-- den preußischen Staat wegen grausamer Verfolgung des Poeten. Die einfache Wahr- heit ist: nicht Heine hat sich über Preußen zu beklagen, das ihn persönlich nie verfolgte, sondern Preußen hat sich über Heine zu beklagen, der sein Vaterland unablässig mit Koth bewarf.
Heine war ein freiwilliger Flüchtling, ganz so wie die polnischen Dichter Mickie- wicz, Krasinski, Stowaski und viele andere Revolutionäre aus Deutschland, Polen, Italien, die sich jahrelang gänzlich unverfolgt in Paris aufhielten. Einige von ihnen lebten in Frankreich aus Furcht vor möglicher Verfolgung, Andere, um unter franzö- sischem Schutze ihre Verschwörungspläne sicherer zu betreiben, Andere wieder um die Reize der Weltstadt zu genießen; sie Alle spielten mit hochtragischem Pathos die Rolle politischer Dulder, und an diesem frivolen Sport der radicalen Partei betheiligte sich auch Heine. Die einzige Unbill, die ihm von Seiten der preußischen Behörden je wider- fuhr, war das thörichte Verbot seiner Schriften. Dies Schicksal theilte er mit vielen anderen Schriftstellern, und er konnte es, wie er selbst erzählt, sehr leicht nehmen, da der Absatz seiner Werke durch das Verbot eher gefördert als erschwert wurde. Für seine persönliche Sicherheit hatte er nichts zu besorgen, noch weniger sogar als A. Ruge, der trotz seiner Kämpfe mit der Preßpolizei doch in seinem Hause unangefochten blieb. Die Regierung beurtheilte Heine richtig; sie fürchtete nur seine Feder, als Demagog schien er ungefährlich.
Daß er niemals polizeilich verfolgt wurde, läßt sich jetzt auch durch ein amtliches Zeugniß erweisen. Als der französische Gesandte Graf Bresson in Guizot's Auftrag bei dem Berliner Hofe vertraulich anfragte, was die Folge sein würde, wenn Heine sich in Frankreich naturalisiren ließe, da erkundigte sich das Auswärtige Amt zunächst beim Ministerium des Innern und erwiderte dann (17. Febr. 1843) in trockenem, gering- schätzigem Tone: Von Amtswegen wisse man gar nicht, ob Heine noch preußischer Unter- than sei; aucune mesure de police n'a ete prise contre sa personne. Wolle er Franzose werden, so habe die preußische Regierung nichts dawider und würde ihm dann die Rechte eines Franzosen einräumen. Darauf erörtert das Schreiben noch das Verbot der Heinischen Werke und kommt zu dem Schlusse: Da Heine im Auslande lebe und selber keinen Schritt gethan habe, um eine Milderung zu erlangen, so könnten die be- stehenden Anordnungen nur im Gnadenwege geändert werden, et il n'existe pour les autorites du Roi aucun motif de faire d'office des demarches dans ce baut. Bei- läufig scheint das Ministerium nicht gewußt zu haben, daß Heine's Schriften fast sämmt- lich dem Verlage von Hoffmann und Campe angehörten; dieser Verlag war aber schon nach dem Hamburger Brande durch königlichen Gnadenerlaß wieder freigegeben worden (s. o. V. 181).
Wie bisher, so blieb Heine auch ganz unbehelligt von den preußischen Behörden, als er i. J. 1844 sein Vaterland wieder besuchte. Nachher änderte sich die Lage etwas, als seine "Zeitgedichte" erschienen, deren unfläthige Majestätsbeleidigungen in einem monarchischen Staate unmöglich straflos bleiben konnten. Obgleich auch jetzt keine Ver- folgung eingeleitet wurde, so mußte Heine doch nunmehr befürchten, beim Betreten des preußischen Bodens unter schwerer Anklage vor Gericht gestellt zu werden. Er fühlte das selbst, und da er im Jahre 1846 nach Berlin reisen wollte, um Freunde wiederzu- sehen und Dieffenbach zu consultiren, so erbat er sich Humboldt's Verwendung, damit der Monarch die Vergangenheit in der alten Registratur begrübe. Diese Vergangenheit war freilich allerjüngste Gegenwart. Der so roh beleidigte König zeigte sich nicht ab- geneigt, das Buch der Lieder ließ ihn Alles vergessen. Die Polizeibehörde aber erklärte nach ihrer Amtspflicht, es stehe nicht in ihrer Macht, die Straflosigkeit schwerer Maje- stätsbeleidigungen im Voraus zuzusichern. Der König allein konnte die Sache nieder- schlagen; doch bevor noch eine Entscheidung erfolgte, hatte Heine schon aus anderen Gründen seine Pläne geändert und die Berliner Reise aufgegeben. Auch damals also geschah ihm von Preußen her kein Leid, und dabei blieb es bis zu seinem Tode. Die
XXXI. Das Märchen vom Flüchtling Heine.
— den preußiſchen Staat wegen grauſamer Verfolgung des Poeten. Die einfache Wahr- heit iſt: nicht Heine hat ſich über Preußen zu beklagen, das ihn perſönlich nie verfolgte, ſondern Preußen hat ſich über Heine zu beklagen, der ſein Vaterland unabläſſig mit Koth bewarf.
Heine war ein freiwilliger Flüchtling, ganz ſo wie die polniſchen Dichter Mickie- wicz, Kraſinski, Stowaski und viele andere Revolutionäre aus Deutſchland, Polen, Italien, die ſich jahrelang gänzlich unverfolgt in Paris aufhielten. Einige von ihnen lebten in Frankreich aus Furcht vor möglicher Verfolgung, Andere, um unter franzö- ſiſchem Schutze ihre Verſchwörungspläne ſicherer zu betreiben, Andere wieder um die Reize der Weltſtadt zu genießen; ſie Alle ſpielten mit hochtragiſchem Pathos die Rolle politiſcher Dulder, und an dieſem frivolen Sport der radicalen Partei betheiligte ſich auch Heine. Die einzige Unbill, die ihm von Seiten der preußiſchen Behörden je wider- fuhr, war das thörichte Verbot ſeiner Schriften. Dies Schickſal theilte er mit vielen anderen Schriftſtellern, und er konnte es, wie er ſelbſt erzählt, ſehr leicht nehmen, da der Abſatz ſeiner Werke durch das Verbot eher gefördert als erſchwert wurde. Für ſeine perſönliche Sicherheit hatte er nichts zu beſorgen, noch weniger ſogar als A. Ruge, der trotz ſeiner Kämpfe mit der Preßpolizei doch in ſeinem Hauſe unangefochten blieb. Die Regierung beurtheilte Heine richtig; ſie fürchtete nur ſeine Feder, als Demagog ſchien er ungefährlich.
Daß er niemals polizeilich verfolgt wurde, läßt ſich jetzt auch durch ein amtliches Zeugniß erweiſen. Als der franzöſiſche Geſandte Graf Breſſon in Guizot’s Auftrag bei dem Berliner Hofe vertraulich anfragte, was die Folge ſein würde, wenn Heine ſich in Frankreich naturaliſiren ließe, da erkundigte ſich das Auswärtige Amt zunächſt beim Miniſterium des Innern und erwiderte dann (17. Febr. 1843) in trockenem, gering- ſchätzigem Tone: Von Amtswegen wiſſe man gar nicht, ob Heine noch preußiſcher Unter- than ſei; aucune mesure de police n’a été prise contre sa personne. Wolle er Franzoſe werden, ſo habe die preußiſche Regierung nichts dawider und würde ihm dann die Rechte eines Franzoſen einräumen. Darauf erörtert das Schreiben noch das Verbot der Heiniſchen Werke und kommt zu dem Schluſſe: Da Heine im Auslande lebe und ſelber keinen Schritt gethan habe, um eine Milderung zu erlangen, ſo könnten die be- ſtehenden Anordnungen nur im Gnadenwege geändert werden, et il n’existe pour les autorités du Roi aucun motif de faire d’office des démarches dans ce bût. Bei- läufig ſcheint das Miniſterium nicht gewußt zu haben, daß Heine’s Schriften faſt ſämmt- lich dem Verlage von Hoffmann und Campe angehörten; dieſer Verlag war aber ſchon nach dem Hamburger Brande durch königlichen Gnadenerlaß wieder freigegeben worden (ſ. o. V. 181).
Wie bisher, ſo blieb Heine auch ganz unbehelligt von den preußiſchen Behörden, als er i. J. 1844 ſein Vaterland wieder beſuchte. Nachher änderte ſich die Lage etwas, als ſeine „Zeitgedichte“ erſchienen, deren unfläthige Majeſtätsbeleidigungen in einem monarchiſchen Staate unmöglich ſtraflos bleiben konnten. Obgleich auch jetzt keine Ver- folgung eingeleitet wurde, ſo mußte Heine doch nunmehr befürchten, beim Betreten des preußiſchen Bodens unter ſchwerer Anklage vor Gericht geſtellt zu werden. Er fühlte das ſelbſt, und da er im Jahre 1846 nach Berlin reiſen wollte, um Freunde wiederzu- ſehen und Dieffenbach zu conſultiren, ſo erbat er ſich Humboldt’s Verwendung, damit der Monarch die Vergangenheit in der alten Regiſtratur begrübe. Dieſe Vergangenheit war freilich allerjüngſte Gegenwart. Der ſo roh beleidigte König zeigte ſich nicht ab- geneigt, das Buch der Lieder ließ ihn Alles vergeſſen. Die Polizeibehörde aber erklärte nach ihrer Amtspflicht, es ſtehe nicht in ihrer Macht, die Strafloſigkeit ſchwerer Maje- ſtätsbeleidigungen im Voraus zuzuſichern. Der König allein konnte die Sache nieder- ſchlagen; doch bevor noch eine Entſcheidung erfolgte, hatte Heine ſchon aus anderen Gründen ſeine Pläne geändert und die Berliner Reiſe aufgegeben. Auch damals alſo geſchah ihm von Preußen her kein Leid, und dabei blieb es bis zu ſeinem Tode. Die
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XXXI. Das Märchen vom Flüchtling Heine.
— den preußiſchen Staat wegen grauſamer Verfolgung des Poeten. Die einfache Wahr-
heit iſt: nicht Heine hat ſich über Preußen zu beklagen, das ihn perſönlich nie verfolgte,
ſondern Preußen hat ſich über Heine zu beklagen, der ſein Vaterland unabläſſig mit
Koth bewarf.
Heine war ein freiwilliger Flüchtling, ganz ſo wie die polniſchen Dichter Mickie-
wicz, Kraſinski, Stowaski und viele andere Revolutionäre aus Deutſchland, Polen,
Italien, die ſich jahrelang gänzlich unverfolgt in Paris aufhielten. Einige von ihnen
lebten in Frankreich aus Furcht vor möglicher Verfolgung, Andere, um unter franzö-
ſiſchem Schutze ihre Verſchwörungspläne ſicherer zu betreiben, Andere wieder um die
Reize der Weltſtadt zu genießen; ſie Alle ſpielten mit hochtragiſchem Pathos die Rolle
politiſcher Dulder, und an dieſem frivolen Sport der radicalen Partei betheiligte ſich
auch Heine. Die einzige Unbill, die ihm von Seiten der preußiſchen Behörden je wider-
fuhr, war das thörichte Verbot ſeiner Schriften. Dies Schickſal theilte er mit vielen
anderen Schriftſtellern, und er konnte es, wie er ſelbſt erzählt, ſehr leicht nehmen, da
der Abſatz ſeiner Werke durch das Verbot eher gefördert als erſchwert wurde. Für
ſeine perſönliche Sicherheit hatte er nichts zu beſorgen, noch weniger ſogar als A. Ruge,
der trotz ſeiner Kämpfe mit der Preßpolizei doch in ſeinem Hauſe unangefochten blieb.
Die Regierung beurtheilte Heine richtig; ſie fürchtete nur ſeine Feder, als Demagog
ſchien er ungefährlich.
Daß er niemals polizeilich verfolgt wurde, läßt ſich jetzt auch durch ein amtliches
Zeugniß erweiſen. Als der franzöſiſche Geſandte Graf Breſſon in Guizot’s Auftrag
bei dem Berliner Hofe vertraulich anfragte, was die Folge ſein würde, wenn Heine ſich
in Frankreich naturaliſiren ließe, da erkundigte ſich das Auswärtige Amt zunächſt beim
Miniſterium des Innern und erwiderte dann (17. Febr. 1843) in trockenem, gering-
ſchätzigem Tone: Von Amtswegen wiſſe man gar nicht, ob Heine noch preußiſcher Unter-
than ſei; aucune mesure de police n’a été prise contre sa personne. Wolle er
Franzoſe werden, ſo habe die preußiſche Regierung nichts dawider und würde ihm dann
die Rechte eines Franzoſen einräumen. Darauf erörtert das Schreiben noch das Verbot
der Heiniſchen Werke und kommt zu dem Schluſſe: Da Heine im Auslande lebe und
ſelber keinen Schritt gethan habe, um eine Milderung zu erlangen, ſo könnten die be-
ſtehenden Anordnungen nur im Gnadenwege geändert werden, et il n’existe pour les
autorités du Roi aucun motif de faire d’office des démarches dans ce bût. Bei-
läufig ſcheint das Miniſterium nicht gewußt zu haben, daß Heine’s Schriften faſt ſämmt-
lich dem Verlage von Hoffmann und Campe angehörten; dieſer Verlag war aber ſchon
nach dem Hamburger Brande durch königlichen Gnadenerlaß wieder freigegeben worden
(ſ. o. V. 181).
Wie bisher, ſo blieb Heine auch ganz unbehelligt von den preußiſchen Behörden,
als er i. J. 1844 ſein Vaterland wieder beſuchte. Nachher änderte ſich die Lage etwas,
als ſeine „Zeitgedichte“ erſchienen, deren unfläthige Majeſtätsbeleidigungen in einem
monarchiſchen Staate unmöglich ſtraflos bleiben konnten. Obgleich auch jetzt keine Ver-
folgung eingeleitet wurde, ſo mußte Heine doch nunmehr befürchten, beim Betreten des
preußiſchen Bodens unter ſchwerer Anklage vor Gericht geſtellt zu werden. Er fühlte
das ſelbſt, und da er im Jahre 1846 nach Berlin reiſen wollte, um Freunde wiederzu-
ſehen und Dieffenbach zu conſultiren, ſo erbat er ſich Humboldt’s Verwendung, damit
der Monarch die Vergangenheit in der alten Regiſtratur begrübe. Dieſe Vergangenheit
war freilich allerjüngſte Gegenwart. Der ſo roh beleidigte König zeigte ſich nicht ab-
geneigt, das Buch der Lieder ließ ihn Alles vergeſſen. Die Polizeibehörde aber erklärte
nach ihrer Amtspflicht, es ſtehe nicht in ihrer Macht, die Strafloſigkeit ſchwerer Maje-
ſtätsbeleidigungen im Voraus zuzuſichern. Der König allein konnte die Sache nieder-
ſchlagen; doch bevor noch eine Entſcheidung erfolgte, hatte Heine ſchon aus anderen
Gründen ſeine Pläne geändert und die Berliner Reiſe aufgegeben. Auch damals alſo
geſchah ihm von Preußen her kein Leid, und dabei blieb es bis zu ſeinem Tode. Die
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 765. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/779>, abgerufen am 09.10.2024.
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