Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Reise von Ceylon nach Holland.
folglich kamen sie keinesweges von den Seegeln, son-
dern von den Masten und Stangen. Wenn sie zer-
treten, oder sonst auf andre Art auf dem Verdecke zer-
querscht wurden, so sah man allezeit ein phosphorisches
Feuer so weit sich der zerdrückte Wurm erstreckte.
Merkmale von Flügeln konnte man an diesen Würmern
nicht entdecken, sondern ohne Zweifel kriechen sie mit ihren
vielen Füßen an die Masten hinauf, von wo sie hernach,
wenn der Wind stark wehet, herunterfallen.

Den 22sten April zwischen 45 und 46 Grad Breite,
nicht weit ostwärts vom Vorgebürge der guten Hoffnung,
sahen wir Mittags einige wenige Minuten nach 12 Uhr
einen auf der Oberfläche des Wassers selbst liegenden
Regenbogen; der Wind wehete stark, und die Sonne
hatte ihren höchsten Stand am Himmel in Nordnord-
westen, und der Regenbogen war in Südsüdosten.
Er fieng am Horizonte selbst mit einem hellen Zirkelab-
schnitte an, welcher sich allmälig mehr und mehr erhob
und zugleich nach den Seiten ausbreitete, und ganz
oben einen schmalen dunkelrothen Rand bekam. Von
den beyden Enden des Bogens erstreckten sich zwey Ar-
me, wie zwey Hörner, die sich einwärts bogen, und
Zweydrittheil ihrer Länge weit, sich zwischen der Erd-
fläche und dem Schiffe ausdehnten, und mit sehr ange-
nehmen Farben, Roth, Gelb, Grün und Purpur-
blau, prangten. In dieser Stellung blieb er eine halbe
Viertelstunde, worauf er in umgekehrter Ordnung
allmälig verschwand. Auf der östlichen, oder linken
Seite, sah man einen andern Regenbogen, mit Farben
in entgegenstehender Folge; dieser war daher weiter
nichts als eine Wirkung der von jenem wirklichen Bo-
gen zurückgeworfenen Stralen; oberwärts war er nicht
sehr hoch, stand aber doch höher, als das Segment des

Q 2

Reiſe von Ceylon nach Holland.
folglich kamen ſie keinesweges von den Seegeln, ſon-
dern von den Maſten und Stangen. Wenn ſie zer-
treten, oder ſonſt auf andre Art auf dem Verdecke zer-
querſcht wurden, ſo ſah man allezeit ein phosphoriſches
Feuer ſo weit ſich der zerdruͤckte Wurm erſtreckte.
Merkmale von Fluͤgeln konnte man an dieſen Wuͤrmern
nicht entdecken, ſondern ohne Zweifel kriechen ſie mit ihren
vielen Fuͤßen an die Maſten hinauf, von wo ſie hernach,
wenn der Wind ſtark wehet, herunterfallen.

Den 22ſten April zwiſchen 45 und 46 Grad Breite,
nicht weit oſtwaͤrts vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung,
ſahen wir Mittags einige wenige Minuten nach 12 Uhr
einen auf der Oberflaͤche des Waſſers ſelbſt liegenden
Regenbogen; der Wind wehete ſtark, und die Sonne
hatte ihren hoͤchſten Stand am Himmel in Nordnord-
weſten, und der Regenbogen war in Suͤdſuͤdoſten.
Er fieng am Horizonte ſelbſt mit einem hellen Zirkelab-
ſchnitte an, welcher ſich allmaͤlig mehr und mehr erhob
und zugleich nach den Seiten ausbreitete, und ganz
oben einen ſchmalen dunkelrothen Rand bekam. Von
den beyden Enden des Bogens erſtreckten ſich zwey Ar-
me, wie zwey Hoͤrner, die ſich einwaͤrts bogen, und
Zweydrittheil ihrer Laͤnge weit, ſich zwiſchen der Erd-
flaͤche und dem Schiffe ausdehnten, und mit ſehr ange-
nehmen Farben, Roth, Gelb, Gruͤn und Purpur-
blau, prangten. In dieſer Stellung blieb er eine halbe
Viertelſtunde, worauf er in umgekehrter Ordnung
allmaͤlig verſchwand. Auf der oͤſtlichen, oder linken
Seite, ſah man einen andern Regenbogen, mit Farben
in entgegenſtehender Folge; dieſer war daher weiter
nichts als eine Wirkung der von jenem wirklichen Bo-
gen zuruͤckgeworfenen Stralen; oberwaͤrts war er nicht
ſehr hoch, ſtand aber doch hoͤher, als das Segment des

Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0539" n="243"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Rei&#x017F;e von <placeName>Ceylon</placeName> nach <placeName>Holland</placeName>.</hi></fw><lb/>
folglich kamen &#x017F;ie keinesweges von den Seegeln, &#x017F;on-<lb/>
dern von den Ma&#x017F;ten und Stangen. Wenn &#x017F;ie zer-<lb/>
treten, oder &#x017F;on&#x017F;t auf andre Art auf dem Verdecke zer-<lb/>
quer&#x017F;cht wurden, &#x017F;o &#x017F;ah man allezeit ein phosphori&#x017F;ches<lb/>
Feuer &#x017F;o weit &#x017F;ich der zerdru&#x0364;ckte Wurm er&#x017F;treckte.<lb/>
Merkmale von Flu&#x0364;geln konnte man an die&#x017F;en Wu&#x0364;rmern<lb/>
nicht entdecken, &#x017F;ondern ohne Zweifel kriechen &#x017F;ie mit ihren<lb/>
vielen Fu&#x0364;ßen an die Ma&#x017F;ten hinauf, von wo &#x017F;ie hernach,<lb/>
wenn der Wind &#x017F;tark wehet, herunterfallen.</p><lb/>
            <p>Den 22&#x017F;ten April zwi&#x017F;chen 45 und 46 Grad Breite,<lb/>
nicht weit o&#x017F;twa&#x0364;rts vom <placeName>Vorgebu&#x0364;rge der guten Hoffnung</placeName>,<lb/>
&#x017F;ahen wir Mittags einige wenige Minuten nach 12 Uhr<lb/>
einen auf der Oberfla&#x0364;che des Wa&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;elb&#x017F;t liegenden<lb/>
Regenbogen; der Wind wehete &#x017F;tark, und die Sonne<lb/>
hatte ihren ho&#x0364;ch&#x017F;ten Stand am Himmel in Nordnord-<lb/>
we&#x017F;ten, und der Regenbogen war in Su&#x0364;d&#x017F;u&#x0364;do&#x017F;ten.<lb/>
Er fieng am Horizonte &#x017F;elb&#x017F;t mit einem hellen Zirkelab-<lb/>
&#x017F;chnitte an, welcher &#x017F;ich allma&#x0364;lig mehr und mehr erhob<lb/>
und zugleich nach den Seiten ausbreitete, und ganz<lb/>
oben einen &#x017F;chmalen dunkelrothen Rand bekam. Von<lb/>
den beyden Enden des Bogens er&#x017F;treckten &#x017F;ich zwey Ar-<lb/>
me, wie zwey Ho&#x0364;rner, die &#x017F;ich einwa&#x0364;rts bogen, und<lb/>
Zweydrittheil ihrer La&#x0364;nge weit, &#x017F;ich zwi&#x017F;chen der Erd-<lb/>
fla&#x0364;che und dem Schiffe ausdehnten, und mit &#x017F;ehr ange-<lb/>
nehmen Farben, Roth, Gelb, Gru&#x0364;n und Purpur-<lb/>
blau, prangten. In die&#x017F;er Stellung blieb er eine halbe<lb/>
Viertel&#x017F;tunde, worauf er in umgekehrter Ordnung<lb/>
allma&#x0364;lig ver&#x017F;chwand. Auf der o&#x0364;&#x017F;tlichen, oder linken<lb/>
Seite, &#x017F;ah man einen andern Regenbogen, mit Farben<lb/>
in entgegen&#x017F;tehender Folge; die&#x017F;er war daher weiter<lb/>
nichts als eine Wirkung der von jenem wirklichen Bo-<lb/>
gen zuru&#x0364;ckgeworfenen Stralen; oberwa&#x0364;rts war er nicht<lb/>
&#x017F;ehr hoch, &#x017F;tand aber doch ho&#x0364;her, als das Segment des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0539] Reiſe von Ceylon nach Holland. folglich kamen ſie keinesweges von den Seegeln, ſon- dern von den Maſten und Stangen. Wenn ſie zer- treten, oder ſonſt auf andre Art auf dem Verdecke zer- querſcht wurden, ſo ſah man allezeit ein phosphoriſches Feuer ſo weit ſich der zerdruͤckte Wurm erſtreckte. Merkmale von Fluͤgeln konnte man an dieſen Wuͤrmern nicht entdecken, ſondern ohne Zweifel kriechen ſie mit ihren vielen Fuͤßen an die Maſten hinauf, von wo ſie hernach, wenn der Wind ſtark wehet, herunterfallen. Den 22ſten April zwiſchen 45 und 46 Grad Breite, nicht weit oſtwaͤrts vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung, ſahen wir Mittags einige wenige Minuten nach 12 Uhr einen auf der Oberflaͤche des Waſſers ſelbſt liegenden Regenbogen; der Wind wehete ſtark, und die Sonne hatte ihren hoͤchſten Stand am Himmel in Nordnord- weſten, und der Regenbogen war in Suͤdſuͤdoſten. Er fieng am Horizonte ſelbſt mit einem hellen Zirkelab- ſchnitte an, welcher ſich allmaͤlig mehr und mehr erhob und zugleich nach den Seiten ausbreitete, und ganz oben einen ſchmalen dunkelrothen Rand bekam. Von den beyden Enden des Bogens erſtreckten ſich zwey Ar- me, wie zwey Hoͤrner, die ſich einwaͤrts bogen, und Zweydrittheil ihrer Laͤnge weit, ſich zwiſchen der Erd- flaͤche und dem Schiffe ausdehnten, und mit ſehr ange- nehmen Farben, Roth, Gelb, Gruͤn und Purpur- blau, prangten. In dieſer Stellung blieb er eine halbe Viertelſtunde, worauf er in umgekehrter Ordnung allmaͤlig verſchwand. Auf der oͤſtlichen, oder linken Seite, ſah man einen andern Regenbogen, mit Farben in entgegenſtehender Folge; dieſer war daher weiter nichts als eine Wirkung der von jenem wirklichen Bo- gen zuruͤckgeworfenen Stralen; oberwaͤrts war er nicht ſehr hoch, ſtand aber doch hoͤher, als das Segment des Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/539
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/539>, abgerufen am 25.05.2024.