff den Titul etliche Worte ausgelassen, und also kein vollkommener sensus des Tituls verhanden war, hatte der Stiffts-Rath ad complendum fensum die zwey Worte: ärgerliche Excesse auf die gedruckten Exemplaria eigenhändig dazu geschrieben. Als nun dieses factum kund worden, nahm es das Cosistorium übel auf, indem es den Pfarrer von diesen denuncirten excessen absolviret hatte, und also vermeynete, der Stiffts-Rath hätte durch dieses factum die von dem Consistorio ertheilte absolutorische Verordnung angegriffen, weshalb es dem Amtmann anbefohlen, wieder den Stiffts-Rath zu inquiriren. Der Stiffts-Rath hatte sich in scriptis so fort zu dem facto bekannt, jedoch aber dabey remonstriren wollen, daß er dadurch das Consistorium anzugreiffen niemahls intentionirt gewesen. Seine Haupt-Gründe bestunden in zwey Puncten. Erstlich hätte er niemahls die Verordnung des Consistorii zu Gesicht bekommen, und also davon keine Wissenschafft gehabt, weshalben er auch dawieder nichts vornehmen können. Zum andern sey das Informat ein viertel Jahr eher datirt, als die Verordnung des Consistorii, und könne er also durch Einhohlung desselben ermeldete Verordnung nicht angegriffen haben. Daß man aber eingehohlte responsa drucken lasse, wäre nichts ungewöhnliches, auch ihm dieser Druck nicht zu verdencken gewesen, weil er des Pfarrers collator wäre, und also auf desselben Leben und Wandel billich Achtung geben, und zu

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[299/0305] chen Exempel siehet und höret, oder lieset, Mitleyden mit denen armen Leuten zu haben, indem, andre Neben Ursachen zu geschweigen die reliquien des Päpstischen Rechts, das man, wie eine wächserne Nase drehen kan, und doch allenthalben auch in unsern Consistoriis annoch herrschet, sie darzu vielfältig veranlasset. Daß dasjenige, was bißher gemeldet, wahr sey, wird aus folgenden casibus erhellen. §. II. Anno 1698. in September wurden von einen Amtmanne Inquisition acta wieder einen gewissen Stiffts-Rath eingeschickt, der mit dem Prediger in seinen Dorff, dessen Patronus er war, einen injurien Proceß gehabt, auch vorher wieder denselben in Fürstlichen Consistorio unterschiedliche Excesse denunciret, und um Inquisition wieder Ihn angehalten hatte, zu welchen Ende er auch sich in einen Schöppen Stuhl belehren lassen, welcher erkannt, daß, wenn wegen der specificirten excesse genungsamer Verdacht verhanden und solche gehöriges Orts denunciret würden, so dann mit der Inquisition wieder den Pfarrer gebührend zu verfahren wäre. Dieses Informat hatte der Adeliche Stiffts-Rath drucken lassen, weil aber der Buchdrucker auff den Titul etliche Worte ausgelassen, und also kein vollkommener sensus des Tituls verhanden war, hatte der Stiffts-Rath ad complendum fensum die zwey Worte: ärgerliche Excesse auf die gedruckten Exemplaria eigenhändig dazu geschrieben. Als nun dieses factum kund worden, nahm es das Cosistorium übel auf, indem es den Pfarrer von diesen denuncirten excessen absolviret hatte, und also vermeynete, der Stiffts-Rath hätte durch dieses factum die von dem Consistorio ertheilte absolutorische Verordnung angegriffen, weshalb es dem Amtmann anbefohlen, wieder den Stiffts-Rath zu inquiriren. Der Stiffts-Rath hatte sich in scriptis so fort zu dem facto bekannt, jedoch aber dabey remonstriren wollen, daß er dadurch das Consistorium anzugreiffen niemahls intentionirt gewesen. Seine Haupt-Gründe bestunden in zwey Puncten. Erstlich hätte er niemahls die Verordnung des Consistorii zu Gesicht bekommen, und also davon keine Wissenschafft gehabt, weshalben er auch dawieder nichts vornehmen können. Zum andern sey das Informat ein viertel Jahr eher datirt, als die Verordnung des Consistorii, und könne er also durch Einhohlung desselben ermeldete Verordnung nicht angegriffen haben. Daß man aber eingehohlte responsa drucken lasse, wäre nichts ungewöhnliches, auch ihm dieser Druck nicht zu verdencken gewesen, weil er des Pfarrers collator wäre, und also auf desselben Leben und Wandel billich Achtung geben, und zu Der erste Casus von einen wieder einen Prediger gedruckten Responso.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/305>, abgerufen am 28.03.2024.