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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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zu werden, mehr Verstand dazu gehört, als wir
beide haben; ich meyne nehmlich, wenn man
nur immer so viel Verstand hat, als man zur
höchsten Nothdurft braucht, so kann man ihn
ohne sonderliche Mühe in Ordnung halten.
Wer aber zuviel hat, dem wird das Regiment
saurer und da geht dann manchmal alles bunt
über Eck. -- Ich denke, es muß ohngefähr so
seyn, wie mit dem Gelde: wer seine Einkünfte
immer in der Tasche bey sich trägt, ist meisten-
theils ein guter Wirth; wer aber so viel Geld
hat, daß er es nicht gleich im Kopfe zusammen-
rechnen kann, der giebt oft so viel aus, daß er
noch Schulden obendrein macht.

Der Herr Rosa will mir immer noch nicht
gefallen. Er kömmt mir vor, wie ein Reli-
gionsspötter, von denen ich schon manchmal in
unserm Vaterlande habe erzählen hören; sol-
che Leute können kein gutes Herz haben,
weil sie nicht auf die Seeligkeit hoffen, und
wer darauf nicht hofft, Thomas, der hat
keinen festen Grund, worauf er seinen Fuß
setzen kann, und das hiesige Leben kommt mir
doch immer nur als eine Probearbeit vom künf-
tigen vor; sie machen also ihre Probe sehr flüch-
tig und nachlässig, und thun Gott und allen

zu werden, mehr Verſtand dazu gehoͤrt, als wir
beide haben; ich meyne nehmlich, wenn man
nur immer ſo viel Verſtand hat, als man zur
hoͤchſten Nothdurft braucht, ſo kann man ihn
ohne ſonderliche Muͤhe in Ordnung halten.
Wer aber zuviel hat, dem wird das Regiment
ſaurer und da geht dann manchmal alles bunt
uͤber Eck. — Ich denke, es muß ohngefaͤhr ſo
ſeyn, wie mit dem Gelde: wer ſeine Einkuͤnfte
immer in der Taſche bey ſich traͤgt, iſt meiſten-
theils ein guter Wirth; wer aber ſo viel Geld
hat, daß er es nicht gleich im Kopfe zuſammen-
rechnen kann, der giebt oft ſo viel aus, daß er
noch Schulden obendrein macht.

Der Herr Roſa will mir immer noch nicht
gefallen. Er koͤmmt mir vor, wie ein Reli-
gionsſpoͤtter, von denen ich ſchon manchmal in
unſerm Vaterlande habe erzaͤhlen hoͤren; ſol-
che Leute koͤnnen kein gutes Herz haben,
weil ſie nicht auf die Seeligkeit hoffen, und
wer darauf nicht hofft, Thomas, der hat
keinen feſten Grund, worauf er ſeinen Fuß
ſetzen kann, und das hieſige Leben kommt mir
doch immer nur als eine Probearbeit vom kuͤnf-
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[326[324]/0334] zu werden, mehr Verſtand dazu gehoͤrt, als wir beide haben; ich meyne nehmlich, wenn man nur immer ſo viel Verſtand hat, als man zur hoͤchſten Nothdurft braucht, ſo kann man ihn ohne ſonderliche Muͤhe in Ordnung halten. Wer aber zuviel hat, dem wird das Regiment ſaurer und da geht dann manchmal alles bunt uͤber Eck. — Ich denke, es muß ohngefaͤhr ſo ſeyn, wie mit dem Gelde: wer ſeine Einkuͤnfte immer in der Taſche bey ſich traͤgt, iſt meiſten- theils ein guter Wirth; wer aber ſo viel Geld hat, daß er es nicht gleich im Kopfe zuſammen- rechnen kann, der giebt oft ſo viel aus, daß er noch Schulden obendrein macht. Der Herr Roſa will mir immer noch nicht gefallen. Er koͤmmt mir vor, wie ein Reli- gionsſpoͤtter, von denen ich ſchon manchmal in unſerm Vaterlande habe erzaͤhlen hoͤren; ſol- che Leute koͤnnen kein gutes Herz haben, weil ſie nicht auf die Seeligkeit hoffen, und wer darauf nicht hofft, Thomas, der hat keinen feſten Grund, worauf er ſeinen Fuß ſetzen kann, und das hieſige Leben kommt mir doch immer nur als eine Probearbeit vom kuͤnf- tigen vor; ſie machen alſo ihre Probe ſehr fluͤch- tig und nachlaͤſſig, und thun Gott und allen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 326[324]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/334>, abgerufen am 18.04.2024.