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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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alles beßer wüstest und dir das Herz nicht
mehr so warm schlüge, wenn du dann mit
kaltem Blute nach Dürers Grabstein hin¬
sehn könntest und du höchstens über die Ar¬
beit und Innschrift sprächest, -- o so möcht' ich
dich gar nicht wiedersehn, dich gar nicht für
meinen Bruder erkennen.

Sebastian! bin ich denn so? rief Franz
heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja
dich und mein Vaterland und die Stube,
worinn unser Meister wohnt und die Natur
und Gott. Immer werd' ich daran hangen,
immer, immer! Sieh, hier, an diesem alten
Eichenbaum verspreche ich es dir, hier hast
du meine Hand darauf.

Sie umarmten sich und giengen stumm
auseinander, nach einer Weile stand Franz
still, dann lief er dem Sebastian nach und
umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, sagte
er, und wenn Dürer den Ecce homo fertig

alles beßer wüſteſt und dir das Herz nicht
mehr ſo warm ſchlüge, wenn du dann mit
kaltem Blute nach Dürers Grabſtein hin¬
ſehn könnteſt und du höchſtens über die Ar¬
beit und Innſchrift ſprächeſt, — o ſo möcht' ich
dich gar nicht wiederſehn, dich gar nicht für
meinen Bruder erkennen.

Sebaſtian! bin ich denn ſo? rief Franz
heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja
dich und mein Vaterland und die Stube,
worinn unſer Meiſter wohnt und die Natur
und Gott. Immer werd' ich daran hangen,
immer, immer! Sieh, hier, an dieſem alten
Eichenbaum verſpreche ich es dir, hier haſt
du meine Hand darauf.

Sie umarmten ſich und giengen ſtumm
auseinander, nach einer Weile ſtand Franz
ſtill, dann lief er dem Sebaſtian nach und
umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, ſagte
er, und wenn Dürer den Ecce homo fertig

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[20/0031] alles beßer wüſteſt und dir das Herz nicht mehr ſo warm ſchlüge, wenn du dann mit kaltem Blute nach Dürers Grabſtein hin¬ ſehn könnteſt und du höchſtens über die Ar¬ beit und Innſchrift ſprächeſt, — o ſo möcht' ich dich gar nicht wiederſehn, dich gar nicht für meinen Bruder erkennen. Sebaſtian! bin ich denn ſo? rief Franz heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja dich und mein Vaterland und die Stube, worinn unſer Meiſter wohnt und die Natur und Gott. Immer werd' ich daran hangen, immer, immer! Sieh, hier, an dieſem alten Eichenbaum verſpreche ich es dir, hier haſt du meine Hand darauf. Sie umarmten ſich und giengen ſtumm auseinander, nach einer Weile ſtand Franz ſtill, dann lief er dem Sebaſtian nach und umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, ſagte er, und wenn Dürer den Ecce homo fertig

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/31>, abgerufen am 29.03.2024.