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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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te Ob er nun aus Einfalt oder mit Vorsatz diese Sottise begangen, insse ich an seinen Ort gestellet seyn, und wird vielleicht der Leser selbst davon judiciren können, wenn ich die Umbstände des Processes ihm kurtz und deutlich vorstelle. Die Klage war schon zu Ende des 95. Jahrs angestellet und zu Ende des Januarii an. 96. rechtlich erkannt worden, daß Beklagter erweisen solle, daß er und seine Tochter zudem mit Klägern gehaltenen Ehe Verlöbnüß durch hinterlistige Beredung und falsche persuasion verleitet worden, ohne diese aber in besagtes Ehe Verlöbnüß nimmermehr würde consentiret haben. Hierauff hatte sich Beklagter des Beweises unterfangen, aber durch keinen Zeugen die Umbstände, daraus ein dolus geschlossen werden können beygebracht: denn obgleich ein Zeuge etwas deponiret, daß Beklagter sich umb das Vermögen des Klägers erkundiget und denen an ihn abgeschickten eine bedingte Antwort gegeben hätte, so war doch dieses ad probandum nicht genung, zumahl da nicht nur das bekannte Sprichwort: Alle Freyer reich und alle Gefangene arm dem Kläger etwas zustatten kam, sondern auch die Zeugen, die bey der Verlöbniß gewesen waren, aussagten daß bey selbiger keiner condition gedacht worden. Indessen war auch die Tochter cum Curatore selbst interveniendo eingekommen und hatte ihre Unmündigkeit fürgeschützt. Ob nun wohl Beklagter sich ad juramentum suppletorium offeriret hatte, so war doch a JCtis Jenensibus in Decembr. 96. erkannt worden, daß Bekl. das thema probandum nicht erwiesen, auch das angebotene juramentum suppletorium nicht statt hätte und dahero die Ehe zu vollziehen wäre, auch Bekl. Advocatus (der zugleich der Intervenientin Curator war) wegen gebrauchter Anzüglichkeiten umb 6. Thlr. bestrafft werden solte.

§. IV. Wieder dieses Urtheil nun hatte der Advocate nomineDadurch wir bewogen worde / wieder den Quaerentenzu sprechen. Beklagtens und der Intervenientin, auch seiner eigenen Person halber geleutert, und da diese Leuterung allbereit eingewendet, war obiges responsum von uns begehret und erhalten worden. Was seine intention dabey gewesen, kan ich nicht wissen, glaube auch daß er es selbst nicht werde sagen können. Mann kan aber aus denen bißhero erzehlten Umbständen die eingewendeten gravamina theils leichte praesumiren, theils aber aus unsern Rationibus des folgenden Urtheils begreif fen, und zugleich erkennen, daß es denen Rabulis nichts helffe, wenn sie gleich bey einem Collegio juridico ein Responsum vor sich erschleichen, daß sie deßwegen sich nothwendig auch ein beyfäl-

te Ob er nun aus Einfalt oder mit Vorsatz diese Sottise begangen, insse ich an seinen Ort gestellet seyn, und wird vielleicht der Leser selbst davon judiciren können, wenn ich die Umbstände des Processes ihm kurtz und deutlich vorstelle. Die Klage war schon zu Ende des 95. Jahrs angestellet und zu Ende des Januarii an. 96. rechtlich erkannt worden, daß Beklagter erweisen solle, daß er und seine Tochter zudem mit Klägern gehaltenen Ehe Verlöbnüß durch hinterlistige Beredung und falsche persuasion verleitet worden, ohne diese aber in besagtes Ehe Verlöbnüß nimmermehr würde consentiret haben. Hierauff hatte sich Beklagter des Beweises unterfangen, aber durch keinen Zeugen die Umbstände, daraus ein dolus geschlossen werden können beygebracht: denn obgleich ein Zeuge etwas deponiret, daß Beklagter sich umb das Vermögen des Klägers erkundiget und denen an ihn abgeschickten eine bedingte Antwort gegeben hätte, so war doch dieses ad probandum nicht genung, zumahl da nicht nur das bekannte Sprichwort: Alle Freyer reich und alle Gefangene arm dem Kläger etwas zustatten kam, sondern auch die Zeugen, die bey der Verlöbniß gewesen waren, aussagten daß bey selbiger keiner condition gedacht worden. Indessen war auch die Tochter cum Curatore selbst interveniendo eingekommen und hatte ihre Unmündigkeit fürgeschützt. Ob nun wohl Beklagter sich ad juramentum suppletorium offeriret hatte, so war doch a JCtis Jenensibus in Decembr. 96. erkannt worden, daß Bekl. das thema probandum nicht erwiesen, auch das angebotene juramentum suppletorium nicht statt hätte und dahero die Ehe zu vollziehen wäre, auch Bekl. Advocatus (der zugleich der Intervenientin Curator war) wegen gebrauchter Anzüglichkeiten umb 6. Thlr. bestrafft werden solte.

§. IV. Wieder dieses Urtheil nun hatte der Advocate nomineDadurch wir bewogen wordë / wieder den Quaerentenzu sprechen. Beklagtens und der Intervenientin, auch seiner eigenen Person halber geleutert, und da diese Leuterung allbereit eingewendet, war obiges responsum von uns begehret und erhalten worden. Was seine intention dabey gewesen, kan ich nicht wissen, glaube auch daß er es selbst nicht werde sagen können. Mann kan aber aus denen bißhero erzehlten Umbständen die eingewendeten gravamina theils leichte praesumiren, theils aber aus unsern Rationibus des folgenden Urtheils begreif fen, und zugleich erkennen, daß es denen Rabulis nichts helffe, wenn sie gleich bey einem Collegio juridico ein Responsum vor sich erschleichen, daß sie deßwegen sich nothwendig auch ein beyfäl-

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[343/0349] te Ob er nun aus Einfalt oder mit Vorsatz diese Sottise begangen, insse ich an seinen Ort gestellet seyn, und wird vielleicht der Leser selbst davon judiciren können, wenn ich die Umbstände des Processes ihm kurtz und deutlich vorstelle. Die Klage war schon zu Ende des 95. Jahrs angestellet und zu Ende des Januarii an. 96. rechtlich erkannt worden, daß Beklagter erweisen solle, daß er und seine Tochter zudem mit Klägern gehaltenen Ehe Verlöbnüß durch hinterlistige Beredung und falsche persuasion verleitet worden, ohne diese aber in besagtes Ehe Verlöbnüß nimmermehr würde consentiret haben. Hierauff hatte sich Beklagter des Beweises unterfangen, aber durch keinen Zeugen die Umbstände, daraus ein dolus geschlossen werden können beygebracht: denn obgleich ein Zeuge etwas deponiret, daß Beklagter sich umb das Vermögen des Klägers erkundiget und denen an ihn abgeschickten eine bedingte Antwort gegeben hätte, so war doch dieses ad probandum nicht genung, zumahl da nicht nur das bekannte Sprichwort: Alle Freyer reich und alle Gefangene arm dem Kläger etwas zustatten kam, sondern auch die Zeugen, die bey der Verlöbniß gewesen waren, aussagten daß bey selbiger keiner condition gedacht worden. Indessen war auch die Tochter cum Curatore selbst interveniendo eingekommen und hatte ihre Unmündigkeit fürgeschützt. Ob nun wohl Beklagter sich ad juramentum suppletorium offeriret hatte, so war doch a JCtis Jenensibus in Decembr. 96. erkannt worden, daß Bekl. das thema probandum nicht erwiesen, auch das angebotene juramentum suppletorium nicht statt hätte und dahero die Ehe zu vollziehen wäre, auch Bekl. Advocatus (der zugleich der Intervenientin Curator war) wegen gebrauchter Anzüglichkeiten umb 6. Thlr. bestrafft werden solte. §. IV. Wieder dieses Urtheil nun hatte der Advocate nomine Beklagtens und der Intervenientin, auch seiner eigenen Person halber geleutert, und da diese Leuterung allbereit eingewendet, war obiges responsum von uns begehret und erhalten worden. Was seine intention dabey gewesen, kan ich nicht wissen, glaube auch daß er es selbst nicht werde sagen können. Mann kan aber aus denen bißhero erzehlten Umbständen die eingewendeten gravamina theils leichte praesumiren, theils aber aus unsern Rationibus des folgenden Urtheils begreif fen, und zugleich erkennen, daß es denen Rabulis nichts helffe, wenn sie gleich bey einem Collegio juridico ein Responsum vor sich erschleichen, daß sie deßwegen sich nothwendig auch ein beyfäl- Dadurch wir bewogen wordë / wieder den Quaerentenzu sprechen.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/349>, abgerufen am 19.04.2024.