Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Meine Aufgabe bei diesem Unternehmen hat sich
mir hauptsächlich unter zwei Gesichtspunkte gestellt,
welche beide gleicherweise dahin wirken mußten, die be¬
absichtigte Mittheilung eher reichlich als kärglich anzu¬
ordnen. Der Stoff selbst bot für das daraus zu Lie¬
fernde einen zweifach wichtigen Inhalt dar. Zuerst einen
Beitrag für die Bildungs- und Litterargeschichte des
achtzehnten Jahrhunderts, sodann die Schilderung einer
merkwürdigen Persönlichkeit.

Die Litteratur der Deutschen hat zu Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts als ein großes, in sich leben¬
diges, fortwachsendes und selbstbewußtes Ganzes zuerst
eine Haltung gewonnen, die auch nach außen ein sichres
Auftreten erlaubt, und alles kündet an, daß die nächste
Folgezeit den Bildungskreis derselben noch mehr er¬
weitern, und fortwährend zu neuen, fruchtbaren und
ansehnlichen Verhältnissen erheben wird. Was aber
immer in solcher Art Außerordentliches erfolgen möge,
grade dieses wird uns immer nöthigen, auf unsre An¬
fänge zurückzugehen, und auch das Ausland, nach
Maßgabe, daß es unsrer Geistesbildung mehr und mehr
Seiten abgewinnt, wird durch jedes Neueste und Größte,
das wir ihm darbieten, sich veranlaßt fühlen, auch das
Aeltere zu berücksichtigen. Nun ist aber -- mag man
es auch nur geschichtlich nehmen -- der Grund und
Kern unsrer litterarischen Entwicklung die Philosophie,
welche in diesem Bezug eigentlich mit Kant anhebt,

Meine Aufgabe bei dieſem Unternehmen hat ſich
mir hauptſaͤchlich unter zwei Geſichtspunkte geſtellt,
welche beide gleicherweiſe dahin wirken mußten, die be¬
abſichtigte Mittheilung eher reichlich als kaͤrglich anzu¬
ordnen. Der Stoff ſelbſt bot fuͤr das daraus zu Lie¬
fernde einen zweifach wichtigen Inhalt dar. Zuerſt einen
Beitrag fuͤr die Bildungs- und Litterargeſchichte des
achtzehnten Jahrhunderts, ſodann die Schilderung einer
merkwuͤrdigen Perſoͤnlichkeit.

Die Litteratur der Deutſchen hat zu Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts als ein großes, in ſich leben¬
diges, fortwachſendes und ſelbſtbewußtes Ganzes zuerſt
eine Haltung gewonnen, die auch nach außen ein ſichres
Auftreten erlaubt, und alles kuͤndet an, daß die naͤchſte
Folgezeit den Bildungskreis derſelben noch mehr er¬
weitern, und fortwaͤhrend zu neuen, fruchtbaren und
anſehnlichen Verhaͤltniſſen erheben wird. Was aber
immer in ſolcher Art Außerordentliches erfolgen moͤge,
grade dieſes wird uns immer noͤthigen, auf unſre An¬
faͤnge zuruͤckzugehen, und auch das Ausland, nach
Maßgabe, daß es unſrer Geiſtesbildung mehr und mehr
Seiten abgewinnt, wird durch jedes Neueſte und Groͤßte,
das wir ihm darbieten, ſich veranlaßt fuͤhlen, auch das
Aeltere zu beruͤckſichtigen. Nun iſt aber — mag man
es auch nur geſchichtlich nehmen — der Grund und
Kern unſrer litterariſchen Entwicklung die Philoſophie,
welche in dieſem Bezug eigentlich mit Kant anhebt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0221" n="207"/>
            <p>Meine Aufgabe bei die&#x017F;em Unternehmen hat &#x017F;ich<lb/>
mir haupt&#x017F;a&#x0364;chlich unter zwei Ge&#x017F;ichtspunkte ge&#x017F;tellt,<lb/>
welche beide gleicherwei&#x017F;e dahin wirken mußten, die be¬<lb/>
ab&#x017F;ichtigte Mittheilung eher reichlich als ka&#x0364;rglich anzu¬<lb/>
ordnen. Der Stoff &#x017F;elb&#x017F;t bot fu&#x0364;r das daraus zu Lie¬<lb/>
fernde einen zweifach wichtigen Inhalt dar. Zuer&#x017F;t einen<lb/>
Beitrag fu&#x0364;r die Bildungs- und Litterarge&#x017F;chichte des<lb/>
achtzehnten Jahrhunderts, &#x017F;odann die Schilderung einer<lb/>
merkwu&#x0364;rdigen Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit.</p><lb/>
            <p>Die Litteratur der Deut&#x017F;chen hat zu Anfang des<lb/>
neunzehnten Jahrhunderts als ein großes, in &#x017F;ich leben¬<lb/>
diges, fortwach&#x017F;endes und &#x017F;elb&#x017F;tbewußtes Ganzes zuer&#x017F;t<lb/>
eine Haltung gewonnen, die auch nach außen ein &#x017F;ichres<lb/>
Auftreten erlaubt, und alles ku&#x0364;ndet an, daß die na&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Folgezeit den Bildungskreis der&#x017F;elben noch mehr er¬<lb/>
weitern, und fortwa&#x0364;hrend zu neuen, fruchtbaren und<lb/>
an&#x017F;ehnlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en erheben wird. Was aber<lb/>
immer in &#x017F;olcher Art Außerordentliches erfolgen mo&#x0364;ge,<lb/>
grade die&#x017F;es wird uns immer no&#x0364;thigen, auf un&#x017F;re An¬<lb/>
fa&#x0364;nge zuru&#x0364;ckzugehen, und auch das Ausland, nach<lb/>
Maßgabe, daß es un&#x017F;rer Gei&#x017F;tesbildung mehr und mehr<lb/>
Seiten abgewinnt, wird durch jedes Neue&#x017F;te und Gro&#x0364;ßte,<lb/>
das wir ihm darbieten, &#x017F;ich veranlaßt fu&#x0364;hlen, auch das<lb/>
Aeltere zu beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigen. Nun i&#x017F;t aber &#x2014; mag man<lb/>
es auch nur ge&#x017F;chichtlich nehmen &#x2014; der Grund und<lb/>
Kern un&#x017F;rer litterari&#x017F;chen Entwicklung die Philo&#x017F;ophie,<lb/>
welche in die&#x017F;em Bezug eigentlich mit Kant anhebt,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0221] Meine Aufgabe bei dieſem Unternehmen hat ſich mir hauptſaͤchlich unter zwei Geſichtspunkte geſtellt, welche beide gleicherweiſe dahin wirken mußten, die be¬ abſichtigte Mittheilung eher reichlich als kaͤrglich anzu¬ ordnen. Der Stoff ſelbſt bot fuͤr das daraus zu Lie¬ fernde einen zweifach wichtigen Inhalt dar. Zuerſt einen Beitrag fuͤr die Bildungs- und Litterargeſchichte des achtzehnten Jahrhunderts, ſodann die Schilderung einer merkwuͤrdigen Perſoͤnlichkeit. Die Litteratur der Deutſchen hat zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts als ein großes, in ſich leben¬ diges, fortwachſendes und ſelbſtbewußtes Ganzes zuerſt eine Haltung gewonnen, die auch nach außen ein ſichres Auftreten erlaubt, und alles kuͤndet an, daß die naͤchſte Folgezeit den Bildungskreis derſelben noch mehr er¬ weitern, und fortwaͤhrend zu neuen, fruchtbaren und anſehnlichen Verhaͤltniſſen erheben wird. Was aber immer in ſolcher Art Außerordentliches erfolgen moͤge, grade dieſes wird uns immer noͤthigen, auf unſre An¬ faͤnge zuruͤckzugehen, und auch das Ausland, nach Maßgabe, daß es unſrer Geiſtesbildung mehr und mehr Seiten abgewinnt, wird durch jedes Neueſte und Groͤßte, das wir ihm darbieten, ſich veranlaßt fuͤhlen, auch das Aeltere zu beruͤckſichtigen. Nun iſt aber — mag man es auch nur geſchichtlich nehmen — der Grund und Kern unſrer litterariſchen Entwicklung die Philoſophie, welche in dieſem Bezug eigentlich mit Kant anhebt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/221
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/221>, abgerufen am 18.04.2024.