Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

trachtungen über meine Lehrstunden in die Hän-
de fallen.

Es ist aber, als wenn der Unterricht aller
meiner Lehrer, ja selbst meines Vaters nur da-
hin ginge, daß ich lügen und mit den Worten
spielen lernte, wenigstens ist die kluge Schmei-
cheley gewiß die Poesie, die am unmittelbarsten
auf die Seele wirkt. -- Ich glaube, alle Com-
plimente die meinem Vater gemacht werden,
und die er zurückgiebt, sind nur Repetitionen
aus einem frühern Unterrichte.

Ich muß selbst die Probe an den Menschen
machen, die mich umgeben, vorzüglich am Koch
und am Gärtner. Wenn der Satz richtig ist,
so hat vielleicht jedermann eine schwache Seite,
die man ihm abgewinnen muß, um ihn nach
Gefallen zu benutzen. Das wäre wenigstens
ein sehr lustiges Leben, wenn mir plötzlich alle
Trauben des Gartens, alle Leckerbissen der Kü-
che, ja selbst alle Goldstücke meines Vaters zu
Gebote ständen.

Der Schlüssel zur ganzen Welt könnte am
Ende nichts anders, als die gepriesene Capta-
tio benevolentiae
seyn.


trachtungen uͤber meine Lehrſtunden in die Haͤn-
de fallen.

Es iſt aber, als wenn der Unterricht aller
meiner Lehrer, ja ſelbſt meines Vaters nur da-
hin ginge, daß ich luͤgen und mit den Worten
ſpielen lernte, wenigſtens iſt die kluge Schmei-
cheley gewiß die Poeſie, die am unmittelbarſten
auf die Seele wirkt. — Ich glaube, alle Com-
plimente die meinem Vater gemacht werden,
und die er zuruͤckgiebt, ſind nur Repetitionen
aus einem fruͤhern Unterrichte.

Ich muß ſelbſt die Probe an den Menſchen
machen, die mich umgeben, vorzuͤglich am Koch
und am Gaͤrtner. Wenn der Satz richtig iſt,
ſo hat vielleicht jedermann eine ſchwache Seite,
die man ihm abgewinnen muß, um ihn nach
Gefallen zu benutzen. Das waͤre wenigſtens
ein ſehr luſtiges Leben, wenn mir ploͤtzlich alle
Trauben des Gartens, alle Leckerbiſſen der Kuͤ-
che, ja ſelbſt alle Goldſtuͤcke meines Vaters zu
Gebote ſtaͤnden.

Der Schluͤſſel zur ganzen Welt koͤnnte am
Ende nichts anders, als die geprieſene Capta-
tio benevolentiae
ſeyn.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0404" n="398"/>
trachtungen u&#x0364;ber meine Lehr&#x017F;tunden in die Ha&#x0364;n-<lb/>
de fallen.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t aber, als wenn der Unterricht aller<lb/>
meiner Lehrer, ja &#x017F;elb&#x017F;t <choice><sic>meiues</sic><corr>meines</corr></choice> Vaters nur da-<lb/>
hin ginge, daß ich lu&#x0364;gen und mit den Worten<lb/>
&#x017F;pielen lernte, wenig&#x017F;tens i&#x017F;t die kluge Schmei-<lb/>
cheley gewiß die Poe&#x017F;ie, die am unmittelbar&#x017F;ten<lb/>
auf die Seele wirkt. &#x2014; Ich glaube, alle Com-<lb/>
plimente die meinem Vater gemacht werden,<lb/>
und die er zuru&#x0364;ckgiebt, &#x017F;ind nur Repetitionen<lb/>
aus einem fru&#x0364;hern Unterrichte.</p><lb/>
            <p>Ich muß &#x017F;elb&#x017F;t die Probe an den Men&#x017F;chen<lb/>
machen, die mich umgeben, vorzu&#x0364;glich am Koch<lb/>
und am Ga&#x0364;rtner. Wenn der Satz richtig i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o hat vielleicht jedermann eine &#x017F;chwache Seite,<lb/>
die man ihm abgewinnen muß, um ihn nach<lb/>
Gefallen zu benutzen. Das wa&#x0364;re wenig&#x017F;tens<lb/>
ein &#x017F;ehr lu&#x017F;tiges Leben, wenn mir plo&#x0364;tzlich alle<lb/>
Trauben des Gartens, alle Leckerbi&#x017F;&#x017F;en der Ku&#x0364;-<lb/>
che, ja &#x017F;elb&#x017F;t alle Gold&#x017F;tu&#x0364;cke meines <choice><sic>Vatets</sic><corr>Vaters</corr></choice> zu<lb/>
Gebote &#x017F;ta&#x0364;nden.</p><lb/>
            <p>Der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zur ganzen Welt ko&#x0364;nnte am<lb/>
Ende nichts anders, als die geprie&#x017F;ene <hi rendition="#aq">Capta-<lb/>
tio benevolentiae</hi> &#x017F;eyn.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0404] trachtungen uͤber meine Lehrſtunden in die Haͤn- de fallen. Es iſt aber, als wenn der Unterricht aller meiner Lehrer, ja ſelbſt meines Vaters nur da- hin ginge, daß ich luͤgen und mit den Worten ſpielen lernte, wenigſtens iſt die kluge Schmei- cheley gewiß die Poeſie, die am unmittelbarſten auf die Seele wirkt. — Ich glaube, alle Com- plimente die meinem Vater gemacht werden, und die er zuruͤckgiebt, ſind nur Repetitionen aus einem fruͤhern Unterrichte. Ich muß ſelbſt die Probe an den Menſchen machen, die mich umgeben, vorzuͤglich am Koch und am Gaͤrtner. Wenn der Satz richtig iſt, ſo hat vielleicht jedermann eine ſchwache Seite, die man ihm abgewinnen muß, um ihn nach Gefallen zu benutzen. Das waͤre wenigſtens ein ſehr luſtiges Leben, wenn mir ploͤtzlich alle Trauben des Gartens, alle Leckerbiſſen der Kuͤ- che, ja ſelbſt alle Goldſtuͤcke meines Vaters zu Gebote ſtaͤnden. Der Schluͤſſel zur ganzen Welt koͤnnte am Ende nichts anders, als die geprieſene Capta- tio benevolentiae ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/404
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/404>, abgerufen am 11.12.2024.