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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Es muß aber doch Menschen geben, die auf
dieselben Gedanken gefallen sind, und ich fürch-
te mein Vater und die mehresten alten Herren
die ihn besuchen, gehören zu diesen. Gegen
diese müßte man denn wie gegen einen ausge-
lernten Schachspieler sein Spiel maskiren, sich
als unbefangen und dumm gutmüthig ankündi-
gen, und so ihre Aufmerksamkeit einschläfern.
Ich will wenigstens gegen meinen Vater sehr
auf meiner Hut seyn, denn wenn man einmal
die Spur eines Menschen entdeckt hat, so muß
es leicht seyn, ihn zu seinem versteckten Lager
zu folgen.

Wenn Herr Wilkins nur nicht wieder dar-
auf fällt, daß ich Verse machen soll, eine and-
re Art Lügen zu bauen, die ich verabscheue,
weil sie zu gar nichts führt. Man sage mir
doch ja nicht vor, daß Empfindungen diese
trostlosen abgezirkelten Zeilen hervorbringen;
ich habe schon manchen weinen sehen, aber nie
auf eine ähnliche Art sprechen gehört. Ich be-
greife auch nicht, wie ich oder irgend jemand
durch ein fingirtes Trauerspiel gerührt werden
kann. -- Diejenigen die Trähnen vergießen
können, sind am Ende wieder eine andere Art

Es muß aber doch Menſchen geben, die auf
dieſelben Gedanken gefallen ſind, und ich fuͤrch-
te mein Vater und die mehreſten alten Herren
die ihn beſuchen, gehoͤren zu dieſen. Gegen
dieſe muͤßte man denn wie gegen einen ausge-
lernten Schachſpieler ſein Spiel maskiren, ſich
als unbefangen und dumm gutmuͤthig ankuͤndi-
gen, und ſo ihre Aufmerkſamkeit einſchlaͤfern.
Ich will wenigſtens gegen meinen Vater ſehr
auf meiner Hut ſeyn, denn wenn man einmal
die Spur eines Menſchen entdeckt hat, ſo muß
es leicht ſeyn, ihn zu ſeinem verſteckten Lager
zu folgen.

Wenn Herr Wilkins nur nicht wieder dar-
auf faͤllt, daß ich Verſe machen ſoll, eine and-
re Art Luͤgen zu bauen, die ich verabſcheue,
weil ſie zu gar nichts fuͤhrt. Man ſage mir
doch ja nicht vor, daß Empfindungen dieſe
troſtloſen abgezirkelten Zeilen hervorbringen;
ich habe ſchon manchen weinen ſehen, aber nie
auf eine aͤhnliche Art ſprechen gehoͤrt. Ich be-
greife auch nicht, wie ich oder irgend jemand
durch ein fingirtes Trauerſpiel geruͤhrt werden
kann. — Diejenigen die Traͤhnen vergießen
koͤnnen, ſind am Ende wieder eine andere Art

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[399/0405] Es muß aber doch Menſchen geben, die auf dieſelben Gedanken gefallen ſind, und ich fuͤrch- te mein Vater und die mehreſten alten Herren die ihn beſuchen, gehoͤren zu dieſen. Gegen dieſe muͤßte man denn wie gegen einen ausge- lernten Schachſpieler ſein Spiel maskiren, ſich als unbefangen und dumm gutmuͤthig ankuͤndi- gen, und ſo ihre Aufmerkſamkeit einſchlaͤfern. Ich will wenigſtens gegen meinen Vater ſehr auf meiner Hut ſeyn, denn wenn man einmal die Spur eines Menſchen entdeckt hat, ſo muß es leicht ſeyn, ihn zu ſeinem verſteckten Lager zu folgen. Wenn Herr Wilkins nur nicht wieder dar- auf faͤllt, daß ich Verſe machen ſoll, eine and- re Art Luͤgen zu bauen, die ich verabſcheue, weil ſie zu gar nichts fuͤhrt. Man ſage mir doch ja nicht vor, daß Empfindungen dieſe troſtloſen abgezirkelten Zeilen hervorbringen; ich habe ſchon manchen weinen ſehen, aber nie auf eine aͤhnliche Art ſprechen gehoͤrt. Ich be- greife auch nicht, wie ich oder irgend jemand durch ein fingirtes Trauerſpiel geruͤhrt werden kann. — Diejenigen die Traͤhnen vergießen koͤnnen, ſind am Ende wieder eine andere Art

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/405>, abgerufen am 04.12.2024.