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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw.
per unangenehme äußere Empfindungen von Trägheit,
Kränklichkeit, u. s. w. welche, als eine starke sinnliche Un-
lust, die Lebensbewegungen fieberhaft machet, und übrigens
die Muskeln, welche die willkührliche Bewegung verrichten
müssen, zu ihrer natürlichen Wirkung reizet, daß sie zucken,
die Glieder regen, und sich zu den vollständigen Bewegun-
gen derselben anschicken. Wenn nun die willkührliche Be-
wegung wirklich erfolget, mithin die unangenehme Empfin-
dung vertrieben und der Trieb befriediget wird, welches
bey diesen die Seele eigenmächtig thun kann; §. 283. so
hat diese angenehme Empfindung wieder ihre Seelenwir-
kungen in der thierischen Oeconomie, und zieht die gehöri-
ge Mischung und Absonderung der Säfte, die Stärkung
der festen Theile und aller Kräfte des thierischen Körpers
als natürliche Folgen nach sich. §. 283. (vergl. des A. 1
B. 30 St.) Die Triebe zu gewissen besondern Arten der
willkührlichen Bewegung, z. E. zum Gehen, Seufzen,
Lechzen, Girren, Lachen, Weinen, Singen, Schlagen,
Schwimmen, Fliegen, Spinnen, Putzen, Bauen, sich zu
verkriechen, zu Reisen, zu Kunstarbeiten, u. s. w. haben
eben dieselben Seelenwirkungen in den mechanischen Ma-
schinen, auf die sie sich beziehen. §. 284. Jhre Veran-
lassungen sind mancherley äußere Empfindungen, Einbil-
dungen, Vorhersehungen und andre Triebe, und es ist eine
beständige Erfahrung im ganzen Thierreiche, daß alle diese
Seelenwirkungen der Triebe zu willkührlichen Bewegun-
gen, durch die Nervenkräfte allein bewerkstelliget werden
können. Denn es lassen sich nicht allein die Muskeln, wel-
che die willkührlichen Bewegungen verrichten, sowohl durch
innere sinnliche Eindrücke ohne Vorstellungen in ihre Ner-
venstämme, §. 507. 508. als auch durch unempfundene
äußere unmittelbar §. 445. zu ihren thierischen Bewegun-
gen reizen; sondern es werden auch eben dieselben thieri-
schen Bewegungen, welche die Seelenwirkungen eines Trie-
bes zur willkührlichen Bewegung sind, in vielen Fällen
durch eben die äußern sinnlichen Eindrücke, wenn sie nicht

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1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
per unangenehme aͤußere Empfindungen von Traͤgheit,
Kraͤnklichkeit, u. ſ. w. welche, als eine ſtarke ſinnliche Un-
luſt, die Lebensbewegungen fieberhaft machet, und uͤbrigens
die Muskeln, welche die willkuͤhrliche Bewegung verrichten
muͤſſen, zu ihrer natuͤrlichen Wirkung reizet, daß ſie zucken,
die Glieder regen, und ſich zu den vollſtaͤndigen Bewegun-
gen derſelben anſchicken. Wenn nun die willkuͤhrliche Be-
wegung wirklich erfolget, mithin die unangenehme Empfin-
dung vertrieben und der Trieb befriediget wird, welches
bey dieſen die Seele eigenmaͤchtig thun kann; §. 283. ſo
hat dieſe angenehme Empfindung wieder ihre Seelenwir-
kungen in der thieriſchen Oeconomie, und zieht die gehoͤri-
ge Miſchung und Abſonderung der Saͤfte, die Staͤrkung
der feſten Theile und aller Kraͤfte des thieriſchen Koͤrpers
als natuͤrliche Folgen nach ſich. §. 283. (vergl. des A. 1
B. 30 St.) Die Triebe zu gewiſſen beſondern Arten der
willkuͤhrlichen Bewegung, z. E. zum Gehen, Seufzen,
Lechzen, Girren, Lachen, Weinen, Singen, Schlagen,
Schwimmen, Fliegen, Spinnen, Putzen, Bauen, ſich zu
verkriechen, zu Reiſen, zu Kunſtarbeiten, u. ſ. w. haben
eben dieſelben Seelenwirkungen in den mechaniſchen Ma-
ſchinen, auf die ſie ſich beziehen. §. 284. Jhre Veran-
laſſungen ſind mancherley aͤußere Empfindungen, Einbil-
dungen, Vorherſehungen und andre Triebe, und es iſt eine
beſtaͤndige Erfahrung im ganzen Thierreiche, daß alle dieſe
Seelenwirkungen der Triebe zu willkuͤhrlichen Bewegun-
gen, durch die Nervenkraͤfte allein bewerkſtelliget werden
koͤnnen. Denn es laſſen ſich nicht allein die Muskeln, wel-
che die willkuͤhrlichen Bewegungen verrichten, ſowohl durch
innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen in ihre Ner-
venſtaͤmme, §. 507. 508. als auch durch unempfundene
aͤußere unmittelbar §. 445. zu ihren thieriſchen Bewegun-
gen reizen; ſondern es werden auch eben dieſelben thieri-
ſchen Bewegungen, welche die Seelenwirkungen eines Trie-
bes zur willkuͤhrlichen Bewegung ſind, in vielen Faͤllen
durch eben die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, wenn ſie nicht

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[551/0575] 1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. per unangenehme aͤußere Empfindungen von Traͤgheit, Kraͤnklichkeit, u. ſ. w. welche, als eine ſtarke ſinnliche Un- luſt, die Lebensbewegungen fieberhaft machet, und uͤbrigens die Muskeln, welche die willkuͤhrliche Bewegung verrichten muͤſſen, zu ihrer natuͤrlichen Wirkung reizet, daß ſie zucken, die Glieder regen, und ſich zu den vollſtaͤndigen Bewegun- gen derſelben anſchicken. Wenn nun die willkuͤhrliche Be- wegung wirklich erfolget, mithin die unangenehme Empfin- dung vertrieben und der Trieb befriediget wird, welches bey dieſen die Seele eigenmaͤchtig thun kann; §. 283. ſo hat dieſe angenehme Empfindung wieder ihre Seelenwir- kungen in der thieriſchen Oeconomie, und zieht die gehoͤri- ge Miſchung und Abſonderung der Saͤfte, die Staͤrkung der feſten Theile und aller Kraͤfte des thieriſchen Koͤrpers als natuͤrliche Folgen nach ſich. §. 283. (vergl. des A. 1 B. 30 St.) Die Triebe zu gewiſſen beſondern Arten der willkuͤhrlichen Bewegung, z. E. zum Gehen, Seufzen, Lechzen, Girren, Lachen, Weinen, Singen, Schlagen, Schwimmen, Fliegen, Spinnen, Putzen, Bauen, ſich zu verkriechen, zu Reiſen, zu Kunſtarbeiten, u. ſ. w. haben eben dieſelben Seelenwirkungen in den mechaniſchen Ma- ſchinen, auf die ſie ſich beziehen. §. 284. Jhre Veran- laſſungen ſind mancherley aͤußere Empfindungen, Einbil- dungen, Vorherſehungen und andre Triebe, und es iſt eine beſtaͤndige Erfahrung im ganzen Thierreiche, daß alle dieſe Seelenwirkungen der Triebe zu willkuͤhrlichen Bewegun- gen, durch die Nervenkraͤfte allein bewerkſtelliget werden koͤnnen. Denn es laſſen ſich nicht allein die Muskeln, wel- che die willkuͤhrlichen Bewegungen verrichten, ſowohl durch innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen in ihre Ner- venſtaͤmme, §. 507. 508. als auch durch unempfundene aͤußere unmittelbar §. 445. zu ihren thieriſchen Bewegun- gen reizen; ſondern es werden auch eben dieſelben thieri- ſchen Bewegungen, welche die Seelenwirkungen eines Trie- bes zur willkuͤhrlichen Bewegung ſind, in vielen Faͤllen durch eben die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, wenn ſie nicht empfun- M m 4

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/575>, abgerufen am 28.04.2024.