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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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aus einem thörichten Stolze alle unsre Gefühle,
wir bewundern die Seele und den erhabenen
Geist unsrer Empfindungen und wollen durch-
aus nicht hinter den Vorhang sehn, wo uns ein
flüchtiger Blick das verächtliche Spiel der Ma-
schinen enträthseln würde. -- Ich sehe in Deiner
neuen Liebe nichts, als eine feinere Sinnlichkeit,
Deine Phantasie bedarf beständig eines reizen-
den Spiels und Du wirst es auch allen[t]halben
sehr bald finden; jenes hohe einzige Gefühl der
Liebe, das sich weder beschreiben noch zum zwei-
tenmahle empfinden läßt, hat Deine irrdische
Brust nie besucht, bei Dir stirbt die Liebe mit
der Gegenwart der Geliebten. --

Ich erinnere mich lebhaft aus den wenigen
goldenen Tagen meines Lebens, wie meine gan-
ze Seele nur ein einziges Gefühl der Liebe
ward, wie jeder andre Gedanke, jede andre Em-
pfindung für mich in der Welt abgestorben war;
in die finstern Gewölbe eines romantischen Hai-
nes war ich so tief verirrt, daß nur noch Dämm-
rung mich umschwebte, daß kein Ton der übri-
gen Welt an mein Ohr gelangte. Die ganze Na-
tur wies auf meine Liebe hin, aus jedem Klange
sprang mir der Geliebten holder Gruß entge-

aus einem thoͤrichten Stolze alle unſre Gefuͤhle,
wir bewundern die Seele und den erhabenen
Geiſt unſrer Empfindungen und wollen durch-
aus nicht hinter den Vorhang ſehn, wo uns ein
fluͤchtiger Blick das veraͤchtliche Spiel der Ma-
ſchinen entraͤthſeln wuͤrde. — Ich ſehe in Deiner
neuen Liebe nichts, als eine feinere Sinnlichkeit,
Deine Phantaſie bedarf beſtaͤndig eines reizen-
den Spiels und Du wirſt es auch allen[t]halben
ſehr bald finden; jenes hohe einzige Gefuͤhl der
Liebe, das ſich weder beſchreiben noch zum zwei-
tenmahle empfinden laͤßt, hat Deine irrdiſche
Bruſt nie beſucht, bei Dir ſtirbt die Liebe mit
der Gegenwart der Geliebten. —

Ich erinnere mich lebhaft aus den wenigen
goldenen Tagen meines Lebens, wie meine gan-
ze Seele nur ein einziges Gefuͤhl der Liebe
ward, wie jeder andre Gedanke, jede andre Em-
pfindung fuͤr mich in der Welt abgeſtorben war;
in die finſtern Gewoͤlbe eines romantiſchen Hai-
nes war ich ſo tief verirrt, daß nur noch Daͤmm-
rung mich umſchwebte, daß kein Ton der uͤbri-
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[149[147]/0157] aus einem thoͤrichten Stolze alle unſre Gefuͤhle, wir bewundern die Seele und den erhabenen Geiſt unſrer Empfindungen und wollen durch- aus nicht hinter den Vorhang ſehn, wo uns ein fluͤchtiger Blick das veraͤchtliche Spiel der Ma- ſchinen entraͤthſeln wuͤrde. — Ich ſehe in Deiner neuen Liebe nichts, als eine feinere Sinnlichkeit, Deine Phantaſie bedarf beſtaͤndig eines reizen- den Spiels und Du wirſt es auch allenthalben ſehr bald finden; jenes hohe einzige Gefuͤhl der Liebe, das ſich weder beſchreiben noch zum zwei- tenmahle empfinden laͤßt, hat Deine irrdiſche Bruſt nie beſucht, bei Dir ſtirbt die Liebe mit der Gegenwart der Geliebten. — Ich erinnere mich lebhaft aus den wenigen goldenen Tagen meines Lebens, wie meine gan- ze Seele nur ein einziges Gefuͤhl der Liebe ward, wie jeder andre Gedanke, jede andre Em- pfindung fuͤr mich in der Welt abgeſtorben war; in die finſtern Gewoͤlbe eines romantiſchen Hai- nes war ich ſo tief verirrt, daß nur noch Daͤmm- rung mich umſchwebte, daß kein Ton der uͤbri- gen Welt an mein Ohr gelangte. Die ganze Na- tur wies auf meine Liebe hin, aus jedem Klange ſprang mir der Geliebten holder Gruß entge-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 149[147]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/157>, abgerufen am 25.04.2024.