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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das IV. Capitul
Der Jahr' und Zeiten Spur,
Sind nicht die Furchen nur,
Worein der Todt sich präget,
Und seine Sichel schläget.
Das Grab steht offen, auch
Selbst in der Mutter Bauch;
Ein Mensch kan kaum besehen,
Den Labyrinth der Welt,
So ist es schon bestellt,
Mensch, du must fürder gehen,
Und endlich kommt der Schluß heraus,
Die Welt ist nur ein Pilgrims Haus.

Erster Nach-Satz.
Nun wir zünden auch mit Schmertzen,
Dir, o Schwester, Kertzen an,
Und gehn diese Trauer-Bahn,
Mit Betrübniß-vollem Hertzen,
O wie kan wohl eine Pein
Je und immer grösser seyn.
Dort die Liebste, hier die Schwester,
Was verknüpffet doch wohl fester.
Gehets endlich an den Riß,
Ach so fühlt man, daß das Scheiden
Kan die Seele selbst zerschneiden,
Steinern wäre, der's verbiß.
Anderer Satz.
Es ist doch wohl gethan
Und ist des Himmels Wille,
Drum schweige man nur stille,
Sie ist ja nur voran,
Zun Sternen hingeschicket:
War sie ein junges Blut:
Wohlan es ist auch gut,
So ist sie nicht bestricket,
Und kommt nicht mehr in Schuld,
Drum habet nur Gedult:
Sie

Das IV. Capitul
Der Jahr’ und Zeiten Spur,
Sind nicht die Furchen nur,
Worein der Todt ſich praͤget,
Und ſeine Sichel ſchlaͤget.
Das Grab ſteht offen, auch
Selbſt in der Mutter Bauch;
Ein Menſch kan kaum beſehen,
Den Labyrinth der Welt,
So iſt es ſchon beſtellt,
Menſch, du muſt fuͤrder gehen,
Und endlich kommt der Schluß heraus,
Die Welt iſt nur ein Pilgrims Haus.

Erſter Nach-Satz.
Nun wir zuͤnden auch mit Schmertzen,
Dir, o Schweſter, Kertzen an,
Und gehn dieſe Trauer-Bahn,
Mit Betruͤbniß-vollem Hertzen,
O wie kan wohl eine Pein
Je und immer groͤſſer ſeyn.
Dort die Liebſte, hier die Schweſter,
Was verknuͤpffet doch wohl feſter.
Gehets endlich an den Riß,
Ach ſo fuͤhlt man, daß das Scheiden
Kan die Seele ſelbſt zerſchneiden,
Steinern waͤre, der’s verbiß.
Anderer Satz.
Es iſt doch wohl gethan
Und iſt des Himmels Wille,
Drum ſchweige man nur ſtille,
Sie iſt ja nur voran,
Zun Sternen hingeſchicket:
War ſie ein junges Blut:
Wohlan es iſt auch gut,
So iſt ſie nicht beſtricket,
Und kommt nicht mehr in Schuld,
Drum habet nur Gedult:
Sie
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[68/0072] Das IV. Capitul Der Jahr’ und Zeiten Spur, Sind nicht die Furchen nur, Worein der Todt ſich praͤget, Und ſeine Sichel ſchlaͤget. Das Grab ſteht offen, auch Selbſt in der Mutter Bauch; Ein Menſch kan kaum beſehen, Den Labyrinth der Welt, So iſt es ſchon beſtellt, Menſch, du muſt fuͤrder gehen, Und endlich kommt der Schluß heraus, Die Welt iſt nur ein Pilgrims Haus. Erſter Nach-Satz. Nun wir zuͤnden auch mit Schmertzen, Dir, o Schweſter, Kertzen an, Und gehn dieſe Trauer-Bahn, Mit Betruͤbniß-vollem Hertzen, O wie kan wohl eine Pein Je und immer groͤſſer ſeyn. Dort die Liebſte, hier die Schweſter, Was verknuͤpffet doch wohl feſter. Gehets endlich an den Riß, Ach ſo fuͤhlt man, daß das Scheiden Kan die Seele ſelbſt zerſchneiden, Steinern waͤre, der’s verbiß. Anderer Satz. Es iſt doch wohl gethan Und iſt des Himmels Wille, Drum ſchweige man nur ſtille, Sie iſt ja nur voran, Zun Sternen hingeſchicket: War ſie ein junges Blut: Wohlan es iſt auch gut, So iſt ſie nicht beſtricket, Und kommt nicht mehr in Schuld, Drum habet nur Gedult: Sie

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/72>, abgerufen am 28.03.2024.