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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkräfte.
Eindrücke des Magensafts, die im natürlichen Zustande
den Trieb des Hungers erregen, enthauptete Thiere, sich
aufzumachen und ihre Nahrung zu suchen, welches sonst
eine Seelenwirkung dieses Triebes ist; so locken die ent-
haupteten Grillen durch die äußern Reize der Nerven ihrer
Geschlechtstheile mit schwirrenden Flügeln zur Liebe; so er-
regen die äußern sinnlichen Reizungen zur Begattung alle
Bewegungen des dazu auffordernden Triebes bey enthau-
pteten Schmetterlingen, ja sie vollziehen dieselbe wirklich;
so werden die weiblichen enthaupteten Schmetterlinge, Flie-
gen etc. durch den Reiz der Begattung zum Eyerlegen be-
wogen; so machet die Quetschung einer Zehe des Fußes im
Rumpfe eines enthaupteten Frosches eben dieselben Zuckun-
gen der Muskeln und Bewegungen des Rettungstriebes,
wie es der Schmerz im natürlichen Zustande zu thun pfle-
get, u. s. w. (Vergl. H. P. §. 402.)

Anmerkung. Diese Erfahrungen, deren man eine
große Menge in den Schriften der Beobachter zer-
streuet findet, setzen wir, ohne die Schriftsteller anzu-
führen, als durchgängig bekannt und unzweifelhaft zum
voraus, und wenn wir im Folgenden einige andre, als
die hier erwähnten anführen, und uns dabey auf den
gegenwärtigen §. berufen werden, so soll dieses anzeigen,
daß dergleichen Erfahrungen schon wirklich vorhanden
und von den Naturforschern beschrieben worden sind.
Will man sich aber damit nicht begnügen, so kann man
sie in größter Menge und hinlänglich autorisiret in allen
Schriften finden, worinn die Reizbarkeit der Muskeln
bewiesen wird, unter welchen die vom Herrn v. Haller,
Herrn Zimmermann, und Herrn Oeder die vorzüg-
lichsten sind: denn es wird unten dargethan werden, daß
ein Versuch, der die Reizbarkeit eines Muskels erweist,
zugleich auch die thierische bewegende Kraft eines äußern
sinnlichen Eindrucks in seinen Nerven, unabhänglich
von den thierischen Seelenkräften, darthue. §. 388.
Vergl. v. Hall. op. min. T. 1. p. 368. u. f.

§. 358.

II Th. Nervenkraͤfte.
Eindruͤcke des Magenſafts, die im natuͤrlichen Zuſtande
den Trieb des Hungers erregen, enthauptete Thiere, ſich
aufzumachen und ihre Nahrung zu ſuchen, welches ſonſt
eine Seelenwirkung dieſes Triebes iſt; ſo locken die ent-
haupteten Grillen durch die aͤußern Reize der Nerven ihrer
Geſchlechtstheile mit ſchwirrenden Fluͤgeln zur Liebe; ſo er-
regen die aͤußern ſinnlichen Reizungen zur Begattung alle
Bewegungen des dazu auffordernden Triebes bey enthau-
pteten Schmetterlingen, ja ſie vollziehen dieſelbe wirklich;
ſo werden die weiblichen enthaupteten Schmetterlinge, Flie-
gen ꝛc. durch den Reiz der Begattung zum Eyerlegen be-
wogen; ſo machet die Quetſchung einer Zehe des Fußes im
Rumpfe eines enthaupteten Froſches eben dieſelben Zuckun-
gen der Muskeln und Bewegungen des Rettungstriebes,
wie es der Schmerz im natuͤrlichen Zuſtande zu thun pfle-
get, u. ſ. w. (Vergl. H. P. §. 402.)

Anmerkung. Dieſe Erfahrungen, deren man eine
große Menge in den Schriften der Beobachter zer-
ſtreuet findet, ſetzen wir, ohne die Schriftſteller anzu-
fuͤhren, als durchgaͤngig bekannt und unzweifelhaft zum
voraus, und wenn wir im Folgenden einige andre, als
die hier erwaͤhnten anfuͤhren, und uns dabey auf den
gegenwaͤrtigen §. berufen werden, ſo ſoll dieſes anzeigen,
daß dergleichen Erfahrungen ſchon wirklich vorhanden
und von den Naturforſchern beſchrieben worden ſind.
Will man ſich aber damit nicht begnuͤgen, ſo kann man
ſie in groͤßter Menge und hinlaͤnglich autoriſiret in allen
Schriften finden, worinn die Reizbarkeit der Muskeln
bewieſen wird, unter welchen die vom Herrn v. Haller,
Herrn Zimmermann, und Herrn Oeder die vorzuͤg-
lichſten ſind: denn es wird unten dargethan werden, daß
ein Verſuch, der die Reizbarkeit eines Muskels erweiſt,
zugleich auch die thieriſche bewegende Kraft eines aͤußern
ſinnlichen Eindrucks in ſeinen Nerven, unabhaͤnglich
von den thieriſchen Seelenkraͤften, darthue. §. 388.
Vergl. v. Hall. op. min. T. 1. p. 368. u. f.

§. 358.
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[348/0372] II Th. Nervenkraͤfte. Eindruͤcke des Magenſafts, die im natuͤrlichen Zuſtande den Trieb des Hungers erregen, enthauptete Thiere, ſich aufzumachen und ihre Nahrung zu ſuchen, welches ſonſt eine Seelenwirkung dieſes Triebes iſt; ſo locken die ent- haupteten Grillen durch die aͤußern Reize der Nerven ihrer Geſchlechtstheile mit ſchwirrenden Fluͤgeln zur Liebe; ſo er- regen die aͤußern ſinnlichen Reizungen zur Begattung alle Bewegungen des dazu auffordernden Triebes bey enthau- pteten Schmetterlingen, ja ſie vollziehen dieſelbe wirklich; ſo werden die weiblichen enthaupteten Schmetterlinge, Flie- gen ꝛc. durch den Reiz der Begattung zum Eyerlegen be- wogen; ſo machet die Quetſchung einer Zehe des Fußes im Rumpfe eines enthaupteten Froſches eben dieſelben Zuckun- gen der Muskeln und Bewegungen des Rettungstriebes, wie es der Schmerz im natuͤrlichen Zuſtande zu thun pfle- get, u. ſ. w. (Vergl. H. P. §. 402.) Anmerkung. Dieſe Erfahrungen, deren man eine große Menge in den Schriften der Beobachter zer- ſtreuet findet, ſetzen wir, ohne die Schriftſteller anzu- fuͤhren, als durchgaͤngig bekannt und unzweifelhaft zum voraus, und wenn wir im Folgenden einige andre, als die hier erwaͤhnten anfuͤhren, und uns dabey auf den gegenwaͤrtigen §. berufen werden, ſo ſoll dieſes anzeigen, daß dergleichen Erfahrungen ſchon wirklich vorhanden und von den Naturforſchern beſchrieben worden ſind. Will man ſich aber damit nicht begnuͤgen, ſo kann man ſie in groͤßter Menge und hinlaͤnglich autoriſiret in allen Schriften finden, worinn die Reizbarkeit der Muskeln bewieſen wird, unter welchen die vom Herrn v. Haller, Herrn Zimmermann, und Herrn Oeder die vorzuͤg- lichſten ſind: denn es wird unten dargethan werden, daß ein Verſuch, der die Reizbarkeit eines Muskels erweiſt, zugleich auch die thieriſche bewegende Kraft eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks in ſeinen Nerven, unabhaͤnglich von den thieriſchen Seelenkraͤften, darthue. §. 388. Vergl. v. Hall. op. min. T. 1. p. 368. u. f. §. 358.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/372>, abgerufen am 19.05.2024.