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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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So ist mein Gemüth auf's heftigste von
zwei neuen großen Meistern bewegt, vom
venetianischen Titian, und von dem aller¬
lieblichsten Antonio Allegri von Cor¬
reggio
. Ich habe, möcht' ich sagen, alle
übrige Kunst vergessen, indem diese edlen
Künstler mein Gemüth erfüllen, doch hat
der letztere auch beinahe den erstern ver¬
drängt. Ich weiß mir in meinen Gedanken
nichts Holdseligers vorzustellen, als er uns
vor die Augen bringt, die Welt hat keine
so liebliche, so vollreizende Gestalten, als er
zu mahlen versteht. Es ist, als hätte der
Gott der Liebe selber in seiner Behausung
gearbeitet und ihm die Hand geführt. We¬
nigstens sollte sich nach ihm keiner unterfan¬
gen, Liebe und Wollust darzustellen, denn
keinem andern Geiste hat sich so das Glor¬
reiche der Sinnenwelt offenbart.

Es ist etwas Köstliches, Unbezahlbares,

So iſt mein Gemüth auf's heftigſte von
zwei neuen großen Meiſtern bewegt, vom
venetianiſchen Titian, und von dem aller¬
lieblichſten Antonio Allegri von Cor¬
reggio
. Ich habe, möcht' ich ſagen, alle
übrige Kunſt vergeſſen, indem dieſe edlen
Künſtler mein Gemüth erfüllen, doch hat
der letztere auch beinahe den erſtern ver¬
drängt. Ich weiß mir in meinen Gedanken
nichts Holdſeligers vorzuſtellen, als er uns
vor die Augen bringt, die Welt hat keine
ſo liebliche, ſo vollreizende Geſtalten, als er
zu mahlen verſteht. Es iſt, als hätte der
Gott der Liebe ſelber in ſeiner Behauſung
gearbeitet und ihm die Hand geführt. We¬
nigſtens ſollte ſich nach ihm keiner unterfan¬
gen, Liebe und Wolluſt darzuſtellen, denn
keinem andern Geiſte hat ſich ſo das Glor¬
reiche der Sinnenwelt offenbart.

Es iſt etwas Köſtliches, Unbezahlbares,

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[346/0354] So iſt mein Gemüth auf's heftigſte von zwei neuen großen Meiſtern bewegt, vom venetianiſchen Titian, und von dem aller¬ lieblichſten Antonio Allegri von Cor¬ reggio. Ich habe, möcht' ich ſagen, alle übrige Kunſt vergeſſen, indem dieſe edlen Künſtler mein Gemüth erfüllen, doch hat der letztere auch beinahe den erſtern ver¬ drängt. Ich weiß mir in meinen Gedanken nichts Holdſeligers vorzuſtellen, als er uns vor die Augen bringt, die Welt hat keine ſo liebliche, ſo vollreizende Geſtalten, als er zu mahlen verſteht. Es iſt, als hätte der Gott der Liebe ſelber in ſeiner Behauſung gearbeitet und ihm die Hand geführt. We¬ nigſtens ſollte ſich nach ihm keiner unterfan¬ gen, Liebe und Wolluſt darzuſtellen, denn keinem andern Geiſte hat ſich ſo das Glor¬ reiche der Sinnenwelt offenbart. Es iſt etwas Köſtliches, Unbezahlbares,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/354>, abgerufen am 25.04.2024.