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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Es ist, als wenn die Quellen schwiegen,
Ihm dünkt, als dunkle Schatten stiegen,
Und löschten des Waldes grüne Flammen,
Es falten die Blumen den Putz zusammen.
Die freundlichen Blüthen sind nun fort,
Und Früchte stehn an selbigem Ort;
Die Nachtigall versteckt die Gesänge im Wald'
Nur Echo durch die Einsamkeit schallt.
"Morgenröthe bist Du nach Haus gegangen?
Ruft das Kind, und streckt die Händ' und weint;
O komm', ich bin erlös't vom Bangen,
Du wolltest mich mit goldnen Netzen fangen,
Du hast es gewiß nicht böse gemeint.
Ich will mich gerne drein ergeben,
Es kann und soll nicht anders seyn:
Ich opfre Dir mein junges Leben,
O, komm' zurück, Du Himmelsschein!"
Aber hoch und höher steigt das Licht,
Und bescheint das thränende Gesicht;
Die Nachtigall flieht waldwärts weiter,
Quell wird zum Fluß und immer breiter.
Es iſt, als wenn die Quellen ſchwiegen,
Ihm dünkt, als dunkle Schatten ſtiegen,
Und löſchten des Waldes grüne Flammen,
Es falten die Blumen den Putz zuſammen.
Die freundlichen Blüthen ſind nun fort,
Und Früchte ſtehn an ſelbigem Ort;
Die Nachtigall verſteckt die Geſänge im Wald'
Nur Echo durch die Einſamkeit ſchallt.
»Morgenröthe biſt Du nach Haus gegangen?
Ruft das Kind, und ſtreckt die Händ' und weint;
O komm', ich bin erlöſ't vom Bangen,
Du wollteſt mich mit goldnen Netzen fangen,
Du haſt es gewiß nicht böſe gemeint.
Ich will mich gerne drein ergeben,
Es kann und ſoll nicht anders ſeyn:
Ich opfre Dir mein junges Leben,
O, komm' zurück, Du Himmelsſchein!«
Aber hoch und höher ſteigt das Licht,
Und beſcheint das thränende Geſicht;
Die Nachtigall flieht waldwärts weiter,
Quell wird zum Fluß und immer breiter.
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[7/0015] Es iſt, als wenn die Quellen ſchwiegen, Ihm dünkt, als dunkle Schatten ſtiegen, Und löſchten des Waldes grüne Flammen, Es falten die Blumen den Putz zuſammen. Die freundlichen Blüthen ſind nun fort, Und Früchte ſtehn an ſelbigem Ort; Die Nachtigall verſteckt die Geſänge im Wald' Nur Echo durch die Einſamkeit ſchallt. »Morgenröthe biſt Du nach Haus gegangen? Ruft das Kind, und ſtreckt die Händ' und weint; O komm', ich bin erlöſ't vom Bangen, Du wollteſt mich mit goldnen Netzen fangen, Du haſt es gewiß nicht böſe gemeint. Ich will mich gerne drein ergeben, Es kann und ſoll nicht anders ſeyn: Ich opfre Dir mein junges Leben, O, komm' zurück, Du Himmelsſchein!« Aber hoch und höher ſteigt das Licht, Und beſcheint das thränende Geſicht; Die Nachtigall flieht waldwärts weiter, Quell wird zum Fluß und immer breiter.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/15>, abgerufen am 29.03.2024.