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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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die ganze Welt meinem Blicke entgegen, alles
ist heut mein Freund, alles lächelt mich liebe-
voll an. -- Eduard, -- wie soll ich Dir die
Empfindung beschreiben, als ich nun die Straße
betrat, in der sie wohnt, -- als ich vor ihrem
Hause stand, -- es war schon Abend, ein blas-
ser Schimmer des Mondes brach sich durch
graue Wolken, -- mein Herz klopfte hörbar, als
ich dem Bedienten meinen Nahmen sagte und
die Treppen hinaufging. -- Sie war allein, ich
trat in das Zimmer. -- Himmel! war es nicht,
als käme mir ein Engel entgegen, um mich im
Paradiese zu bewillkommen, wie ein heiliger
Duft wehte mich die Luft an, in der sie ath-
mete, -- ich weiß nicht, was ich ihr sagte, ich
weiß nicht was sie antwortete, aber meinen
Nahmen sprach sie einigemahl mit einer unaus-
sprechlichen Süßigkeit. -- Wir setzten uns, ich
war in einer wehmüthigen freudigen Stim-
mung, -- sie sprach von der glücklichen Aus-
sicht einer so schönen Reise, -- mir war, als
hätt' ich Mühe, meine Thränen zurückzuhalten,
-- o Himmel, wie gütig sie zu mir sprach, wie
jeder Ton im Innersten meiner Seele wieder-
klang, jede Silbe foderte mich auf, mich dieser

die ganze Welt meinem Blicke entgegen, alles
iſt heut mein Freund, alles laͤchelt mich liebe-
voll an. — Eduard, — wie ſoll ich Dir die
Empfindung beſchreiben, als ich nun die Straße
betrat, in der ſie wohnt, — als ich vor ihrem
Hauſe ſtand, — es war ſchon Abend, ein blaſ-
ſer Schimmer des Mondes brach ſich durch
graue Wolken, — mein Herz klopfte hoͤrbar, als
ich dem Bedienten meinen Nahmen ſagte und
die Treppen hinaufging. — Sie war allein, ich
trat in das Zimmer. — Himmel! war es nicht,
als kaͤme mir ein Engel entgegen, um mich im
Paradieſe zu bewillkommen, wie ein heiliger
Duft wehte mich die Luft an, in der ſie ath-
mete, — ich weiß nicht, was ich ihr ſagte, ich
weiß nicht was ſie antwortete, aber meinen
Nahmen ſprach ſie einigemahl mit einer unaus-
ſprechlichen Suͤßigkeit. — Wir ſetzten uns, ich
war in einer wehmuͤthigen freudigen Stim-
mung, — ſie ſprach von der gluͤcklichen Aus-
ſicht einer ſo ſchoͤnen Reiſe, — mir war, als
haͤtt’ ich Muͤhe, meine Thraͤnen zuruͤckzuhalten,
— o Himmel, wie guͤtig ſie zu mir ſprach, wie
jeder Ton im Innerſten meiner Seele wieder-
klang, jede Silbe foderte mich auf, mich dieſer

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[58[56]/0066] die ganze Welt meinem Blicke entgegen, alles iſt heut mein Freund, alles laͤchelt mich liebe- voll an. — Eduard, — wie ſoll ich Dir die Empfindung beſchreiben, als ich nun die Straße betrat, in der ſie wohnt, — als ich vor ihrem Hauſe ſtand, — es war ſchon Abend, ein blaſ- ſer Schimmer des Mondes brach ſich durch graue Wolken, — mein Herz klopfte hoͤrbar, als ich dem Bedienten meinen Nahmen ſagte und die Treppen hinaufging. — Sie war allein, ich trat in das Zimmer. — Himmel! war es nicht, als kaͤme mir ein Engel entgegen, um mich im Paradieſe zu bewillkommen, wie ein heiliger Duft wehte mich die Luft an, in der ſie ath- mete, — ich weiß nicht, was ich ihr ſagte, ich weiß nicht was ſie antwortete, aber meinen Nahmen ſprach ſie einigemahl mit einer unaus- ſprechlichen Suͤßigkeit. — Wir ſetzten uns, ich war in einer wehmuͤthigen freudigen Stim- mung, — ſie ſprach von der gluͤcklichen Aus- ſicht einer ſo ſchoͤnen Reiſe, — mir war, als haͤtt’ ich Muͤhe, meine Thraͤnen zuruͤckzuhalten, — o Himmel, wie guͤtig ſie zu mir ſprach, wie jeder Ton im Innerſten meiner Seele wieder- klang, jede Silbe foderte mich auf, mich dieſer

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 58[56]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/66>, abgerufen am 19.04.2024.