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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

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den Vergnügen empfieng er nicht den Decem
von ihren schmeichelnden Händen, und mit
welcher süßen Betäubung unterschied er nicht
ihre liebliche Stimme, wenn das andächtige
Geschrey der Gemeinde durch die Sacristey
in sein lauschendes Ohr drang. Wie glück-
lich konnte nicht die Liebe ihn machen! Aber
zwo andere Leidenschaften, fast eben so mäch-
tig als jene, stritten heftig in seiner theologi-
schen Seele, jagten die Liebe heraus und leg-
ten den Grund zu dem grausamen Schicksale
des Pastors. Der Stolz war es und die Be-
gierde nach einem bequemlichen Leben! Denn
wenn ihn auf der einen Seite seines hinfälli-
gen Herzeus die Tochter des vornehmen Kir-
chenraths mit ihrer Neigung verfolgte, so be-
stritt es auf der andern die Ausgeberinn des
Präsidenten. Jhre Wahl war der gewisse
Beruf zum Vorsteher der Kirche. Als Su-
perintendent konnt' er alsdann eines langen
ruhigen Lebens genießen, von den Truthhäh-

nen

den Vergnuͤgen empfieng er nicht den Decem
von ihren ſchmeichelnden Haͤnden, und mit
welcher ſuͤßen Betaͤubung unterſchied er nicht
ihre liebliche Stimme, wenn das andaͤchtige
Geſchrey der Gemeinde durch die Sacriſtey
in ſein lauſchendes Ohr drang. Wie gluͤck-
lich konnte nicht die Liebe ihn machen! Aber
zwo andere Leidenſchaften, faſt eben ſo maͤch-
tig als jene, ſtritten heftig in ſeiner theologi-
ſchen Seele, jagten die Liebe heraus und leg-
ten den Grund zu dem grauſamen Schickſale
des Paſtors. Der Stolz war es und die Be-
gierde nach einem bequemlichen Leben! Denn
wenn ihn auf der einen Seite ſeines hinfaͤlli-
gen Herzeus die Tochter des vornehmen Kir-
chenraths mit ihrer Neigung verfolgte, ſo be-
ſtritt es auf der andern die Ausgeberinn des
Praͤſidenten. Jhre Wahl war der gewiſſe
Beruf zum Vorſteher der Kirche. Als Su-
perintendent konnt’ er alsdann eines langen
ruhigen Lebens genießen, von den Truthhaͤh-

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[8/0012] den Vergnuͤgen empfieng er nicht den Decem von ihren ſchmeichelnden Haͤnden, und mit welcher ſuͤßen Betaͤubung unterſchied er nicht ihre liebliche Stimme, wenn das andaͤchtige Geſchrey der Gemeinde durch die Sacriſtey in ſein lauſchendes Ohr drang. Wie gluͤck- lich konnte nicht die Liebe ihn machen! Aber zwo andere Leidenſchaften, faſt eben ſo maͤch- tig als jene, ſtritten heftig in ſeiner theologi- ſchen Seele, jagten die Liebe heraus und leg- ten den Grund zu dem grauſamen Schickſale des Paſtors. Der Stolz war es und die Be- gierde nach einem bequemlichen Leben! Denn wenn ihn auf der einen Seite ſeines hinfaͤlli- gen Herzeus die Tochter des vornehmen Kir- chenraths mit ihrer Neigung verfolgte, ſo be- ſtritt es auf der andern die Ausgeberinn des Praͤſidenten. Jhre Wahl war der gewiſſe Beruf zum Vorſteher der Kirche. Als Su- perintendent konnt’ er alsdann eines langen ruhigen Lebens genießen, von den Truthhaͤh- nen

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Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/12>, abgerufen am 25.04.2024.