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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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vorüberschwebt, werf' ich einen schwermüthigen
Blick auf Amaliens schnell nachfolgendes; diese
nebeneinander gestellten Ideen zerschneiden mei-
ne Seele. Ich hasse mich, Eduard, wenn ich
daran denke, daß mich durch Amaliens Besitz
meines Vaters Tod weniger schmerzen könnte,
-- aber ich schwöre Dir, es soll, es wird nicht
seyn. Zu diesem unedlen Eigennutze wird Dein
Freund nie hinabsinken. --

Ein böser Dämon verfolgt mich in der Ge-
stalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei-
nem Herzen zu reißen; aber dieser Versuch wird
in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und
meinen ersten, meinen schönern Gefühlen treu. --
Ich spreche von der Comtesse Blainville, der
Nichte des Grafen Melun; sie ist das Modell
einer griechischen Grazie, ein Zauberreiz beglei-
tet jede ihrer Be[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]wegungen, sie darf nur lä-
cheln, um die Göttinn der Liebe zu seyn, --
ein sanfter Blick ihres Auges, -- und sie ist
das schönste Bild der Schwermuth. -- Ich kann
sie nicht betrachten, ohne zu erröthen und so
oft ihr Blick dem meinigen begegnet, schlägt sie
ihn sogleich furchtsam nieder, sie sucht meine

voruͤberſchwebt, werf’ ich einen ſchwermuͤthigen
Blick auf Amaliens ſchnell nachfolgendes; dieſe
nebeneinander geſtellten Ideen zerſchneiden mei-
ne Seele. Ich haſſe mich, Eduard, wenn ich
daran denke, daß mich durch Amaliens Beſitz
meines Vaters Tod weniger ſchmerzen koͤnnte,
— aber ich ſchwoͤre Dir, es ſoll, es wird nicht
ſeyn. Zu dieſem unedlen Eigennutze wird Dein
Freund nie hinabſinken. —

Ein boͤſer Daͤmon verfolgt mich in der Ge-
ſtalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei-
nem Herzen zu reißen; aber dieſer Verſuch wird
in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und
meinen erſten, meinen ſchoͤnern Gefuͤhlen treu. —
Ich ſpreche von der Comteſſe Blainville, der
Nichte des Grafen Melun; ſie iſt das Modell
einer griechiſchen Grazie, ein Zauberreiz beglei-
tet jede ihrer Be[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]wegungen, ſie darf nur laͤ-
cheln, um die Goͤttinn der Liebe zu ſeyn, —
ein ſanfter Blick ihres Auges, — und ſie iſt
das ſchoͤnſte Bild der Schwermuth. — Ich kann
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[122[120]/0130] voruͤberſchwebt, werf’ ich einen ſchwermuͤthigen Blick auf Amaliens ſchnell nachfolgendes; dieſe nebeneinander geſtellten Ideen zerſchneiden mei- ne Seele. Ich haſſe mich, Eduard, wenn ich daran denke, daß mich durch Amaliens Beſitz meines Vaters Tod weniger ſchmerzen koͤnnte, — aber ich ſchwoͤre Dir, es ſoll, es wird nicht ſeyn. Zu dieſem unedlen Eigennutze wird Dein Freund nie hinabſinken. — Ein boͤſer Daͤmon verfolgt mich in der Ge- ſtalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei- nem Herzen zu reißen; aber dieſer Verſuch wird in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und meinen erſten, meinen ſchoͤnern Gefuͤhlen treu. — Ich ſpreche von der Comteſſe Blainville, der Nichte des Grafen Melun; ſie iſt das Modell einer griechiſchen Grazie, ein Zauberreiz beglei- tet jede ihrer Be_wegungen, ſie darf nur laͤ- cheln, um die Goͤttinn der Liebe zu ſeyn, — ein ſanfter Blick ihres Auges, — und ſie iſt das ſchoͤnſte Bild der Schwermuth. — Ich kann ſie nicht betrachten, ohne zu erroͤthen und ſo oft ihr Blick dem meinigen begegnet, ſchlaͤgt ſie ihn ſogleich furchtſam nieder, ſie ſucht meine

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 122[120]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/130>, abgerufen am 19.04.2024.