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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
eines ihm feindseligen Geschöpfes, an den Gebrauch seiner
natürlichen Waffen, die ihm oft noch nicht einmal gewach-
sen sind, erinnern, und hieraus die Begierde, sich zu weh-
ren, formiren; daß die Seele eines Thieres, welches noch
nie den Kitzel der Begattung empfunden, durch den sanf-
ten Kitzel seiner Geschlechtstheile auf die Einbildung des
stärkern Kitzels bey der Begattung gerathen, und dadurch
die Begierde sich zu gatten formiren sollte. Da nun aber
gleichwohl ein Trieb in der Seele natürlicher Weise sich
nicht anders, als auf die §. 268. beschriebene Weise ent-
wickeln kann, wie aus den angeführten Beweisgründen
und aus der Natur der Seele unläugbar ist, §. 94. so
muß man gestehen, daß in noch unerfahrnen, und allen
Thieren, die keine wahre Vorstellungskraft verrathen, sich
keine Triebe in der Seele entwickeln, sondern daß die Be-
wegungen, die wir bey ihnen, durch einen Schluß von
uns auf sie, für Seelenwirkungen der Triebe halten, und
die es bey erwachsenen denkenden Thieren auch wirklich oft
sind, wenigstens immer seyn könnten, eigentlich nur als
Nervenwirkungen der äußern sinnlichen Eindrücke gewirket
werden, §. 183. 89. und daß selbst das Empfinden
dieser äußern sinnlichen Eindrücke zur Hervorbringung die-
ser Bewegungen nichts Wesentliches beytrage. Daß sich
bey denkenden Thieren mit diesen Nervenwirkungen, die
sich, den Absichten der Natur gemäß, regel- und zweck-
mäßig entwickeln, zugleich die regel- und zweckmäßige
Entwickelung der Vorstellungen und des ganzen Triebes
gesellet, ist unstreitig, §. 268. und hat besondre Absich-
ten, deren §. 184. N. 2. schon gedacht worden. Hierdurch
werden diese Nervenwirkungen wirklich zugleich Seelenwir-
kungen, in welcher Absicht allein sie hier in Betrachtung
kommen. Als bloße Nervenwirkungen betrachtet, wird
von ihnen im zweyten Theile dieser Schrift gehandelt wer-
den. (S. §. 439. 454. 551. u. f.)

§. 270.

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
eines ihm feindſeligen Geſchoͤpfes, an den Gebrauch ſeiner
natuͤrlichen Waffen, die ihm oft noch nicht einmal gewach-
ſen ſind, erinnern, und hieraus die Begierde, ſich zu weh-
ren, formiren; daß die Seele eines Thieres, welches noch
nie den Kitzel der Begattung empfunden, durch den ſanf-
ten Kitzel ſeiner Geſchlechtstheile auf die Einbildung des
ſtaͤrkern Kitzels bey der Begattung gerathen, und dadurch
die Begierde ſich zu gatten formiren ſollte. Da nun aber
gleichwohl ein Trieb in der Seele natuͤrlicher Weiſe ſich
nicht anders, als auf die §. 268. beſchriebene Weiſe ent-
wickeln kann, wie aus den angefuͤhrten Beweisgruͤnden
und aus der Natur der Seele unlaͤugbar iſt, §. 94. ſo
muß man geſtehen, daß in noch unerfahrnen, und allen
Thieren, die keine wahre Vorſtellungskraft verrathen, ſich
keine Triebe in der Seele entwickeln, ſondern daß die Be-
wegungen, die wir bey ihnen, durch einen Schluß von
uns auf ſie, fuͤr Seelenwirkungen der Triebe halten, und
die es bey erwachſenen denkenden Thieren auch wirklich oft
ſind, wenigſtens immer ſeyn koͤnnten, eigentlich nur als
Nervenwirkungen der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke gewirket
werden, §. 183. 89. und daß ſelbſt das Empfinden
dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zur Hervorbringung die-
ſer Bewegungen nichts Weſentliches beytrage. Daß ſich
bey denkenden Thieren mit dieſen Nervenwirkungen, die
ſich, den Abſichten der Natur gemaͤß, regel- und zweck-
maͤßig entwickeln, zugleich die regel- und zweckmaͤßige
Entwickelung der Vorſtellungen und des ganzen Triebes
geſellet, iſt unſtreitig, §. 268. und hat beſondre Abſich-
ten, deren §. 184. N. 2. ſchon gedacht worden. Hierdurch
werden dieſe Nervenwirkungen wirklich zugleich Seelenwir-
kungen, in welcher Abſicht allein ſie hier in Betrachtung
kommen. Als bloße Nervenwirkungen betrachtet, wird
von ihnen im zweyten Theile dieſer Schrift gehandelt wer-
den. (S. §. 439. 454. 551. u. f.)

§. 270.
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[252/0276] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. eines ihm feindſeligen Geſchoͤpfes, an den Gebrauch ſeiner natuͤrlichen Waffen, die ihm oft noch nicht einmal gewach- ſen ſind, erinnern, und hieraus die Begierde, ſich zu weh- ren, formiren; daß die Seele eines Thieres, welches noch nie den Kitzel der Begattung empfunden, durch den ſanf- ten Kitzel ſeiner Geſchlechtstheile auf die Einbildung des ſtaͤrkern Kitzels bey der Begattung gerathen, und dadurch die Begierde ſich zu gatten formiren ſollte. Da nun aber gleichwohl ein Trieb in der Seele natuͤrlicher Weiſe ſich nicht anders, als auf die §. 268. beſchriebene Weiſe ent- wickeln kann, wie aus den angefuͤhrten Beweisgruͤnden und aus der Natur der Seele unlaͤugbar iſt, §. 94. ſo muß man geſtehen, daß in noch unerfahrnen, und allen Thieren, die keine wahre Vorſtellungskraft verrathen, ſich keine Triebe in der Seele entwickeln, ſondern daß die Be- wegungen, die wir bey ihnen, durch einen Schluß von uns auf ſie, fuͤr Seelenwirkungen der Triebe halten, und die es bey erwachſenen denkenden Thieren auch wirklich oft ſind, wenigſtens immer ſeyn koͤnnten, eigentlich nur als Nervenwirkungen der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke gewirket werden, §. 183. 89. und daß ſelbſt das Empfinden dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zur Hervorbringung die- ſer Bewegungen nichts Weſentliches beytrage. Daß ſich bey denkenden Thieren mit dieſen Nervenwirkungen, die ſich, den Abſichten der Natur gemaͤß, regel- und zweck- maͤßig entwickeln, zugleich die regel- und zweckmaͤßige Entwickelung der Vorſtellungen und des ganzen Triebes geſellet, iſt unſtreitig, §. 268. und hat beſondre Abſich- ten, deren §. 184. N. 2. ſchon gedacht worden. Hierdurch werden dieſe Nervenwirkungen wirklich zugleich Seelenwir- kungen, in welcher Abſicht allein ſie hier in Betrachtung kommen. Als bloße Nervenwirkungen betrachtet, wird von ihnen im zweyten Theile dieſer Schrift gehandelt wer- den. (S. §. 439. 454. 551. u. f.) §. 270.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/276>, abgerufen am 05.05.2024.