Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

seines Behauptens als richtig anerkannt haben, wie in
der durch Friedrich Buchholz veranlaßten Erörterung
geschah, deren später noch gedacht werden wird. Und
so dürfen wir in Betreff der polemischen Seite unsre
Karakteristik Erhard's füglich in den Ausspruch zusam¬
menfassen: er kämpfte viel, in Vergleich seiner wenigen
Neigung, und in Betracht seiner erfolgsichern Kraft,
wenig.

X.

Erhard war zu sehr Philosoph, um äußerer Ehre
und ihren Gebräuchen, welchen er innerem Werthe
gegenüber doch nur eine untergeordnete Stelle zuge¬
stehen wollte, jede zu versagen. Den Unterscheidungen
und Zeichen, die er freilich nicht erfunden haben würde,
wußte er, da die Welt sie einmal hat, ihre Schätzung
nach den Verhältnissen der Welt richtig anzuweisen;
auch das selbstständigste Werthgefühl mag eine äußere
Beglaubigung sich gefallen lassen, wenn gleich diese bei
Thoren und Schwachen auch gar die Sache selber
werden möchte, mit der sie doch immer nur unter Zu¬
lassung möglichen Irrthums zusammenhängt. Wie in
allen Dingen, so suchte Erhard auch bei diesem Gegen¬
stande vor allem den ächten Grund der Sache hervor¬
zuwenden, und hielt sich an diesen. So empfing er
die von dem Könige der Niederlande ihm durch den
Ritterorden vom belgischen Löwen gewährte Auszeich¬

ſeines Behauptens als richtig anerkannt haben, wie in
der durch Friedrich Buchholz veranlaßten Eroͤrterung
geſchah, deren ſpaͤter noch gedacht werden wird. Und
ſo duͤrfen wir in Betreff der polemiſchen Seite unſre
Karakteriſtik Erhard’s fuͤglich in den Ausſpruch zuſam¬
menfaſſen: er kaͤmpfte viel, in Vergleich ſeiner wenigen
Neigung, und in Betracht ſeiner erfolgſichern Kraft,
wenig.

X.

Erhard war zu ſehr Philoſoph, um aͤußerer Ehre
und ihren Gebraͤuchen, welchen er innerem Werthe
gegenuͤber doch nur eine untergeordnete Stelle zuge¬
ſtehen wollte, jede zu verſagen. Den Unterſcheidungen
und Zeichen, die er freilich nicht erfunden haben wuͤrde,
wußte er, da die Welt ſie einmal hat, ihre Schaͤtzung
nach den Verhaͤltniſſen der Welt richtig anzuweiſen;
auch das ſelbſtſtaͤndigſte Werthgefuͤhl mag eine aͤußere
Beglaubigung ſich gefallen laſſen, wenn gleich dieſe bei
Thoren und Schwachen auch gar die Sache ſelber
werden moͤchte, mit der ſie doch immer nur unter Zu¬
laſſung moͤglichen Irrthums zuſammenhaͤngt. Wie in
allen Dingen, ſo ſuchte Erhard auch bei dieſem Gegen¬
ſtande vor allem den aͤchten Grund der Sache hervor¬
zuwenden, und hielt ſich an dieſen. So empfing er
die von dem Koͤnige der Niederlande ihm durch den
Ritterorden vom belgiſchen Loͤwen gewaͤhrte Auszeich¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0316" n="302"/>
&#x017F;eines Behauptens als richtig anerkannt haben, wie in<lb/>
der durch Friedrich Buchholz veranlaßten Ero&#x0364;rterung<lb/>
ge&#x017F;chah, deren &#x017F;pa&#x0364;ter noch gedacht werden wird. Und<lb/>
&#x017F;o du&#x0364;rfen wir in Betreff der polemi&#x017F;chen Seite un&#x017F;re<lb/>
Karakteri&#x017F;tik Erhard&#x2019;s fu&#x0364;glich in den Aus&#x017F;pruch zu&#x017F;am¬<lb/>
menfa&#x017F;&#x017F;en: er ka&#x0364;mpfte viel, in Vergleich &#x017F;einer wenigen<lb/>
Neigung, und in Betracht &#x017F;einer erfolg&#x017F;ichern Kraft,<lb/>
wenig.</p><lb/>
            </div>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#b">X</hi>.<lb/></head>
              <p>Erhard war zu &#x017F;ehr Philo&#x017F;oph, um a&#x0364;ußerer Ehre<lb/>
und ihren Gebra&#x0364;uchen, welchen er innerem Werthe<lb/>
gegenu&#x0364;ber doch nur eine untergeordnete Stelle zuge¬<lb/>
&#x017F;tehen wollte, jede zu ver&#x017F;agen. Den Unter&#x017F;cheidungen<lb/>
und Zeichen, die er freilich nicht erfunden haben wu&#x0364;rde,<lb/>
wußte er, da die Welt &#x017F;ie einmal hat, ihre Scha&#x0364;tzung<lb/>
nach den Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en der Welt richtig anzuwei&#x017F;en;<lb/>
auch das &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te Werthgefu&#x0364;hl mag eine a&#x0364;ußere<lb/>
Beglaubigung &#x017F;ich gefallen la&#x017F;&#x017F;en, wenn gleich die&#x017F;e bei<lb/>
Thoren und Schwachen auch gar die Sache &#x017F;elber<lb/>
werden mo&#x0364;chte, mit der &#x017F;ie doch immer nur unter Zu¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung mo&#x0364;glichen Irrthums zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngt. Wie in<lb/>
allen Dingen, &#x017F;o &#x017F;uchte Erhard auch bei die&#x017F;em Gegen¬<lb/>
&#x017F;tande vor allem den a&#x0364;chten Grund der Sache hervor¬<lb/>
zuwenden, und hielt &#x017F;ich an die&#x017F;en. So empfing er<lb/>
die von dem Ko&#x0364;nige der Niederlande ihm durch den<lb/>
Ritterorden vom belgi&#x017F;chen Lo&#x0364;wen gewa&#x0364;hrte Auszeich¬<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0316] ſeines Behauptens als richtig anerkannt haben, wie in der durch Friedrich Buchholz veranlaßten Eroͤrterung geſchah, deren ſpaͤter noch gedacht werden wird. Und ſo duͤrfen wir in Betreff der polemiſchen Seite unſre Karakteriſtik Erhard’s fuͤglich in den Ausſpruch zuſam¬ menfaſſen: er kaͤmpfte viel, in Vergleich ſeiner wenigen Neigung, und in Betracht ſeiner erfolgſichern Kraft, wenig. X. Erhard war zu ſehr Philoſoph, um aͤußerer Ehre und ihren Gebraͤuchen, welchen er innerem Werthe gegenuͤber doch nur eine untergeordnete Stelle zuge¬ ſtehen wollte, jede zu verſagen. Den Unterſcheidungen und Zeichen, die er freilich nicht erfunden haben wuͤrde, wußte er, da die Welt ſie einmal hat, ihre Schaͤtzung nach den Verhaͤltniſſen der Welt richtig anzuweiſen; auch das ſelbſtſtaͤndigſte Werthgefuͤhl mag eine aͤußere Beglaubigung ſich gefallen laſſen, wenn gleich dieſe bei Thoren und Schwachen auch gar die Sache ſelber werden moͤchte, mit der ſie doch immer nur unter Zu¬ laſſung moͤglichen Irrthums zuſammenhaͤngt. Wie in allen Dingen, ſo ſuchte Erhard auch bei dieſem Gegen¬ ſtande vor allem den aͤchten Grund der Sache hervor¬ zuwenden, und hielt ſich an dieſen. So empfing er die von dem Koͤnige der Niederlande ihm durch den Ritterorden vom belgiſchen Loͤwen gewaͤhrte Auszeich¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/316
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/316>, abgerufen am 29.03.2024.