Es kann und soll nicht anders seyn als es ist, überlaß es mir meine Plane zu ersinnen und zu regieren, wenn sie Dir gleich noch wunderlicher erscheinen sollten. Was kümmert es Dich, wenn ich mir ein seltsames Spielwerk erlese, das mir die Zeit ausfüllt und auf meine eigene Art meinen Geist beschäftigt? Wenn ich bemerke, auf welche sonderbare Art die eine Seele auf die andere wirken kann? Du hast wohl mehre- re Nächte unter Karten und Würfeln hinge- bracht; so vergönne mir, daß ich mir aus Men- schen ein Glücksspiel und ernsthaft lächerliches Lotto bilde, daß ich ihre Seelen gleichsam ent- körpert vor mir spielen lasse, und ihre Ver- nunft und ihr Gefühl wie Affen an Ketten hin- ter mir fühle, und danke dann dem Himmel, daß ich Dich als Freund und nicht als Spiel zeug gebrauche.
21. Andrea Coſimo an Roſa.
Rom.
Es kann und ſoll nicht anders ſeyn als es iſt, uͤberlaß es mir meine Plane zu erſinnen und zu regieren, wenn ſie Dir gleich noch wunderlicher erſcheinen ſollten. Was kuͤmmert es Dich, wenn ich mir ein ſeltſames Spielwerk erleſe, das mir die Zeit ausfuͤllt und auf meine eigene Art meinen Geiſt beſchaͤftigt? Wenn ich bemerke, auf welche ſonderbare Art die eine Seele auf die andere wirken kann? Du haſt wohl mehre- re Naͤchte unter Karten und Wuͤrfeln hinge- bracht; ſo vergoͤnne mir, daß ich mir aus Men- ſchen ein Gluͤcksſpiel und ernſthaft laͤcherliches Lotto bilde, daß ich ihre Seelen gleichſam ent- koͤrpert vor mir ſpielen laſſe, und ihre Ver- nunft und ihr Gefuͤhl wie Affen an Ketten hin- ter mir fuͤhle, und danke dann dem Himmel, daß ich Dich als Freund und nicht als Spiel zeug gebrauche.
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21.
Andrea Coſimo an Roſa.
Rom.
Es kann und ſoll nicht anders ſeyn als es iſt,
uͤberlaß es mir meine Plane zu erſinnen und zu
regieren, wenn ſie Dir gleich noch wunderlicher
erſcheinen ſollten. Was kuͤmmert es Dich, wenn
ich mir ein ſeltſames Spielwerk erleſe, das mir
die Zeit ausfuͤllt und auf meine eigene Art
meinen Geiſt beſchaͤftigt? Wenn ich bemerke,
auf welche ſonderbare Art die eine Seele auf
die andere wirken kann? Du haſt wohl mehre-
re Naͤchte unter Karten und Wuͤrfeln hinge-
bracht; ſo vergoͤnne mir, daß ich mir aus Men-
ſchen ein Gluͤcksſpiel und ernſthaft laͤcherliches
Lotto bilde, daß ich ihre Seelen gleichſam ent-
koͤrpert vor mir ſpielen laſſe, und ihre Ver-
nunft und ihr Gefuͤhl wie Affen an Ketten hin-
ter mir fuͤhle, und danke dann dem Himmel,
daß ich Dich als Freund und nicht als Spiel
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/306>, abgerufen am 08.12.2023.
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