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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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bringt. -- Giebt es etwas abgeschmackters, als
zu seufzen, zu weinen und alle Freuden der
Welt aus einer Metapher in die andre zu ja-
gen, -- und zwar, wie äußerst sinnreich und
vernünftig! -- weil ein andres Wesen nicht
auch jammert und klagt -- und zwar darüber,
weil ich es thue. -- Denn wahrlich, ich habe
schon Liebhaber gesehn, die so geliebt wurden,
daß nur noch ein Gran gefehlt hätte und es
wäre ihnen selber zur Last gefallen, -- die aber
beständig die unglücklichsten Geschöpfe in der
Welt waren; denn ihr Mädchen war ihnen la-
chend entgegengekommen und sie hatten sie sich
gerade weinend gedacht, weil sie einen Abschied
auf zwei ewig lange Stunden nehmen sollten,
um eine große Reise in die nächste Gasse zu ih-
rem Onkel zu thun, der ihnen einen Wechsel
auszahlen wollte. -- Es sind Schauspieler, die
sich einen ellenhohen Kothurn angeschnallt ha-
ben, der nur dazu dient, sie in jedem Augen-
blicke fallen zu machen; sie sind unendlich über
alle fade Sinnlichkeit erhaben und sitzen da und
können sich tagelang von ihrer Geliebten über
die Farbe eines Bandes unterrichten lassen; der
Schooßhund ihres Mädchens ist ihnen mehr

Lovell, I. Bd. D

bringt. — Giebt es etwas abgeſchmackters, als
zu ſeufzen, zu weinen und alle Freuden der
Welt aus einer Metapher in die andre zu ja-
gen, — und zwar, wie aͤußerſt ſinnreich und
vernuͤnftig! — weil ein andres Weſen nicht
auch jammert und klagt — und zwar daruͤber,
weil ich es thue. — Denn wahrlich, ich habe
ſchon Liebhaber geſehn, die ſo geliebt wurden,
daß nur noch ein Gran gefehlt haͤtte und es
waͤre ihnen ſelber zur Laſt gefallen, — die aber
beſtaͤndig die ungluͤcklichſten Geſchoͤpfe in der
Welt waren; denn ihr Maͤdchen war ihnen la-
chend entgegengekommen und ſie hatten ſie ſich
gerade weinend gedacht, weil ſie einen Abſchied
auf zwei ewig lange Stunden nehmen ſollten,
um eine große Reiſe in die naͤchſte Gaſſe zu ih-
rem Onkel zu thun, der ihnen einen Wechſel
auszahlen wollte. — Es ſind Schauſpieler, die
ſich einen ellenhohen Kothurn angeſchnallt ha-
ben, der nur dazu dient, ſie in jedem Augen-
blicke fallen zu machen; ſie ſind unendlich uͤber
alle fade Sinnlichkeit erhaben und ſitzen da und
koͤnnen ſich tagelang von ihrer Geliebten uͤber
die Farbe eines Bandes unterrichten laſſen; der
Schooßhund ihres Maͤdchens iſt ihnen mehr

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[49[47]/0057] bringt. — Giebt es etwas abgeſchmackters, als zu ſeufzen, zu weinen und alle Freuden der Welt aus einer Metapher in die andre zu ja- gen, — und zwar, wie aͤußerſt ſinnreich und vernuͤnftig! — weil ein andres Weſen nicht auch jammert und klagt — und zwar daruͤber, weil ich es thue. — Denn wahrlich, ich habe ſchon Liebhaber geſehn, die ſo geliebt wurden, daß nur noch ein Gran gefehlt haͤtte und es waͤre ihnen ſelber zur Laſt gefallen, — die aber beſtaͤndig die ungluͤcklichſten Geſchoͤpfe in der Welt waren; denn ihr Maͤdchen war ihnen la- chend entgegengekommen und ſie hatten ſie ſich gerade weinend gedacht, weil ſie einen Abſchied auf zwei ewig lange Stunden nehmen ſollten, um eine große Reiſe in die naͤchſte Gaſſe zu ih- rem Onkel zu thun, der ihnen einen Wechſel auszahlen wollte. — Es ſind Schauſpieler, die ſich einen ellenhohen Kothurn angeſchnallt ha- ben, der nur dazu dient, ſie in jedem Augen- blicke fallen zu machen; ſie ſind unendlich uͤber alle fade Sinnlichkeit erhaben und ſitzen da und koͤnnen ſich tagelang von ihrer Geliebten uͤber die Farbe eines Bandes unterrichten laſſen; der Schooßhund ihres Maͤdchens iſt ihnen mehr Lovell, I. Bd. D

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 49[47]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/57>, abgerufen am 28.03.2024.