Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An sich betr.
hafter Speisen, durch den Geruch geistiger Dünste, durch
das Waschen der Glieder mit dergleichen, durch Reiben,
durch sanfte Leibesbewegung, Gemüthsergötzung, muntere
Gesellschaft, und durch gemäßigte angenehme Beschäffti-
gung der äußerlichen Sinne, etc. die Seelen- und Nerven-
kräfte gestärket und ermuntert werden, und es ist wahr-
scheinlich, daß dieß entweder durch eine Vermehrung, oder
leichtere Absonderung, erneuete natürliche Güte, oder durch
den erleichterten Ein- und Rückfluß des Nervensafts ge-
schehe. §. 22. Auf gleiche Weise ist es wahrscheinlich, daß
zu langes Wachen, Darben, schwächende Nahrungsmit-
tel und Arzneyen, Dünste und andre wirksame Theile ge-
wisser Dinge, die ihrer verborgenen Natur nach dem Ner-
vensafte schädlich sind, wie z. E. vom Opium und andern
narcotischen Mitteln, Kälte, Trägheit, Mangel der Lei-
besbewegung, Strapazen, Verdruß, Anstrengung der
Gemüthskräfte und der äußern Sinne, etc. die thierischen
Kräfte darum schwächen und verhindern, weil diese Ursa-
chen entweder die Lebensgeister vermindern, oder ihre Ab-
sonderung dadurch erschwert, ihre gute Beschaffenheit ver-
dorben, oder ihr Ein- und Rückfluß gehindert wird.
§. 22.

Anmerkung. So wenig uns auch von der Natur
und der eigentlichen Beschaffenheit der Kräfte der Le-
bensgeister bekannt ist, so kann doch ein Arzt zu seinen
Absichten schon damit zufrieden seyn; und wenn auch
dieß Wenige, was wir zu wissen glauben, noch unge-
wiß und höchstens nur wahrscheinlich ist; so kann es doch,
der übrigen Wissenschaft unbeschadet, immer unausge-
macht bleiben, weil wir nicht nöthig haben, die Art und
Weise, wie sich die thierischen Kräfte entwickeln, zu er-
klären, wenn wir nur aus den Beobachtungen ihre wah-
ren Wirkungen und Gesetze erkennen.

Zweyter

I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.
hafter Speiſen, durch den Geruch geiſtiger Duͤnſte, durch
das Waſchen der Glieder mit dergleichen, durch Reiben,
durch ſanfte Leibesbewegung, Gemuͤthsergoͤtzung, muntere
Geſellſchaft, und durch gemaͤßigte angenehme Beſchaͤffti-
gung der aͤußerlichen Sinne, ꝛc. die Seelen- und Nerven-
kraͤfte geſtaͤrket und ermuntert werden, und es iſt wahr-
ſcheinlich, daß dieß entweder durch eine Vermehrung, oder
leichtere Abſonderung, erneuete natuͤrliche Guͤte, oder durch
den erleichterten Ein- und Ruͤckfluß des Nervenſafts ge-
ſchehe. §. 22. Auf gleiche Weiſe iſt es wahrſcheinlich, daß
zu langes Wachen, Darben, ſchwaͤchende Nahrungsmit-
tel und Arzneyen, Duͤnſte und andre wirkſame Theile ge-
wiſſer Dinge, die ihrer verborgenen Natur nach dem Ner-
venſafte ſchaͤdlich ſind, wie z. E. vom Opium und andern
narcotiſchen Mitteln, Kaͤlte, Traͤgheit, Mangel der Lei-
besbewegung, Strapazen, Verdruß, Anſtrengung der
Gemuͤthskraͤfte und der aͤußern Sinne, ꝛc. die thieriſchen
Kraͤfte darum ſchwaͤchen und verhindern, weil dieſe Urſa-
chen entweder die Lebensgeiſter vermindern, oder ihre Ab-
ſonderung dadurch erſchwert, ihre gute Beſchaffenheit ver-
dorben, oder ihr Ein- und Ruͤckfluß gehindert wird.
§. 22.

Anmerkung. So wenig uns auch von der Natur
und der eigentlichen Beſchaffenheit der Kraͤfte der Le-
bensgeiſter bekannt iſt, ſo kann doch ein Arzt zu ſeinen
Abſichten ſchon damit zufrieden ſeyn; und wenn auch
dieß Wenige, was wir zu wiſſen glauben, noch unge-
wiß und hoͤchſtens nur wahrſcheinlich iſt; ſo kann es doch,
der uͤbrigen Wiſſenſchaft unbeſchadet, immer unausge-
macht bleiben, weil wir nicht noͤthig haben, die Art und
Weiſe, wie ſich die thieriſchen Kraͤfte entwickeln, zu er-
klaͤren, wenn wir nur aus den Beobachtungen ihre wah-
ren Wirkungen und Geſetze erkennen.

Zweyter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0060" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An &#x017F;ich betr.</hi></fw><lb/>
hafter Spei&#x017F;en, durch den Geruch gei&#x017F;tiger Du&#x0364;n&#x017F;te, durch<lb/>
das Wa&#x017F;chen der Glieder mit dergleichen, durch Reiben,<lb/>
durch &#x017F;anfte Leibesbewegung, Gemu&#x0364;thsergo&#x0364;tzung, muntere<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, und durch gema&#x0364;ßigte angenehme Be&#x017F;cha&#x0364;ffti-<lb/>
gung der a&#x0364;ußerlichen Sinne, &#xA75B;c. die Seelen- und Nerven-<lb/>
kra&#x0364;fte ge&#x017F;ta&#x0364;rket und ermuntert werden, und es i&#x017F;t wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich, daß dieß entweder durch eine Vermehrung, oder<lb/>
leichtere Ab&#x017F;onderung, erneuete natu&#x0364;rliche Gu&#x0364;te, oder durch<lb/>
den erleichterten Ein- und Ru&#x0364;ckfluß des Nerven&#x017F;afts ge-<lb/>
&#x017F;chehe. §. 22. Auf gleiche Wei&#x017F;e i&#x017F;t es wahr&#x017F;cheinlich, daß<lb/>
zu langes Wachen, Darben, &#x017F;chwa&#x0364;chende Nahrungsmit-<lb/>
tel und Arzneyen, Du&#x0364;n&#x017F;te und andre wirk&#x017F;ame Theile ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;er Dinge, die ihrer verborgenen Natur nach dem Ner-<lb/>
ven&#x017F;afte &#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;ind, wie z. E. vom Opium und andern<lb/>
narcoti&#x017F;chen Mitteln, Ka&#x0364;lte, Tra&#x0364;gheit, Mangel der Lei-<lb/>
besbewegung, Strapazen, Verdruß, An&#x017F;trengung der<lb/>
Gemu&#x0364;thskra&#x0364;fte und der a&#x0364;ußern Sinne, &#xA75B;c. die thieri&#x017F;chen<lb/>
Kra&#x0364;fte darum &#x017F;chwa&#x0364;chen und verhindern, weil die&#x017F;e Ur&#x017F;a-<lb/>
chen entweder die Lebensgei&#x017F;ter vermindern, oder ihre Ab-<lb/>
&#x017F;onderung dadurch er&#x017F;chwert, ihre gute Be&#x017F;chaffenheit ver-<lb/>
dorben, oder ihr Ein- und Ru&#x0364;ckfluß gehindert wird.<lb/>
§. 22.</p><lb/>
              <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Anmerkung.</hi> So wenig uns auch von der Natur<lb/>
und der eigentlichen Be&#x017F;chaffenheit der Kra&#x0364;fte der Le-<lb/>
bensgei&#x017F;ter bekannt i&#x017F;t, &#x017F;o kann doch ein Arzt zu &#x017F;einen<lb/>
Ab&#x017F;ichten &#x017F;chon damit zufrieden &#x017F;eyn; und wenn auch<lb/>
dieß Wenige, was wir zu wi&#x017F;&#x017F;en glauben, noch unge-<lb/>
wiß und ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur wahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t; &#x017F;o kann es doch,<lb/>
der u&#x0364;brigen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft unbe&#x017F;chadet, immer unausge-<lb/>
macht bleiben, weil wir nicht no&#x0364;thig haben, die Art und<lb/>
Wei&#x017F;e, wie &#x017F;ich die thieri&#x017F;chen Kra&#x0364;fte entwickeln, zu er-<lb/>
kla&#x0364;ren, wenn wir nur aus den Beobachtungen ihre wah-<lb/>
ren Wirkungen und Ge&#x017F;etze erkennen.</hi> </p>
            </div>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Zweyter</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0060] I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. hafter Speiſen, durch den Geruch geiſtiger Duͤnſte, durch das Waſchen der Glieder mit dergleichen, durch Reiben, durch ſanfte Leibesbewegung, Gemuͤthsergoͤtzung, muntere Geſellſchaft, und durch gemaͤßigte angenehme Beſchaͤffti- gung der aͤußerlichen Sinne, ꝛc. die Seelen- und Nerven- kraͤfte geſtaͤrket und ermuntert werden, und es iſt wahr- ſcheinlich, daß dieß entweder durch eine Vermehrung, oder leichtere Abſonderung, erneuete natuͤrliche Guͤte, oder durch den erleichterten Ein- und Ruͤckfluß des Nervenſafts ge- ſchehe. §. 22. Auf gleiche Weiſe iſt es wahrſcheinlich, daß zu langes Wachen, Darben, ſchwaͤchende Nahrungsmit- tel und Arzneyen, Duͤnſte und andre wirkſame Theile ge- wiſſer Dinge, die ihrer verborgenen Natur nach dem Ner- venſafte ſchaͤdlich ſind, wie z. E. vom Opium und andern narcotiſchen Mitteln, Kaͤlte, Traͤgheit, Mangel der Lei- besbewegung, Strapazen, Verdruß, Anſtrengung der Gemuͤthskraͤfte und der aͤußern Sinne, ꝛc. die thieriſchen Kraͤfte darum ſchwaͤchen und verhindern, weil dieſe Urſa- chen entweder die Lebensgeiſter vermindern, oder ihre Ab- ſonderung dadurch erſchwert, ihre gute Beſchaffenheit ver- dorben, oder ihr Ein- und Ruͤckfluß gehindert wird. §. 22. Anmerkung. So wenig uns auch von der Natur und der eigentlichen Beſchaffenheit der Kraͤfte der Le- bensgeiſter bekannt iſt, ſo kann doch ein Arzt zu ſeinen Abſichten ſchon damit zufrieden ſeyn; und wenn auch dieß Wenige, was wir zu wiſſen glauben, noch unge- wiß und hoͤchſtens nur wahrſcheinlich iſt; ſo kann es doch, der uͤbrigen Wiſſenſchaft unbeſchadet, immer unausge- macht bleiben, weil wir nicht noͤthig haben, die Art und Weiſe, wie ſich die thieriſchen Kraͤfte entwickeln, zu er- klaͤren, wenn wir nur aus den Beobachtungen ihre wah- ren Wirkungen und Geſetze erkennen. Zweyter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/60
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/60>, abgerufen am 28.04.2024.