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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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selben, als feste Burg ausgezeichnet. Jedoch die eigentliche
Macht wächst erst dem Feudalherrn zu, wenn er im Namen
der Gemeinde Functionen vollzieht, deren Ergebnisse haupt-
sächlich zu seinem eigenen Nutzen gereichen; woraus dann
erfolgen muss, dass auch die Functionen selber nur noch
als in seinem eigenen Namen geschehend erscheinen. Dies
hat seinen besonderen Bezug auf die Verwaltung des un-
vertheilten Landes, welches, je weniger es ausnutzbar und
erschöpflich ist, desto eher ihm überlassen bleiben kann;
daher Wald mehr als Weide; Wüstland mehr als Wald.
Ja das wüste "Unland" wird wohl gar als nicht einmal zur
Feldmark gehörig betrachtet, daher vielmehr einem höheren
Verbande (dem Gau oder dem Lande) zustehend, also von
dessen Herren verwaltet, die es wiederum den kleineren
Baronen zu Lehen geben. Ein solcher nun besetzt, was
etwa den Anbau zu lohnen scheint, mit seinen Leuten;
denn mit zunehmender Volksmenge hat er als Jagd- und
Kriegs-Ritter ein immer grösseres Gefolge von Dienstmannen
in und um seine Hofstätte versammeln können, die aber
endlich mehr verzehren, als Jagd- und Kriegsbeute zu-
sammen mit Abgaben und eigenen Ackererträgen des
Herren zu leisten vermögen; sie lassen also selber als Bauern
und Viehzüchter sich nieder und werden dazu mit Vieh-
Stapel (woher der Name des Fe-od), Geräthen, Saatkorn aus-
gerüstet. Um so enger bleiben sie dem Herren verbunden
und zu Hofdiensten wie Heeresfolge verpflichtet. Sie haben
ihr Eigenthum. Aber dasselbe ist nicht, wie das der Gemein-
freien, aus ihrer eigenen Genossenschaft, der Gemeinde, zu-
nächst abgeleitet, sondern aus der Gemeinschaft mit ihrem
Herren und bleibt als oberes Eigenthum -- worin die später
getrennten Ideen der Gebietshoheit und des Grundbesitzes
ihre Einheit haben -- in seiner Hand. Wenn nun dieses
Ober-Eigenthum nach der richtigen, d. i. in Natur der
Sache und Herkommen, Eintracht und Sitte begründeten
Auffassung, der Gemeinschaft und Einheit von Ge-
meinde und Herrn zusteht, so kann doch dieser Gelegenheit
und Versuchung haben, zumal in Bezug auf diese minder-
werthigen Theile, es ganz und gar als seine alleinige Gerecht-
same auszuüben, und endlich auch die Freien, nebst ihren

selben, als feste Burg ausgezeichnet. Jedoch die eigentliche
Macht wächst erst dem Feudalherrn zu, wenn er im Namen
der Gemeinde Functionen vollzieht, deren Ergebnisse haupt-
sächlich zu seinem eigenen Nutzen gereichen; woraus dann
erfolgen muss, dass auch die Functionen selber nur noch
als in seinem eigenen Namen geschehend erscheinen. Dies
hat seinen besonderen Bezug auf die Verwaltung des un-
vertheilten Landes, welches, je weniger es ausnutzbar und
erschöpflich ist, desto eher ihm überlassen bleiben kann;
daher Wald mehr als Weide; Wüstland mehr als Wald.
Ja das wüste »Unland« wird wohl gar als nicht einmal zur
Feldmark gehörig betrachtet, daher vielmehr einem höheren
Verbande (dem Gau oder dem Lande) zustehend, also von
dessen Herren verwaltet, die es wiederum den kleineren
Baronen zu Lehen geben. Ein solcher nun besetzt, was
etwa den Anbau zu lohnen scheint, mit seinen Leuten;
denn mit zunehmender Volksmenge hat er als Jagd- und
Kriegs-Ritter ein immer grösseres Gefolge von Dienstmannen
in und um seine Hofstätte versammeln können, die aber
endlich mehr verzehren, als Jagd- und Kriegsbeute zu-
sammen mit Abgaben und eigenen Ackererträgen des
Herren zu leisten vermögen; sie lassen also selber als Bauern
und Viehzüchter sich nieder und werden dazu mit Vieh-
Stapel (woher der Name des Fe-od), Geräthen, Saatkorn aus-
gerüstet. Um so enger bleiben sie dem Herren verbunden
und zu Hofdiensten wie Heeresfolge verpflichtet. Sie haben
ihr Eigenthum. Aber dasselbe ist nicht, wie das der Gemein-
freien, aus ihrer eigenen Genossenschaft, der Gemeinde, zu-
nächst abgeleitet, sondern aus der Gemeinschaft mit ihrem
Herren und bleibt als oberes Eigenthum — worin die später
getrennten Ideen der Gebietshoheit und des Grundbesitzes
ihre Einheit haben — in seiner Hand. Wenn nun dieses
Ober-Eigenthum nach der richtigen, d. i. in Natur der
Sache und Herkommen, Eintracht und Sitte begründeten
Auffassung, der Gemeinschaft und Einheit von Ge-
meinde und Herrn zusteht, so kann doch dieser Gelegenheit
und Versuchung haben, zumal in Bezug auf diese minder-
werthigen Theile, es ganz und gar als seine alleinige Gerecht-
same auszuüben, und endlich auch die Freien, nebst ihren

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[37/0073] selben, als feste Burg ausgezeichnet. Jedoch die eigentliche Macht wächst erst dem Feudalherrn zu, wenn er im Namen der Gemeinde Functionen vollzieht, deren Ergebnisse haupt- sächlich zu seinem eigenen Nutzen gereichen; woraus dann erfolgen muss, dass auch die Functionen selber nur noch als in seinem eigenen Namen geschehend erscheinen. Dies hat seinen besonderen Bezug auf die Verwaltung des un- vertheilten Landes, welches, je weniger es ausnutzbar und erschöpflich ist, desto eher ihm überlassen bleiben kann; daher Wald mehr als Weide; Wüstland mehr als Wald. Ja das wüste »Unland« wird wohl gar als nicht einmal zur Feldmark gehörig betrachtet, daher vielmehr einem höheren Verbande (dem Gau oder dem Lande) zustehend, also von dessen Herren verwaltet, die es wiederum den kleineren Baronen zu Lehen geben. Ein solcher nun besetzt, was etwa den Anbau zu lohnen scheint, mit seinen Leuten; denn mit zunehmender Volksmenge hat er als Jagd- und Kriegs-Ritter ein immer grösseres Gefolge von Dienstmannen in und um seine Hofstätte versammeln können, die aber endlich mehr verzehren, als Jagd- und Kriegsbeute zu- sammen mit Abgaben und eigenen Ackererträgen des Herren zu leisten vermögen; sie lassen also selber als Bauern und Viehzüchter sich nieder und werden dazu mit Vieh- Stapel (woher der Name des Fe-od), Geräthen, Saatkorn aus- gerüstet. Um so enger bleiben sie dem Herren verbunden und zu Hofdiensten wie Heeresfolge verpflichtet. Sie haben ihr Eigenthum. Aber dasselbe ist nicht, wie das der Gemein- freien, aus ihrer eigenen Genossenschaft, der Gemeinde, zu- nächst abgeleitet, sondern aus der Gemeinschaft mit ihrem Herren und bleibt als oberes Eigenthum — worin die später getrennten Ideen der Gebietshoheit und des Grundbesitzes ihre Einheit haben — in seiner Hand. Wenn nun dieses Ober-Eigenthum nach der richtigen, d. i. in Natur der Sache und Herkommen, Eintracht und Sitte begründeten Auffassung, der Gemeinschaft und Einheit von Ge- meinde und Herrn zusteht, so kann doch dieser Gelegenheit und Versuchung haben, zumal in Bezug auf diese minder- werthigen Theile, es ganz und gar als seine alleinige Gerecht- same auszuüben, und endlich auch die Freien, nebst ihren

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/73>, abgerufen am 25.04.2024.