Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

per und Seele anders, als die meinigen organi-
sirt wären: aber mein Verstand, dessen erstes
Prinzip der Gedanke von Ordnung, Ursach und
Wirkung ist, findet alles im genausten Zusam-
menhange, weil er seinem Wesen nach das
Chaos nicht bemerken kann. Wie mit einem
Zauberstabe schlägt der Mensch in die Wüste
hinein und plötzlich springen die feindseeligen
Elemente zusammen, alles fließt zu einem hellen
Bilde in einander, -- er geht hindurch und sein
Blick, der nicht zurücke kann, nimmt nicht
wahr, wie sich hinter ihm alles von neuem
trennt und aus einander fliegt.

Willkommen, grössester Gedanke,
Der hoch zum Gotte mich erhebt!
Es öffnet sich die düstre Schranke,
Vom Tod' genest der matte Kranke
Und sieht, da er zum erstenmahle lebt,
Was das Gewebe seines Schicksals webt.
Die Wesen sind, weil wir sie dachten
In trüber Ferne liegt die Welt,
Es fällt in ihre dunkeln Schachten
Ein Schimmer, den wir mit uns brachten:
Warum sie nicht in wilde Trümmer fällt?
Wir sind das Schicksal, das sie aufrecht hält!

Lovell, I. Bd. X

per und Seele anders, als die meinigen organi-
ſirt waͤren: aber mein Verſtand, deſſen erſtes
Prinzip der Gedanke von Ordnung, Urſach und
Wirkung iſt, findet alles im genauſten Zuſam-
menhange, weil er ſeinem Weſen nach das
Chaos nicht bemerken kann. Wie mit einem
Zauberſtabe ſchlaͤgt der Menſch in die Wuͤſte
hinein und ploͤtzlich ſpringen die feindſeeligen
Elemente zuſammen, alles fließt zu einem hellen
Bilde in einander, — er geht hindurch und ſein
Blick, der nicht zuruͤcke kann, nimmt nicht
wahr, wie ſich hinter ihm alles von neuem
trennt und aus einander fliegt.

Willkommen, gröſſeſter Gedanke,
Der hoch zum Gotte mich erhebt!
Es öffnet ſich die düſtre Schranke,
Vom Tod’ geneſt der matte Kranke
Und ſieht, da er zum erſtenmahle lebt,
Was das Gewebe ſeines Schickſals webt.
Die Weſen ſind, weil wir ſie dachten
In trüber Ferne liegt die Welt,
Es fällt in ihre dunkeln Schachten
Ein Schimmer, den wir mit uns brachten:
Warum ſie nicht in wilde Trümmer fällt?
Wir ſind das Schickſal, das ſie aufrecht hält!

Lovell, I. Bd. X
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0329" n="321[319]"/>
per und Seele anders, als die meinigen organi-<lb/>
&#x017F;irt wa&#x0364;ren: aber mein Ver&#x017F;tand, de&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;tes<lb/>
Prinzip der Gedanke von Ordnung, Ur&#x017F;ach und<lb/>
Wirkung i&#x017F;t, findet alles im genau&#x017F;ten Zu&#x017F;am-<lb/>
menhange, weil er &#x017F;einem We&#x017F;en nach das<lb/>
Chaos nicht bemerken <hi rendition="#g">kann</hi>. Wie mit einem<lb/>
Zauber&#x017F;tabe &#x017F;chla&#x0364;gt der Men&#x017F;ch in die Wu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
hinein und plo&#x0364;tzlich &#x017F;pringen die feind&#x017F;eeligen<lb/>
Elemente zu&#x017F;ammen, alles fließt zu einem hellen<lb/>
Bilde in einander, &#x2014; er geht hindurch und &#x017F;ein<lb/>
Blick, der nicht zuru&#x0364;cke kann, nimmt nicht<lb/>
wahr, wie &#x017F;ich hinter ihm alles von neuem<lb/>
trennt und aus einander fliegt.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Willkommen, grö&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ter Gedanke,</l><lb/>
              <l>Der hoch zum Gotte mich erhebt!</l><lb/>
              <l>Es öffnet &#x017F;ich die dü&#x017F;tre Schranke,</l><lb/>
              <l>Vom Tod&#x2019; gene&#x017F;t der matte Kranke</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ieht, da er zum er&#x017F;tenmahle lebt,</l><lb/>
              <l>Was das Gewebe &#x017F;eines Schick&#x017F;als webt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die We&#x017F;en <hi rendition="#g">&#x017F;ind</hi>, weil wir &#x017F;ie <hi rendition="#g">dachten</hi></l><lb/>
              <l>In trüber Ferne liegt die Welt,</l><lb/>
              <l>Es fällt in ihre dunkeln Schachten</l><lb/>
              <l>Ein Schimmer, den wir mit uns brachten:</l><lb/>
              <l>Warum &#x017F;ie nicht in wilde Trümmer fällt?</l><lb/>
              <l><hi rendition="#g">Wir</hi> &#x017F;ind das Schick&#x017F;al, das &#x017F;ie aufrecht hält!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Lovell, <hi rendition="#aq">I.</hi> Bd. X</fw><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321[319]/0329] per und Seele anders, als die meinigen organi- ſirt waͤren: aber mein Verſtand, deſſen erſtes Prinzip der Gedanke von Ordnung, Urſach und Wirkung iſt, findet alles im genauſten Zuſam- menhange, weil er ſeinem Weſen nach das Chaos nicht bemerken kann. Wie mit einem Zauberſtabe ſchlaͤgt der Menſch in die Wuͤſte hinein und ploͤtzlich ſpringen die feindſeeligen Elemente zuſammen, alles fließt zu einem hellen Bilde in einander, — er geht hindurch und ſein Blick, der nicht zuruͤcke kann, nimmt nicht wahr, wie ſich hinter ihm alles von neuem trennt und aus einander fliegt. Willkommen, gröſſeſter Gedanke, Der hoch zum Gotte mich erhebt! Es öffnet ſich die düſtre Schranke, Vom Tod’ geneſt der matte Kranke Und ſieht, da er zum erſtenmahle lebt, Was das Gewebe ſeines Schickſals webt. Die Weſen ſind, weil wir ſie dachten In trüber Ferne liegt die Welt, Es fällt in ihre dunkeln Schachten Ein Schimmer, den wir mit uns brachten: Warum ſie nicht in wilde Trümmer fällt? Wir ſind das Schickſal, das ſie aufrecht hält! Lovell, I. Bd. X

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/329
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 321[319]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/329>, abgerufen am 25.04.2024.