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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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mir noch die karge Zukunft aufbewahrt, um
mich durch ihre allmähligen Wohlthaten glück-
lich zu machen! Die Hofnung soll meine Freun-
dinn seyn, eben die Liebe meines Vaters ist
mein Trost, er gönnt mir jede Freude des Le-
bens, er wird mir die nicht mißgönnen, die die
Grundlage meiner Existenz ist, an die sich jedes
andre Glück nur reihen kann; sehn Sie, wie
ich mir aus meinen Leiden selbst eine Freude
heraussuche, denn bei der Gewißheit meines
Glücks, ohne diese Hofnung, würde mich die
Trennung noch länger dünken. -- Seyn Sie
heiter, auch ich will es seyn, verzeihen Sie dem
Freunde eine Nachlässigkeit, durch die er Ih-
ren Zorn verdient hat, ich wollte stets meine
schönsten Stunden wählen, Ihnen zu schreiben,
bald machte mir diese, bald eine andre Ursache
böse Laune und so ward das Ganze aufgescho-
ben. -- O theuerste, theuerste Amalie, -- es
gereuen mich die Worte, die ich niedergeschrie-
ben habe; todte Zeichen können nie die Em-
pfindungen meines Herzens ausdrücken, alles ist
kalt und ohne Sinn, lassen Sie die Liebe die-
sen Brief lesen, lesen Sie ihn mit der Sehn-
sucht, mit der trüben fröhlichen Melancholie,

mir noch die karge Zukunft aufbewahrt, um
mich durch ihre allmaͤhligen Wohlthaten gluͤck-
lich zu machen! Die Hofnung ſoll meine Freun-
dinn ſeyn, eben die Liebe meines Vaters iſt
mein Troſt, er goͤnnt mir jede Freude des Le-
bens, er wird mir die nicht mißgoͤnnen, die die
Grundlage meiner Exiſtenz iſt, an die ſich jedes
andre Gluͤck nur reihen kann; ſehn Sie, wie
ich mir aus meinen Leiden ſelbſt eine Freude
herausſuche, denn bei der Gewißheit meines
Gluͤcks, ohne dieſe Hofnung, wuͤrde mich die
Trennung noch laͤnger duͤnken. — Seyn Sie
heiter, auch ich will es ſeyn, verzeihen Sie dem
Freunde eine Nachlaͤſſigkeit, durch die er Ih-
ren Zorn verdient hat, ich wollte ſtets meine
ſchoͤnſten Stunden waͤhlen, Ihnen zu ſchreiben,
bald machte mir dieſe, bald eine andre Urſache
boͤſe Laune und ſo ward das Ganze aufgeſcho-
ben. — O theuerſte, theuerſte Amalie, — es
gereuen mich die Worte, die ich niedergeſchrie-
ben habe; todte Zeichen koͤnnen nie die Em-
pfindungen meines Herzens ausdruͤcken, alles iſt
kalt und ohne Sinn, laſſen Sie die Liebe die-
ſen Brief leſen, leſen Sie ihn mit der Sehn-
ſucht, mit der truͤben froͤhlichen Melancholie,

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[175[173]/0183] mir noch die karge Zukunft aufbewahrt, um mich durch ihre allmaͤhligen Wohlthaten gluͤck- lich zu machen! Die Hofnung ſoll meine Freun- dinn ſeyn, eben die Liebe meines Vaters iſt mein Troſt, er goͤnnt mir jede Freude des Le- bens, er wird mir die nicht mißgoͤnnen, die die Grundlage meiner Exiſtenz iſt, an die ſich jedes andre Gluͤck nur reihen kann; ſehn Sie, wie ich mir aus meinen Leiden ſelbſt eine Freude herausſuche, denn bei der Gewißheit meines Gluͤcks, ohne dieſe Hofnung, wuͤrde mich die Trennung noch laͤnger duͤnken. — Seyn Sie heiter, auch ich will es ſeyn, verzeihen Sie dem Freunde eine Nachlaͤſſigkeit, durch die er Ih- ren Zorn verdient hat, ich wollte ſtets meine ſchoͤnſten Stunden waͤhlen, Ihnen zu ſchreiben, bald machte mir dieſe, bald eine andre Urſache boͤſe Laune und ſo ward das Ganze aufgeſcho- ben. — O theuerſte, theuerſte Amalie, — es gereuen mich die Worte, die ich niedergeſchrie- ben habe; todte Zeichen koͤnnen nie die Em- pfindungen meines Herzens ausdruͤcken, alles iſt kalt und ohne Sinn, laſſen Sie die Liebe die- ſen Brief leſen, leſen Sie ihn mit der Sehn- ſucht, mit der truͤben froͤhlichen Melancholie,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 175[173]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/183>, abgerufen am 25.04.2024.