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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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Angebot seiner Käufer erwartet, um möglichst hohen Preis
herauszuschlagen; dies sind Möglichkeiten, aber werden erst
wahrscheinlich, je mehr sich die vermittelnden Nichtarbeiter
der Dinge bemächtigen. Und es bleibt uns die Vermuthung
dafür, dass in einer Verbindung von Stadt und Land, welche,
dasselbe für gut und recht achtend, durch Verwandtschaft
und Freundschaft vielfache Beziehungen ausserhalb jener
Tauschacte unterhält, in Versammlungsstätten und Heilig-
thümern gemeinsamer Mittelpunkte theilhaftig ist, ein brüder-
licher Geist der Mittheilung und gern gewährter Gabe, gegen
den natürlichen Wunsch das Seine festzuhalten, oder von
den fremden Gütern möglichst grosse Mengen zu erwerben,
in irgendwelcher Stärke lebendig bleibe. -- Ein ähnliches
Verhältniss erhält wohl auch sich in dem lebhafteren Aus-
tausch zwischen Stadt und Stadt, jedoch weniger im gemein-
schaftlichen Sinne begünstigt, sofern dazu Verwandtschaft
und Nähe und der uncommercielle Charakter der Land-
bewohner dazu beiträgt. -- Ferner aber können die höheren
Functionen in einem solchen socialen Körper, diejenigen der
Leitung, animalischer und mentaler, wenn sie gesondert
vorhanden sind, keineswegs als Feilbietung und Verkauf
von Waaren begriffen werden. Sondern sie werden organisch
unterhalten, ernährt, gepflegt, aus gemeinschaftlichem Willen,
daher durch die Kräfte, welche er verfügbar hat, in Gestalt
von Ehrengeschenken, Abgaben, Frohnden. Der Austausch
derselben gegen Dienst-Leistungen, welche jene Functionen
darstellen, ist nichts als eine Form, unter welcher dieses
Verhältniss als ein gegenseitiges deutlich gemacht werden
darf. Es kann aber allerdings sich dahin entwickeln, dass
der Ausdruck als ein adäquater gelten muss, innerhalb
der Beschränkung, in welcher überhaupt die Fähigkeit
und der bedingte Wunsch zu gewissen Verrichtungen
einer an den Markt gebrachten Waare gleich geachtet
werden kann.

§ 16.

Nach Analogie des Hauses werden hier als die am
meisten abgegrenzten Gestaltungen gemeinschaftlichen Be-

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Angebot seiner Käufer erwartet, um möglichst hohen Preis
herauszuschlagen; dies sind Möglichkeiten, aber werden erst
wahrscheinlich, je mehr sich die vermittelnden Nichtarbeiter
der Dinge bemächtigen. Und es bleibt uns die Vermuthung
dafür, dass in einer Verbindung von Stadt und Land, welche,
dasselbe für gut und recht achtend, durch Verwandtschaft
und Freundschaft vielfache Beziehungen ausserhalb jener
Tauschacte unterhält, in Versammlungsstätten und Heilig-
thümern gemeinsamer Mittelpunkte theilhaftig ist, ein brüder-
licher Geist der Mittheilung und gern gewährter Gabe, gegen
den natürlichen Wunsch das Seine festzuhalten, oder von
den fremden Gütern möglichst grosse Mengen zu erwerben,
in irgendwelcher Stärke lebendig bleibe. — Ein ähnliches
Verhältniss erhält wohl auch sich in dem lebhafteren Aus-
tausch zwischen Stadt und Stadt, jedoch weniger im gemein-
schaftlichen Sinne begünstigt, sofern dazu Verwandtschaft
und Nähe und der uncommercielle Charakter der Land-
bewohner dazu beiträgt. — Ferner aber können die höheren
Functionen in einem solchen socialen Körper, diejenigen der
Leitung, animalischer und mentaler, wenn sie gesondert
vorhanden sind, keineswegs als Feilbietung und Verkauf
von Waaren begriffen werden. Sondern sie werden organisch
unterhalten, ernährt, gepflegt, aus gemeinschaftlichem Willen,
daher durch die Kräfte, welche er verfügbar hat, in Gestalt
von Ehrengeschenken, Abgaben, Frohnden. Der Austausch
derselben gegen Dienst-Leistungen, welche jene Functionen
darstellen, ist nichts als eine Form, unter welcher dieses
Verhältniss als ein gegenseitiges deutlich gemacht werden
darf. Es kann aber allerdings sich dahin entwickeln, dass
der Ausdruck als ein adäquater gelten muss, innerhalb
der Beschränkung, in welcher überhaupt die Fähigkeit
und der bedingte Wunsch zu gewissen Verrichtungen
einer an den Markt gebrachten Waare gleich geachtet
werden kann.

§ 16.

Nach Analogie des Hauses werden hier als die am
meisten abgegrenzten Gestaltungen gemeinschaftlichen Be-

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[35/0071] Angebot seiner Käufer erwartet, um möglichst hohen Preis herauszuschlagen; dies sind Möglichkeiten, aber werden erst wahrscheinlich, je mehr sich die vermittelnden Nichtarbeiter der Dinge bemächtigen. Und es bleibt uns die Vermuthung dafür, dass in einer Verbindung von Stadt und Land, welche, dasselbe für gut und recht achtend, durch Verwandtschaft und Freundschaft vielfache Beziehungen ausserhalb jener Tauschacte unterhält, in Versammlungsstätten und Heilig- thümern gemeinsamer Mittelpunkte theilhaftig ist, ein brüder- licher Geist der Mittheilung und gern gewährter Gabe, gegen den natürlichen Wunsch das Seine festzuhalten, oder von den fremden Gütern möglichst grosse Mengen zu erwerben, in irgendwelcher Stärke lebendig bleibe. — Ein ähnliches Verhältniss erhält wohl auch sich in dem lebhafteren Aus- tausch zwischen Stadt und Stadt, jedoch weniger im gemein- schaftlichen Sinne begünstigt, sofern dazu Verwandtschaft und Nähe und der uncommercielle Charakter der Land- bewohner dazu beiträgt. — Ferner aber können die höheren Functionen in einem solchen socialen Körper, diejenigen der Leitung, animalischer und mentaler, wenn sie gesondert vorhanden sind, keineswegs als Feilbietung und Verkauf von Waaren begriffen werden. Sondern sie werden organisch unterhalten, ernährt, gepflegt, aus gemeinschaftlichem Willen, daher durch die Kräfte, welche er verfügbar hat, in Gestalt von Ehrengeschenken, Abgaben, Frohnden. Der Austausch derselben gegen Dienst-Leistungen, welche jene Functionen darstellen, ist nichts als eine Form, unter welcher dieses Verhältniss als ein gegenseitiges deutlich gemacht werden darf. Es kann aber allerdings sich dahin entwickeln, dass der Ausdruck als ein adäquater gelten muss, innerhalb der Beschränkung, in welcher überhaupt die Fähigkeit und der bedingte Wunsch zu gewissen Verrichtungen einer an den Markt gebrachten Waare gleich geachtet werden kann. § 16. Nach Analogie des Hauses werden hier als die am meisten abgegrenzten Gestaltungen gemeinschaftlichen Be- 3*

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/71>, abgerufen am 18.04.2024.