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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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den Schein unnöthiger Schul-Fragen, darauf GOtt nicht siehet, hintertreiben, und, zu unwiederbringlichen Schaden, aufheben und zernichten. Hingegen möchte in aller Demuth und Attention GOttes von fern gezeigte Regierung und für die Nachwelt treueste Vorsorge, sorgfältigst zu befordern und zu begleiten seyn. Weil bewust, wie eine weise und bedachtsame Printzeßin viel tausend Gutes durch Glimpf bey einem grossen Herrn zu unsäglich grossen Heyl offtmahls geschafft. Deshalben nicht mit unser Vernunfft vielweniger dem Maaß der Schul-Lehre GOttes Augen und Hände zu binden, seine göttliche und heilige Providenz zu zertrennen. Welcher, nach seiner unerforschlichen unendlichen Weisheit, wissen wird, einer solchen Printzeßin, welche er zu solchem Printzen führet, Hertz und Gemüth zu lencken, daß sie, des Grundes des Glaubens gewiß, durch übriges Ceremoniel von GOtt nicht abgehe, auch, so irgend einst was anhängen möchte, nach seiner unermeßlichen Güte, an solcher theuren Seele, so sie GOtt fürchtet und liebet, Väterlich zu übersehen, wie er in Wahrheit an allen Gläubigen, seyn wo sie wollen in aller Religion unsäglich vieles, so wohl an Lehr als Leben, übersehen und Väterlich zu gut halten muß.

Das vierte Responsum.

§. XII. Das vierte Responsum bejahete beyde vorgelegte Fragen, und ob schon bey Beantwortung der andern einige Monita mit eingeflossen, so bezeuget doch die übrige Schreibart, daß der Herr Autor für denen Dissentientibus sich eben nicht gefürchtet.

Bejahung der ersten Frage.

Als Ihro Hochfürstliche Durchlauchtigkeit unser gnädigster Fürst und Herr gnädigst befohlen, daß über beyde nachgesetzte Fragen ein jedes Membrum Facultatis seine Meynung besonders abfassen, und dem Decano zustellen solle, habe solchem gnädigsten Befehl zu unterthänigster Folge auch ich, nach andächtigem Gebet zu GOtt, diese Frage in der Furcht GOttes erwogen, und ist bey der ersten Frage: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe derselbe in der Lutherischen oder Catholischen Religion, wenn er JEsum Christum für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und Gerechtigkeit durch den rechten Glauben ergreifft, und ihme appliciret, die ewige Seeligkeit erlange? Meine in GOttes Wort gegründete Meynung diese: Daß ein jeder Mensch, es lebe derselbe in der Lutherischen oder Catholischen Religion, wann er eintzig und allein auf das vollgültige Verdienst JEsu Christi in fester Zuversicht baut und vertraut, das ist, Christi Verdienst und Gerechtigkeit durch den rechten Glauben ergreiffet und ihme appliciret, auch in solchen Glauben biß ans Ende beharret,

den Schein unnöthiger Schul-Fragen, darauf GOtt nicht siehet, hintertreiben, und, zu unwiederbringlichen Schaden, aufheben und zernichten. Hingegen möchte in aller Demuth und Attention GOttes von fern gezeigte Regierung und für die Nachwelt treueste Vorsorge, sorgfältigst zu befordern und zu begleiten seyn. Weil bewust, wie eine weise und bedachtsame Printzeßin viel tausend Gutes durch Glimpf bey einem grossen Herrn zu unsäglich grossen Heyl offtmahls geschafft. Deshalben nicht mit unser Vernunfft vielweniger dem Maaß der Schul-Lehre GOttes Augen und Hände zu binden, seine göttliche und heilige Providenz zu zertrennen. Welcher, nach seiner unerforschlichen unendlichen Weisheit, wissen wird, einer solchen Printzeßin, welche er zu solchem Printzen führet, Hertz und Gemüth zu lencken, daß sie, des Grundes des Glaubens gewiß, durch übriges Ceremoniel von GOtt nicht abgehe, auch, so irgend einst was anhängen möchte, nach seiner unermeßlichen Güte, an solcher theuren Seele, so sie GOtt fürchtet und liebet, Väterlich zu übersehen, wie er in Wahrheit an allen Gläubigen, seyn wo sie wollen in aller Religion unsäglich vieles, so wohl an Lehr als Leben, übersehen und Väterlich zu gut halten muß.

Das vierte Responsum.

§. XII. Das vierte Responsum bejahete beyde vorgelegte Fragen, und ob schon bey Beantwortung der andern einige Monita mit eingeflossen, so bezeuget doch die übrige Schreibart, daß der Herr Autor für denen Dissentientibus sich eben nicht gefürchtet.

Bejahung der ersten Frage.

Als Ihro Hochfürstliche Durchlauchtigkeit unser gnädigster Fürst und Herr gnädigst befohlen, daß über beyde nachgesetzte Fragen ein jedes Membrum Facultatis seine Meynung besonders abfassen, und dem Decano zustellen solle, habe solchem gnädigsten Befehl zu unterthänigster Folge auch ich, nach andächtigem Gebet zu GOtt, diese Frage in der Furcht GOttes erwogen, und ist bey der ersten Frage: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe derselbe in der Lutherischen oder Catholischen Religion, wenn er JEsum Christum für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und Gerechtigkeit durch den rechten Glauben ergreifft, und ihme appliciret, die ewige Seeligkeit erlange? Meine in GOttes Wort gegründete Meynung diese: Daß ein jeder Mensch, es lebe derselbe in der Lutherischen oder Catholischen Religion, wann er eintzig und allein auf das vollgültige Verdienst JEsu Christi in fester Zuversicht baut und vertraut, das ist, Christi Verdienst und Gerechtigkeit durch den rechten Glauben ergreiffet und ihme appliciret, auch in solchen Glauben biß ans Ende beharret,

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[38/0046] den Schein unnöthiger Schul-Fragen, darauf GOtt nicht siehet, hintertreiben, und, zu unwiederbringlichen Schaden, aufheben und zernichten. Hingegen möchte in aller Demuth und Attention GOttes von fern gezeigte Regierung und für die Nachwelt treueste Vorsorge, sorgfältigst zu befordern und zu begleiten seyn. Weil bewust, wie eine weise und bedachtsame Printzeßin viel tausend Gutes durch Glimpf bey einem grossen Herrn zu unsäglich grossen Heyl offtmahls geschafft. Deshalben nicht mit unser Vernunfft vielweniger dem Maaß der Schul-Lehre GOttes Augen und Hände zu binden, seine göttliche und heilige Providenz zu zertrennen. Welcher, nach seiner unerforschlichen unendlichen Weisheit, wissen wird, einer solchen Printzeßin, welche er zu solchem Printzen führet, Hertz und Gemüth zu lencken, daß sie, des Grundes des Glaubens gewiß, durch übriges Ceremoniel von GOtt nicht abgehe, auch, so irgend einst was anhängen möchte, nach seiner unermeßlichen Güte, an solcher theuren Seele, so sie GOtt fürchtet und liebet, Väterlich zu übersehen, wie er in Wahrheit an allen Gläubigen, seyn wo sie wollen in aller Religion unsäglich vieles, so wohl an Lehr als Leben, übersehen und Väterlich zu gut halten muß. §. XII. Das vierte Responsum bejahete beyde vorgelegte Fragen, und ob schon bey Beantwortung der andern einige Monita mit eingeflossen, so bezeuget doch die übrige Schreibart, daß der Herr Autor für denen Dissentientibus sich eben nicht gefürchtet. Als Ihro Hochfürstliche Durchlauchtigkeit unser gnädigster Fürst und Herr gnädigst befohlen, daß über beyde nachgesetzte Fragen ein jedes Membrum Facultatis seine Meynung besonders abfassen, und dem Decano zustellen solle, habe solchem gnädigsten Befehl zu unterthänigster Folge auch ich, nach andächtigem Gebet zu GOtt, diese Frage in der Furcht GOttes erwogen, und ist bey der ersten Frage: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe derselbe in der Lutherischen oder Catholischen Religion, wenn er JEsum Christum für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und Gerechtigkeit durch den rechten Glauben ergreifft, und ihme appliciret, die ewige Seeligkeit erlange? Meine in GOttes Wort gegründete Meynung diese: Daß ein jeder Mensch, es lebe derselbe in der Lutherischen oder Catholischen Religion, wann er eintzig und allein auf das vollgültige Verdienst JEsu Christi in fester Zuversicht baut und vertraut, das ist, Christi Verdienst und Gerechtigkeit durch den rechten Glauben ergreiffet und ihme appliciret, auch in solchen Glauben biß ans Ende beharret,

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/46>, abgerufen am 24.04.2024.