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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Seit einigen Tagen bewohne ich ein Land-
haus, ganz nahe bei London, dasselbe, von dem
ich Dir schon mehrmahls geschrieben habe, daß
ich es vielleicht kaufen würde. Es liegt ziem-
lich angenehm, im Garten hat man eine schöne
Aussicht, das Haus ist gut gebaut, simpel, aber
mit Geschmack, alles ohne Pracht, aber auch
ohne unbequeme bäurische Einfalt. -- Meine
Unpäßlichkeiten scheinen zurückgeblieben zu seyn,
ich halte die Luft hier in der Ebene für reiner
und gesunder, als dort auf den Bergen. --
Meine neuliche Krankheit hat mich aber wieder
auf die Zerbrechlichkeit des Lebens aufmerksam
gemacht, ich komme in ein Alter, in welchem
man sich mehr von der Welt zurückzuziehn
wünscht, und einen kleinen lieben Zirkel zu bil-
den, in dem ein jeder Gedanke und jedes Ge-
fühl bekannt ist, -- o lieber William, ich hab'
es mir so schön ausgemahlt, was für ein Leben
ich führen will, wenn Du nun als gebildeter
Mann von Deinen Reisen zurückgekehrt seyn
wirst, wie ich dann meine letzten Tage in vol-
lem frohen unbefangenen Genuß verleben will;
dann will ich von allen Stürmen ausruhn, die
so oft den Horizont meines Lebens trübten, --

Lovell, I. Bd. C

Seit einigen Tagen bewohne ich ein Land-
haus, ganz nahe bei London, daſſelbe, von dem
ich Dir ſchon mehrmahls geſchrieben habe, daß
ich es vielleicht kaufen wuͤrde. Es liegt ziem-
lich angenehm, im Garten hat man eine ſchoͤne
Ausſicht, das Haus iſt gut gebaut, ſimpel, aber
mit Geſchmack, alles ohne Pracht, aber auch
ohne unbequeme baͤuriſche Einfalt. — Meine
Unpaͤßlichkeiten ſcheinen zuruͤckgeblieben zu ſeyn,
ich halte die Luft hier in der Ebene fuͤr reiner
und geſunder, als dort auf den Bergen. —
Meine neuliche Krankheit hat mich aber wieder
auf die Zerbrechlichkeit des Lebens aufmerkſam
gemacht, ich komme in ein Alter, in welchem
man ſich mehr von der Welt zuruͤckzuziehn
wuͤnſcht, und einen kleinen lieben Zirkel zu bil-
den, in dem ein jeder Gedanke und jedes Ge-
fuͤhl bekannt iſt, — o lieber William, ich hab’
es mir ſo ſchoͤn ausgemahlt, was fuͤr ein Leben
ich fuͤhren will, wenn Du nun als gebildeter
Mann von Deinen Reiſen zuruͤckgekehrt ſeyn
wirſt, wie ich dann meine letzten Tage in vol-
lem frohen unbefangenen Genuß verleben will;
dann will ich von allen Stuͤrmen ausruhn, die
ſo oft den Horizont meines Lebens truͤbten, —

Lovell, I. Bd. C
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[33[31]/0041] Seit einigen Tagen bewohne ich ein Land- haus, ganz nahe bei London, daſſelbe, von dem ich Dir ſchon mehrmahls geſchrieben habe, daß ich es vielleicht kaufen wuͤrde. Es liegt ziem- lich angenehm, im Garten hat man eine ſchoͤne Ausſicht, das Haus iſt gut gebaut, ſimpel, aber mit Geſchmack, alles ohne Pracht, aber auch ohne unbequeme baͤuriſche Einfalt. — Meine Unpaͤßlichkeiten ſcheinen zuruͤckgeblieben zu ſeyn, ich halte die Luft hier in der Ebene fuͤr reiner und geſunder, als dort auf den Bergen. — Meine neuliche Krankheit hat mich aber wieder auf die Zerbrechlichkeit des Lebens aufmerkſam gemacht, ich komme in ein Alter, in welchem man ſich mehr von der Welt zuruͤckzuziehn wuͤnſcht, und einen kleinen lieben Zirkel zu bil- den, in dem ein jeder Gedanke und jedes Ge- fuͤhl bekannt iſt, — o lieber William, ich hab’ es mir ſo ſchoͤn ausgemahlt, was fuͤr ein Leben ich fuͤhren will, wenn Du nun als gebildeter Mann von Deinen Reiſen zuruͤckgekehrt ſeyn wirſt, wie ich dann meine letzten Tage in vol- lem frohen unbefangenen Genuß verleben will; dann will ich von allen Stuͤrmen ausruhn, die ſo oft den Horizont meines Lebens truͤbten, — Lovell, I. Bd. C

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 33[31]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/41>, abgerufen am 29.03.2024.