Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

seinem Gutfinden überlaße, ob er billig und menschlig verfaren wolle oder grausam und als ein Wüterich: Die meisten haben sich der Kriegesmacht bedienet als eines Mittels die vormaligen Schranken zudurchbrechen und alle Rechte der Stände plözlig oder almälig aufzuheben: wen aber diese gleich sich derselben ohne allen Zwang begeben hätten, so müste die Besorgung der gemeinen Wolfarth als eine stilschweigende Bedingung angesehen werden, die man aus Einfalt gehoffet und vorausgesezet hätte; würden also die Nachkommen wieder in die Rechte ihrer Vorfaren treten, wen der Fürst mit offenbaren Misbrauche der Gewalt sich derselben verlustig machte: und wen jene lieber Unrecht dulden, als verderblige Unruhen erregen; so sind Fürsten, die den häufigen Misbrauch einsehen können, im Gewißen verpflichtet sich auf ihre Nachkommen der unbegrenzten Gewalt wieder zubegeben: am wenigsten kan aus einer stilschweigenden und vermutheten Einwilligung dergleichen Gewalt hergeleitet werden. Es ist eine sehr unnatürlige Vermuthung, vermöge deren man annimt, daß jemand sich dem Willen anderer dergestalt unterwerfe, daß diese andere eben dadurch das Recht erhalten, ihn auf alle Art einzuschränken, ihm alles das zurauben, was dem Menschen angenem und in gewißer Betrachtung unentbehrlig ist, und ihm das traurigste Schiksal, das sich nur erdenken läßt, anzuweisen.

seinem Gutfinden überlaße, ob er billig und menschlig verfaren wolle oder grausam und als ein Wüterich: Die meisten haben sich der Kriegesmacht bedienet als eines Mittels die vormaligen Schranken zudurchbrechen und alle Rechte der Stände plözlig oder almälig aufzuheben: wen aber diese gleich sich derselben ohne allen Zwang begeben hätten, so müste die Besorgung der gemeinen Wolfarth als eine stilschweigende Bedingung angesehen werden, die man aus Einfalt gehoffet und vorausgesezet hätte; würden also die Nachkommen wieder in die Rechte ihrer Vorfaren treten, wen der Fürst mit offenbaren Misbrauche der Gewalt sich derselben verlustig machte: und wen jene lieber Unrecht dulden, als verderblige Unruhen erregen; so sind Fürsten, die den häufigen Misbrauch einsehen können, im Gewißen verpflichtet sich auf ihre Nachkommen der unbegrenzten Gewalt wieder zubegeben: am wenigsten kan aus einer stilschweigenden und vermutheten Einwilligung dergleichen Gewalt hergeleitet werden. Es ist eine sehr unnatürlige Vermuthung, vermöge deren man annimt, daß jemand sich dem Willen anderer dergestalt unterwerfe, daß diese andere eben dadurch das Recht erhalten, ihn auf alle Art einzuschränken, ihm alles das zurauben, was dem Menschen angenem und in gewißer Betrachtung unentbehrlig ist, und ihm das traurigste Schiksal, das sich nur erdenken läßt, anzuweisen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0916" n="904"/>
seinem Gutfinden überlaße, ob er billig und                      menschlig verfaren wolle oder grausam und als ein Wüterich: Die meisten haben                      sich der Kriegesmacht bedienet als eines Mittels die vormaligen Schranken                      zudurchbrechen und alle Rechte der Stände plözlig oder almälig aufzuheben: wen                      aber diese gleich sich derselben ohne allen Zwang begeben hätten, so müste die                      Besorgung der gemeinen Wolfarth als eine stilschweigende Bedingung angesehen                      werden, die man aus Einfalt gehoffet und vorausgesezet hätte; würden also die                      Nachkommen wieder in die Rechte ihrer Vorfaren treten, wen der Fürst mit                      offenbaren Misbrauche der Gewalt sich derselben verlustig machte: und wen jene                      lieber Unrecht dulden, als verderblige Unruhen erregen; so sind Fürsten, die den                      häufigen Misbrauch einsehen können, im Gewißen verpflichtet sich auf ihre                      Nachkommen der unbegrenzten Gewalt wieder zubegeben: am wenigsten kan aus einer                      stilschweigenden und vermutheten Einwilligung dergleichen Gewalt hergeleitet                      werden. Es ist eine sehr unnatürlige Vermuthung, vermöge deren man annimt, daß                      jemand sich dem Willen anderer dergestalt unterwerfe, daß diese andere eben                      dadurch das Recht erhalten, ihn auf alle Art einzuschränken, ihm alles das                      zurauben, was dem Menschen angenem und in gewißer Betrachtung unentbehrlig ist,                      und ihm das traurigste Schiksal, das sich nur erdenken läßt, anzuweisen.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[904/0916] seinem Gutfinden überlaße, ob er billig und menschlig verfaren wolle oder grausam und als ein Wüterich: Die meisten haben sich der Kriegesmacht bedienet als eines Mittels die vormaligen Schranken zudurchbrechen und alle Rechte der Stände plözlig oder almälig aufzuheben: wen aber diese gleich sich derselben ohne allen Zwang begeben hätten, so müste die Besorgung der gemeinen Wolfarth als eine stilschweigende Bedingung angesehen werden, die man aus Einfalt gehoffet und vorausgesezet hätte; würden also die Nachkommen wieder in die Rechte ihrer Vorfaren treten, wen der Fürst mit offenbaren Misbrauche der Gewalt sich derselben verlustig machte: und wen jene lieber Unrecht dulden, als verderblige Unruhen erregen; so sind Fürsten, die den häufigen Misbrauch einsehen können, im Gewißen verpflichtet sich auf ihre Nachkommen der unbegrenzten Gewalt wieder zubegeben: am wenigsten kan aus einer stilschweigenden und vermutheten Einwilligung dergleichen Gewalt hergeleitet werden. Es ist eine sehr unnatürlige Vermuthung, vermöge deren man annimt, daß jemand sich dem Willen anderer dergestalt unterwerfe, daß diese andere eben dadurch das Recht erhalten, ihn auf alle Art einzuschränken, ihm alles das zurauben, was dem Menschen angenem und in gewißer Betrachtung unentbehrlig ist, und ihm das traurigste Schiksal, das sich nur erdenken läßt, anzuweisen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/916
Zitationshilfe: Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. 904. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/916>, abgerufen am 28.03.2024.