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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Herr Veit mir Briefe abzuzwingen. Sie beweisen immer,
daß Sie in Todesangst wären, wenn ich nicht schriebe: was
kenn' ich Schrecklicheres als Angst, ich schreibe also. Und
das Einmal wie das andere. Nun, nun, man treibt's wie
es geht: würd' es mal anders gehn, Sie trieben's anders.
Das ist keine Kunst. Was hab' ich in der langen Zeit den-
ken sollen? Freilich hatt' ich keinen Urtheilsspruch von Ihnen
zu erwarten, der auf Tod und Leben von so viel Schönem
und Edlen ging; aber ich konnte mich doch auch sogar äng-
stigen, denn was konnt' es sein! Daß ich den einzigen Fall,
der wirklich war, nicht rathen konnte, müssen Sie gewußt
haben. Warten Sie nicht wieder so lange, und schreiben Sie
mir nicht wieder so wenig Antwort: und nun ist Friede.
Klug haben Sie auch gehandelt; da Sie sich doch schon ver-
leiten ließen, werthe Wesen (Sie wissen doch, welches Wort
ich nicht brauchen darf? künftig mach' ich ein Quadrat bei
solcher Gelegenheit) auf's Spiel zu setzen: auch hab' ich, und
hätt' ich auch ohne Ihr Erinnern, kein Wort von Ihnen als
Buße angesehn; und Ihr procede gefällt mir; obgleich ich
die Sache bei der Meinung, die Sie davon hatten, nicht
würde gethan haben.

Mein lieber Herr, thun Sie mir auch was zu Gefallen,
und sagen Sie mir (wahr), wie es sich machte, daß Sie
mit Hrn. von Humboldt von mir und meinen Briefen spre-
chen konnten: das alles will ich genau wissen! -- Heute hab'
ich Ihren Brief in der Tasche und nicht neben mir, es liegen
zu viel Bücher auf dem Tisch; ich schreib' also, was mir ein-
fällt. Ich geh' noch in die Komödie, brenne schon Licht, und

Herr Veit mir Briefe abzuzwingen. Sie beweiſen immer,
daß Sie in Todesangſt wären, wenn ich nicht ſchriebe: was
kenn’ ich Schrecklicheres als Angſt, ich ſchreibe alſo. Und
das Einmal wie das andere. Nun, nun, man treibt’s wie
es geht: würd’ es mal anders gehn, Sie trieben’s anders.
Das iſt keine Kunſt. Was hab’ ich in der langen Zeit den-
ken ſollen? Freilich hatt’ ich keinen Urtheilsſpruch von Ihnen
zu erwarten, der auf Tod und Leben von ſo viel Schönem
und Edlen ging; aber ich konnte mich doch auch ſogar äng-
ſtigen, denn was konnt’ es ſein! Daß ich den einzigen Fall,
der wirklich war, nicht rathen konnte, müſſen Sie gewußt
haben. Warten Sie nicht wieder ſo lange, und ſchreiben Sie
mir nicht wieder ſo wenig Antwort: und nun iſt Friede.
Klug haben Sie auch gehandelt; da Sie ſich doch ſchon ver-
leiten ließen, werthe Weſen (Sie wiſſen doch, welches Wort
ich nicht brauchen darf? künftig mach’ ich ein Quadrat bei
ſolcher Gelegenheit) auf’s Spiel zu ſetzen: auch hab’ ich, und
hätt’ ich auch ohne Ihr Erinnern, kein Wort von Ihnen als
Buße angeſehn; und Ihr procédé gefällt mir; obgleich ich
die Sache bei der Meinung, die Sie davon hatten, nicht
würde gethan haben.

Mein lieber Herr, thun Sie mir auch was zu Gefallen,
und ſagen Sie mir (wahr), wie es ſich machte, daß Sie
mit Hrn. von Humboldt von mir und meinen Briefen ſpre-
chen konnten: das alles will ich genau wiſſen! — Heute hab’
ich Ihren Brief in der Taſche und nicht neben mir, es liegen
zu viel Bücher auf dem Tiſch; ich ſchreib’ alſo, was mir ein-
fällt. Ich geh’ noch in die Komödie, brenne ſchon Licht, und

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[119/0133] Herr Veit mir Briefe abzuzwingen. Sie beweiſen immer, daß Sie in Todesangſt wären, wenn ich nicht ſchriebe: was kenn’ ich Schrecklicheres als Angſt, ich ſchreibe alſo. Und das Einmal wie das andere. Nun, nun, man treibt’s wie es geht: würd’ es mal anders gehn, Sie trieben’s anders. Das iſt keine Kunſt. Was hab’ ich in der langen Zeit den- ken ſollen? Freilich hatt’ ich keinen Urtheilsſpruch von Ihnen zu erwarten, der auf Tod und Leben von ſo viel Schönem und Edlen ging; aber ich konnte mich doch auch ſogar äng- ſtigen, denn was konnt’ es ſein! Daß ich den einzigen Fall, der wirklich war, nicht rathen konnte, müſſen Sie gewußt haben. Warten Sie nicht wieder ſo lange, und ſchreiben Sie mir nicht wieder ſo wenig Antwort: und nun iſt Friede. Klug haben Sie auch gehandelt; da Sie ſich doch ſchon ver- leiten ließen, werthe Weſen (Sie wiſſen doch, welches Wort ich nicht brauchen darf? künftig mach’ ich ein Quadrat bei ſolcher Gelegenheit) auf’s Spiel zu ſetzen: auch hab’ ich, und hätt’ ich auch ohne Ihr Erinnern, kein Wort von Ihnen als Buße angeſehn; und Ihr procédé gefällt mir; obgleich ich die Sache bei der Meinung, die Sie davon hatten, nicht würde gethan haben. Mein lieber Herr, thun Sie mir auch was zu Gefallen, und ſagen Sie mir (wahr), wie es ſich machte, daß Sie mit Hrn. von Humboldt von mir und meinen Briefen ſpre- chen konnten: das alles will ich genau wiſſen! — Heute hab’ ich Ihren Brief in der Taſche und nicht neben mir, es liegen zu viel Bücher auf dem Tiſch; ich ſchreib’ alſo, was mir ein- fällt. Ich geh’ noch in die Komödie, brenne ſchon Licht, und

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/133>, abgerufen am 25.04.2024.