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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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in achten Handel des andern Theils noch deutlicher ausgesühret worden-Wegen eben dieser Verwirrung wundert mich nicht, daß mir von vielen, sonst, nach dem geraeinen Gebrauch des Worts, Christlichen Leuten unserer Religion ein so unzeitiger und bitteler Streit wegen der Kebs-Ehe gemacht worden, weil aus eben diesen nur gemesdeten Ursachen auch die Lehre von der Kebs Ehe verwirret ist, und auff Universitäten sowohl bey denen Theologis als Jure Consultis dißfalls noch viele falsche Päpstische Lehren mit andern zwar in etwas verbesserten vermischt worden, daraus aber ohnmöglich eine wahre zusammen hengende Doctrin erfolgen können. Manchmahl hat man auch wohl gar auf Seiten der Geistlichen nicht allzulöbliche Dinge vorgenommen, und hernach die daraus erfolgende nothwendige Suiten denen armen Leyen imputiren und ihnen dieselbe zur Last legen wollen: Davon nachfolgender casus und das deßhalb ertheilte Responsum ein mercklich Exempel geben wird, welches in Januario 1698. im Nahmen unserer Facultät ausgefertiget worden.

Hat Titus, so der Römisch-Catholischen Religion beygethan, Cajam, welche Lutherisch ist, anfänglich geschwängert, hernach aber und an demselben Tage, da Caja eines Kindes genesen, sich mit ihr öffentlich verlobet, auch so fort darauf nicht allein bey dem Superintendenten zu L. sondern auch bey dem Consistorio daselbst umb die Priesterliche Copulation angesuchet, welche ihm aber, weil er Römisch-Catholisch, abgeschlagen worden. Hater hierauf seine verlobte, die Cajam, zwar alimentiret, jedennoch aber bey ihr nicht gewohnet, biß ohngefehr 1 1/2 Jahr hernach, da er sich zu ihr auf eine Stube begeben, und an einem Tische mit ihr gespeiset, jedoch des Nachts in einer absonderlichen Cammer und Bette gelegen, auff welche Art diese beyde Personen 2. Jahr beysammen gelebet. Ist darauf Caja verstorben, und es hat der Magistrat zu L. wieder Titium, als ob er mit der Caja in concubinatu gelebet, inquisition angestellet, es ist auch, nach dem Titius auf inquisitional Articul geantwortet und unterschiedliche Zeugen wieder ihn abgehöret worden, Titio darüber, (1) daß er mit Caja in einen Bette nicht gelegen, (2) seit der geschehenen Schwängerung sich weiter mit ihr fleischlich nicht vermischet, noch (3) selbige vor seine Ehefrau ausgegeben, das Juramentum purgatorium zuerkandt worden. Ob nun wohl Titius nicht wenig graviret zu seyn scheinet, daß, dessen Anführen nach, die eine Zeugin, so zuletzt, als Magd, bey ihm und der Cajae gedienet, ausgesaget, daß Titius und Caja beysammen in einem Bette gelegen Titii Haußwirth und dessen Ehefrau aber deponiret, Titius habe Cajam vor seine Ehefrau nicht ausgegeben, woraus zu folgen scheinet, daß er nicht affectionem maritalem gegen Cajam gehabt und also in concubinatu mit derselben gelebet, sol-

in achten Handel des andern Theils noch deutlicher ausgesühret worden-Wegen eben dieser Verwirrung wundert mich nicht, daß mir von vielen, sonst, nach dem geraeinen Gebrauch des Worts, Christlichen Leuten unserer Religion ein so unzeitiger und bitteler Streit wegen der Kebs-Ehe gemacht worden, weil aus eben diesen nur gemesdeten Ursachen auch die Lehre von der Kebs Ehe verwirret ist, und auff Universitäten sowohl bey denen Theologis als Jure Consultis dißfalls noch viele falsche Päpstische Lehren mit andern zwar in etwas verbesserten vermischt worden, daraus aber ohnmöglich eine wahre zusammen hengende Doctrin erfolgen können. Manchmahl hat man auch wohl gar auf Seiten der Geistlichen nicht allzulöbliche Dinge vorgenommen, und hernach die daraus erfolgende nothwendige Suiten denen armen Leyen imputiren und ihnen dieselbe zur Last legen wollen: Davon nachfolgender casus und das deßhalb ertheilte Responsum ein mercklich Exempel geben wird, welches in Januario 1698. im Nahmen unserer Facultät ausgefertiget worden.

Hat Titus, so der Römisch-Catholischen Religion beygethan, Cajam, welche Lutherisch ist, anfänglich geschwängert, hernach aber und an demselben Tage, da Caja eines Kindes genesen, sich mit ihr öffentlich verlobet, auch so fort darauf nicht allein bey dem Superintendenten zu L. sondern auch bey dem Consistorio daselbst umb die Priesterliche Copulation angesuchet, welche ihm aber, weil er Römisch-Catholisch, abgeschlagen worden. Hater hierauf seine verlobte, die Cajam, zwar alimentiret, jedennoch aber bey ihr nicht gewohnet, biß ohngefehr 1 1/2 Jahr hernach, da er sich zu ihr auf eine Stube begeben, und an einem Tische mit ihr gespeiset, jedoch des Nachts in einer absonderlichen Cammer und Bette gelegen, auff welche Art diese beyde Personen 2. Jahr beysammen gelebet. Ist darauf Caja verstorben, und es hat der Magistrat zu L. wieder Titium, als ob er mit der Caja in concubinatu gelebet, inquisition angestellet, es ist auch, nach dem Titius auf inquisitional Articul geantwortet und unterschiedliche Zeugen wieder ihn abgehöret worden, Titio darüber, (1) daß er mit Caja in einen Bette nicht gelegen, (2) seit der geschehenen Schwängerung sich weiter mit ihr fleischlich nicht vermischet, noch (3) selbige vor seine Ehefrau ausgegeben, das Juramentum purgatorium zuerkandt worden. Ob nun wohl Titius nicht wenig graviret zu seyn scheinet, daß, dessen Anführen nach, die eine Zeugin, so zuletzt, als Magd, bey ihm und der Cajae gedienet, ausgesaget, daß Titius und Caja beysammen in einem Bette gelegen Titii Haußwirth und dessen Ehefrau aber deponiret, Titius habe Cajam vor seine Ehefrau nicht ausgegeben, woraus zu folgen scheinet, daß er nicht affectionem maritalem gegen Cajam gehabt und also in concubinatu mit derselben gelebet, sol-

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in achten                      Handel des andern Theils noch deutlicher ausgesühret worden-Wegen eben dieser                      Verwirrung wundert mich nicht, daß mir von vielen, sonst, nach dem geraeinen                      Gebrauch des Worts, Christlichen Leuten unserer Religion ein so unzeitiger und                      bitteler Streit wegen der Kebs-Ehe gemacht worden, weil aus eben diesen nur                      gemesdeten Ursachen auch die Lehre von der Kebs Ehe verwirret ist, und auff                      Universitäten sowohl bey denen Theologis als Jure Consultis dißfalls noch viele                      falsche Päpstische Lehren mit andern zwar in etwas verbesserten vermischt                      worden, daraus aber ohnmöglich eine wahre zusammen hengende Doctrin erfolgen                      können. Manchmahl hat man auch wohl gar auf Seiten der Geistlichen nicht                      allzulöbliche Dinge vorgenommen, und hernach die daraus erfolgende nothwendige                      Suiten denen armen Leyen imputiren und ihnen dieselbe zur Last legen wollen:                      Davon nachfolgender casus und das deßhalb ertheilte Responsum ein mercklich                      Exempel geben wird, welches in Januario 1698. im Nahmen unserer Facultät                      ausgefertiget worden.</p>
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[314/0320] in achten Handel des andern Theils noch deutlicher ausgesühret worden-Wegen eben dieser Verwirrung wundert mich nicht, daß mir von vielen, sonst, nach dem geraeinen Gebrauch des Worts, Christlichen Leuten unserer Religion ein so unzeitiger und bitteler Streit wegen der Kebs-Ehe gemacht worden, weil aus eben diesen nur gemesdeten Ursachen auch die Lehre von der Kebs Ehe verwirret ist, und auff Universitäten sowohl bey denen Theologis als Jure Consultis dißfalls noch viele falsche Päpstische Lehren mit andern zwar in etwas verbesserten vermischt worden, daraus aber ohnmöglich eine wahre zusammen hengende Doctrin erfolgen können. Manchmahl hat man auch wohl gar auf Seiten der Geistlichen nicht allzulöbliche Dinge vorgenommen, und hernach die daraus erfolgende nothwendige Suiten denen armen Leyen imputiren und ihnen dieselbe zur Last legen wollen: Davon nachfolgender casus und das deßhalb ertheilte Responsum ein mercklich Exempel geben wird, welches in Januario 1698. im Nahmen unserer Facultät ausgefertiget worden. Hat Titus, so der Römisch-Catholischen Religion beygethan, Cajam, welche Lutherisch ist, anfänglich geschwängert, hernach aber und an demselben Tage, da Caja eines Kindes genesen, sich mit ihr öffentlich verlobet, auch so fort darauf nicht allein bey dem Superintendenten zu L. sondern auch bey dem Consistorio daselbst umb die Priesterliche Copulation angesuchet, welche ihm aber, weil er Römisch-Catholisch, abgeschlagen worden. Hater hierauf seine verlobte, die Cajam, zwar alimentiret, jedennoch aber bey ihr nicht gewohnet, biß ohngefehr 1 1/2 Jahr hernach, da er sich zu ihr auf eine Stube begeben, und an einem Tische mit ihr gespeiset, jedoch des Nachts in einer absonderlichen Cammer und Bette gelegen, auff welche Art diese beyde Personen 2. Jahr beysammen gelebet. Ist darauf Caja verstorben, und es hat der Magistrat zu L. wieder Titium, als ob er mit der Caja in concubinatu gelebet, inquisition angestellet, es ist auch, nach dem Titius auf inquisitional Articul geantwortet und unterschiedliche Zeugen wieder ihn abgehöret worden, Titio darüber, (1) daß er mit Caja in einen Bette nicht gelegen, (2) seit der geschehenen Schwängerung sich weiter mit ihr fleischlich nicht vermischet, noch (3) selbige vor seine Ehefrau ausgegeben, das Juramentum purgatorium zuerkandt worden. Ob nun wohl Titius nicht wenig graviret zu seyn scheinet, daß, dessen Anführen nach, die eine Zeugin, so zuletzt, als Magd, bey ihm und der Cajae gedienet, ausgesaget, daß Titius und Caja beysammen in einem Bette gelegen Titii Haußwirth und dessen Ehefrau aber deponiret, Titius habe Cajam vor seine Ehefrau nicht ausgegeben, woraus zu folgen scheinet, daß er nicht affectionem maritalem gegen Cajam gehabt und also in concubinatu mit derselben gelebet, sol-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/320>, abgerufen am 19.04.2024.