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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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4. Jahr nach getroffener Ehe sich mercklich herfür gethan, pro morbo & postea exinde orta impotentia concumbendi superveniente zu achten; hiernechst was dasjenige so Sempronio zum besten angeführet werden könnte, und zwar anfänglich des Apostels in dem angezogenen Orthe enthaltene Meynung anlanget, solche von denen Theologis unserer Kirchen nur von Ehelosen Personen verstanden wird, inmassen dann der Apostel in dem vorhergehenden 8ten versicul daß er dieses denen ledigen und Witben sage, ausdrücklich meldet / bey welcher Bewandniß es auf verehlichte Personen nicht extendiret, weniger zu Tranquillirung des Gewissens ein unzuläßliges Mittel gebrauchet werden mag, hingegen Sempronius durch eifriges Gebeth umb Gedult, auch durch Fasten, Wachen und geziemende Arbeit, dem fleischlichen Triebe zu wiederstehen und von GOtt der Hülffe die er ihm nun in die 10. Jahr geleistet, ferner zu erwarten hat, und wiewohl er vermeynet, daß solche Mittel nicht zureichen wollen? dennoch kein Zweiffel, wann solche mit gebührenden und rechtem Ernste ergriffen werden möchte, GOtt seine Gnade dazu geben werde, inmassen dann Lutherus in seinem Büchlein vom ehelichen Leben in fin. Part. 2. Tom. 2. Altenb. p. 215. das Vorgeben, man könne sich nicht enthalten, vor sehr unwahrscheinlich hält, immittelst Sempronius seine Haußhaltung durch andere und zwar die fleischlichen Begierden nicht reitzende Personen führen lassen kan, ferner die Ehe unter denen Christen keines weges per mortem civilem aufhöret, noch solche wann sie einmahl würcklich vollzogen cessante fine aufgehoben wird, nechstdem wegen des besorgenden Contagii Sempronius zwar der Cajae die eheliche Pflicht zu leisten nicht angehalten werden, jedoch auch deshalber, die gäntzliche dissolutionem matrimonii nicht erlangen mag, überdiß was die Doctores von Zertrennung der Ehe ob morbum gallicum statuiren, von dem casu, wann der eine Ehegatte sich solchen durch seine Schuld zu gezogen, und welcher so dann zur malitiosa desertione zu rechnen, verstanden werden muß, im übrigen aber Brucknerus an angezogenen Orthe selbst gestehet, daß in praxi das Contrarium von seiner Meynung observiret werde? und Collegia Juridica nicht sowohl auf speculationes Theoreticas, als was durch gemeine Rechte hergebracht, zu sprechen angewiesen sind. So erscheinet daraus allenthalben so viel, daß des Sempronii und Cajae matrimonium quoad vincusum nicht getrennet, noch Sempronio sich anderweit zu verheyrathen gestalten Sachen nach nachgelassen werden könne V. R. W.

4. Jahr nach getroffener Ehe sich mercklich herfür gethan, pro morbo & postea exinde orta impotentia concumbendi superveniente zu achten; hiernechst was dasjenige so Sempronio zum besten angeführet werden könnte, und zwar anfänglich des Apostels in dem angezogenen Orthe enthaltene Meynung anlanget, solche von denen Theologis unserer Kirchen nur von Ehelosen Personen verstanden wird, inmassen dann der Apostel in dem vorhergehenden 8ten versicul daß er dieses denen ledigen und Witben sage, ausdrücklich meldet / bey welcher Bewandniß es auf verehlichte Personen nicht extendiret, weniger zu Tranquillirung des Gewissens ein unzuläßliges Mittel gebrauchet werden mag, hingegen Sempronius durch eifriges Gebeth umb Gedult, auch durch Fasten, Wachen und geziemende Arbeit, dem fleischlichen Triebe zu wiederstehen und von GOtt der Hülffe die er ihm nun in die 10. Jahr geleistet, ferner zu erwarten hat, und wiewohl er vermeynet, daß solche Mittel nicht zureichen wollen? dennoch kein Zweiffel, wann solche mit gebührenden und rechtem Ernste ergriffen werden möchte, GOtt seine Gnade dazu geben werde, inmassen dann Lutherus in seinem Büchlein vom ehelichen Leben in fin. Part. 2. Tom. 2. Altenb. p. 215. das Vorgeben, man könne sich nicht enthalten, vor sehr unwahrscheinlich hält, immittelst Sempronius seine Haußhaltung durch andere und zwar die fleischlichen Begierden nicht reitzende Personen führen lassen kan, ferner die Ehe unter denen Christen keines weges per mortem civilem aufhöret, noch solche wann sie einmahl würcklich vollzogen cessante fine aufgehoben wird, nechstdem wegen des besorgenden Contagii Sempronius zwar der Cajae die eheliche Pflicht zu leisten nicht angehalten werden, jedoch auch deshalber, die gäntzliche dissolutionem matrimonii nicht erlangen mag, überdiß was die Doctores von Zertrennung der Ehe ob morbum gallicum statuiren, von dem casu, wann der eine Ehegatte sich solchen durch seine Schuld zu gezogen, und welcher so dann zur malitiosa desertione zu rechnen, verstanden werden muß, im übrigen aber Brucknerus an angezogenen Orthe selbst gestehet, daß in praxi das Contrarium von seiner Meynung observiret werde? und Collegia Juridica nicht sowohl auf speculationes Theoreticas, als was durch gemeine Rechte hergebracht, zu sprechen angewiesen sind. So erscheinet daraus allenthalben so viel, daß des Sempronii und Cajae matrimonium quoad vincusum nicht getrennet, noch Sempronio sich anderweit zu verheyrathen gestalten Sachen nach nachgelassen werden könne V. R. W.

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[358/0364] 4. Jahr nach getroffener Ehe sich mercklich herfür gethan, pro morbo & postea exinde orta impotentia concumbendi superveniente zu achten; hiernechst was dasjenige so Sempronio zum besten angeführet werden könnte, und zwar anfänglich des Apostels in dem angezogenen Orthe enthaltene Meynung anlanget, solche von denen Theologis unserer Kirchen nur von Ehelosen Personen verstanden wird, inmassen dann der Apostel in dem vorhergehenden 8ten versicul daß er dieses denen ledigen und Witben sage, ausdrücklich meldet / bey welcher Bewandniß es auf verehlichte Personen nicht extendiret, weniger zu Tranquillirung des Gewissens ein unzuläßliges Mittel gebrauchet werden mag, hingegen Sempronius durch eifriges Gebeth umb Gedult, auch durch Fasten, Wachen und geziemende Arbeit, dem fleischlichen Triebe zu wiederstehen und von GOtt der Hülffe die er ihm nun in die 10. Jahr geleistet, ferner zu erwarten hat, und wiewohl er vermeynet, daß solche Mittel nicht zureichen wollen? dennoch kein Zweiffel, wann solche mit gebührenden und rechtem Ernste ergriffen werden möchte, GOtt seine Gnade dazu geben werde, inmassen dann Lutherus in seinem Büchlein vom ehelichen Leben in fin. Part. 2. Tom. 2. Altenb. p. 215. das Vorgeben, man könne sich nicht enthalten, vor sehr unwahrscheinlich hält, immittelst Sempronius seine Haußhaltung durch andere und zwar die fleischlichen Begierden nicht reitzende Personen führen lassen kan, ferner die Ehe unter denen Christen keines weges per mortem civilem aufhöret, noch solche wann sie einmahl würcklich vollzogen cessante fine aufgehoben wird, nechstdem wegen des besorgenden Contagii Sempronius zwar der Cajae die eheliche Pflicht zu leisten nicht angehalten werden, jedoch auch deshalber, die gäntzliche dissolutionem matrimonii nicht erlangen mag, überdiß was die Doctores von Zertrennung der Ehe ob morbum gallicum statuiren, von dem casu, wann der eine Ehegatte sich solchen durch seine Schuld zu gezogen, und welcher so dann zur malitiosa desertione zu rechnen, verstanden werden muß, im übrigen aber Brucknerus an angezogenen Orthe selbst gestehet, daß in praxi das Contrarium von seiner Meynung observiret werde? und Collegia Juridica nicht sowohl auf speculationes Theoreticas, als was durch gemeine Rechte hergebracht, zu sprechen angewiesen sind. So erscheinet daraus allenthalben so viel, daß des Sempronii und Cajae matrimonium quoad vincusum nicht getrennet, noch Sempronio sich anderweit zu verheyrathen gestalten Sachen nach nachgelassen werden könne V. R. W.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/364>, abgerufen am 24.04.2024.