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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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und Bewegung gezaubert hat; die bunte
freundliche Welt, die aus ihm hervorgegan¬
gen war, stand nun neben der blassen Lei¬
che. Ganz Rom war in Bewegung, und
keiner von denen, die es sahen, konnte sich
der Thränen enthalten.

Nein, rief Franz aus, wer wollte sich
der Thränen bei solchem Anblick enthalten?
Was können wir denn den großen Kunst¬
geistern zum Dank anders widmen, als un¬
ser volles, entzücktes Herz, unsre andächtige
Verehrung? Für diese unbefangene, kind¬
liche Rührung, für diese völlige Hingebung
unsres eigenthümlichen Selbsts, für diesen
vollen Glauben an ihre edle Trefflichkeit
haben sie gearbeitet; dies ist ihr größter und
ihr einziger Lohn. Kommen mir doch jetzt
die Thränen in die Augen, wenn ich mir
den Abgeschiedenen da liegen denke, unter
seinen Gemählden, seine letzte Schöpfung

und Bewegung gezaubert hat; die bunte
freundliche Welt, die aus ihm hervorgegan¬
gen war, ſtand nun neben der blaſſen Lei¬
che. Ganz Rom war in Bewegung, und
keiner von denen, die es ſahen, konnte ſich
der Thränen enthalten.

Nein, rief Franz aus, wer wollte ſich
der Thränen bei ſolchem Anblick enthalten?
Was können wir denn den großen Kunſt¬
geiſtern zum Dank anders widmen, als un¬
ſer volles, entzücktes Herz, unſre andächtige
Verehrung? Für dieſe unbefangene, kind¬
liche Rührung, für dieſe völlige Hingebung
unſres eigenthümlichen Selbſts, für dieſen
vollen Glauben an ihre edle Trefflichkeit
haben ſie gearbeitet; dies iſt ihr größter und
ihr einziger Lohn. Kommen mir doch jetzt
die Thränen in die Augen, wenn ich mir
den Abgeſchiedenen da liegen denke, unter
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[39/0047] und Bewegung gezaubert hat; die bunte freundliche Welt, die aus ihm hervorgegan¬ gen war, ſtand nun neben der blaſſen Lei¬ che. Ganz Rom war in Bewegung, und keiner von denen, die es ſahen, konnte ſich der Thränen enthalten. Nein, rief Franz aus, wer wollte ſich der Thränen bei ſolchem Anblick enthalten? Was können wir denn den großen Kunſt¬ geiſtern zum Dank anders widmen, als un¬ ſer volles, entzücktes Herz, unſre andächtige Verehrung? Für dieſe unbefangene, kind¬ liche Rührung, für dieſe völlige Hingebung unſres eigenthümlichen Selbſts, für dieſen vollen Glauben an ihre edle Trefflichkeit haben ſie gearbeitet; dies iſt ihr größter und ihr einziger Lohn. Kommen mir doch jetzt die Thränen in die Augen, wenn ich mir den Abgeſchiedenen da liegen denke, unter ſeinen Gemählden, ſeine letzte Schöpfung

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/47>, abgerufen am 19.04.2024.