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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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klänge mir das zu schön. Sie kennen doch von der Art Ge-
sichter, die zu schön sind? --

Wenn Sie etwas von einem Auflauf, es sei aus welcher
Zeitung, oder von dem ersten Menschen hören, der hier war,
so glauben Sie nichts, als daß betrunkene Schneidergesellen
Händel mit einem Scheerenschleifer in der engen Lappstraße
am dritten Feiertag suchten und bekamen, weil er vor seiner
Thüre schliff; er wehrte sich, es mischten sich nach und nach
alle Schneider und Gesellen jeder Zunft darein, demolirten
sein kleines Häuschen, eh' Polizei und Hülfe kam, widersetz-
ten sich der Wache, die sehr verdoppelt wurde, ihnen aber
nichts thun durfte, weil man nicht Muth sie zu reizen hatte.
Den andern Tag hat man den aber von Potsdam bekommen,
und nun sitzen die meisten schon, sollen hängen und allerhand.
Es wurde ausgetrommelt, sich nicht zu attruppiren, das war
vorgestern; den zweiten Tag wurde Lärm geschlagen um die
Soldaten zu versammeln, und die neugierige müßige Menge
auseinander zu treiben, und unter die Kerle gehauen und ge-
schossen wie nichts Gut's. Leider einen Tag zu spät. Sie
forderten immer ihre Gefangnen heraus, wer das that wurde
sogleich selbst einer. Kein Straßenjunge giebt ihnen Recht:
und jeden ärgert als gesitteten Preußen die dumme Ge-
schichte; außer die witzigen Unholde in der Gesellschaft; die
verhaßten! --



klänge mir das zu ſchön. Sie kennen doch von der Art Ge-
ſichter, die zu ſchön ſind? —

Wenn Sie etwas von einem Auflauf, es ſei aus welcher
Zeitung, oder von dem erſten Menſchen hören, der hier war,
ſo glauben Sie nichts, als daß betrunkene Schneidergeſellen
Händel mit einem Scheerenſchleifer in der engen Lappſtraße
am dritten Feiertag ſuchten und bekamen, weil er vor ſeiner
Thüre ſchliff; er wehrte ſich, es miſchten ſich nach und nach
alle Schneider und Geſellen jeder Zunft darein, demolirten
ſein kleines Häuschen, eh’ Polizei und Hülfe kam, widerſetz-
ten ſich der Wache, die ſehr verdoppelt wurde, ihnen aber
nichts thun durfte, weil man nicht Muth ſie zu reizen hatte.
Den andern Tag hat man den aber von Potsdam bekommen,
und nun ſitzen die meiſten ſchon, ſollen hängen und allerhand.
Es wurde ausgetrommelt, ſich nicht zu attruppiren, das war
vorgeſtern; den zweiten Tag wurde Lärm geſchlagen um die
Soldaten zu verſammeln, und die neugierige müßige Menge
auseinander zu treiben, und unter die Kerle gehauen und ge-
ſchoſſen wie nichts Gut’s. Leider einen Tag zu ſpät. Sie
forderten immer ihre Gefangnen heraus, wer das that wurde
ſogleich ſelbſt einer. Kein Straßenjunge giebt ihnen Recht:
und jeden ärgert als geſitteten Preußen die dumme Ge-
ſchichte; außer die witzigen Unholde in der Geſellſchaft; die
verhaßten! —



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[143/0157] klänge mir das zu ſchön. Sie kennen doch von der Art Ge- ſichter, die zu ſchön ſind? — Wenn Sie etwas von einem Auflauf, es ſei aus welcher Zeitung, oder von dem erſten Menſchen hören, der hier war, ſo glauben Sie nichts, als daß betrunkene Schneidergeſellen Händel mit einem Scheerenſchleifer in der engen Lappſtraße am dritten Feiertag ſuchten und bekamen, weil er vor ſeiner Thüre ſchliff; er wehrte ſich, es miſchten ſich nach und nach alle Schneider und Geſellen jeder Zunft darein, demolirten ſein kleines Häuschen, eh’ Polizei und Hülfe kam, widerſetz- ten ſich der Wache, die ſehr verdoppelt wurde, ihnen aber nichts thun durfte, weil man nicht Muth ſie zu reizen hatte. Den andern Tag hat man den aber von Potsdam bekommen, und nun ſitzen die meiſten ſchon, ſollen hängen und allerhand. Es wurde ausgetrommelt, ſich nicht zu attruppiren, das war vorgeſtern; den zweiten Tag wurde Lärm geſchlagen um die Soldaten zu verſammeln, und die neugierige müßige Menge auseinander zu treiben, und unter die Kerle gehauen und ge- ſchoſſen wie nichts Gut’s. Leider einen Tag zu ſpät. Sie forderten immer ihre Gefangnen heraus, wer das that wurde ſogleich ſelbſt einer. Kein Straßenjunge giebt ihnen Recht: und jeden ärgert als geſitteten Preußen die dumme Ge- ſchichte; außer die witzigen Unholde in der Geſellſchaft; die verhaßten! —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/157>, abgerufen am 28.03.2024.