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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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seyn von ihr, dies Streben meines Geistes,
sie gegenwärtig zu machen und zu besitzen,
meine Begeisterung war, als ich das Bild
mahlte. Darum gab ich es auch so ungern
aus meinen Händen, und seitdem ist meine
Phantasie noch ungewisser; denn manchmal
steht nur die gemahlte Madonna vor mei¬
nen Augen, und ich denke dann, genau so
müsse die Unbekannte gestaltet seyn. Wenn
ich sie einst finden sollte, würde dann viel¬
leicht mein Künstlertalent seine Endschaft
erreicht haben? -- Nein, ich will es nicht
glauben.

Festen Muths wie ein Eroberer will ich
in das Gebiet der Kunst vorrücken; ich fühle
es ja, wie mein Herz für das Edle und
Schöne entzückt ist, es ist also mein Gebiet,
mein Eigenthum, ich darf darin schalten
und mich einheimisch fühlen.

Wirf mir nicht Stolz vor, Sebastian;

denn

ſeyn von ihr, dies Streben meines Geiſtes,
ſie gegenwärtig zu machen und zu beſitzen,
meine Begeiſterung war, als ich das Bild
mahlte. Darum gab ich es auch ſo ungern
aus meinen Händen, und ſeitdem iſt meine
Phantaſie noch ungewiſſer; denn manchmal
ſteht nur die gemahlte Madonna vor mei¬
nen Augen, und ich denke dann, genau ſo
müſſe die Unbekannte geſtaltet ſeyn. Wenn
ich ſie einſt finden ſollte, würde dann viel¬
leicht mein Künſtlertalent ſeine Endſchaft
erreicht haben? — Nein, ich will es nicht
glauben.

Feſten Muths wie ein Eroberer will ich
in das Gebiet der Kunſt vorrücken; ich fühle
es ja, wie mein Herz für das Edle und
Schöne entzückt iſt, es iſt alſo mein Gebiet,
mein Eigenthum, ich darf darin ſchalten
und mich einheimiſch fühlen.

Wirf mir nicht Stolz vor, Sebaſtian;

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[16/0024] ſeyn von ihr, dies Streben meines Geiſtes, ſie gegenwärtig zu machen und zu beſitzen, meine Begeiſterung war, als ich das Bild mahlte. Darum gab ich es auch ſo ungern aus meinen Händen, und ſeitdem iſt meine Phantaſie noch ungewiſſer; denn manchmal ſteht nur die gemahlte Madonna vor mei¬ nen Augen, und ich denke dann, genau ſo müſſe die Unbekannte geſtaltet ſeyn. Wenn ich ſie einſt finden ſollte, würde dann viel¬ leicht mein Künſtlertalent ſeine Endſchaft erreicht haben? — Nein, ich will es nicht glauben. Feſten Muths wie ein Eroberer will ich in das Gebiet der Kunſt vorrücken; ich fühle es ja, wie mein Herz für das Edle und Schöne entzückt iſt, es iſt alſo mein Gebiet, mein Eigenthum, ich darf darin ſchalten und mich einheimiſch fühlen. Wirf mir nicht Stolz vor, Sebaſtian; denn

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/24>, abgerufen am 18.04.2024.