Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

nur ganz umwerfen kann mich nichts, denn ich liege. Auf
Eines bin ich fast stolz. Der Ausgang der Dinge ändert
meine Meinung eben nicht. Wenn ich bei Ihnen säße, hätte
ich Ihnen manches Erfreuliche über den innren Menschen mit-
zutheilen. Was die Welt betrifft, das helfen Sie ja sogar
machen, oder zusehen. Über Zufälle, die uns Freunde raub-
ten, wollen wir schweigen. Einer hatte einen Freund, und
der war ich. Unsere Stadt ist wenig modifikabel und sehr
modificirend; ich hatte immer eine Ahndung davon, die ich
auch verschiedenerweise ausdrückte, jetzt habe ich die klarste
Überzeugung. Es ist noch ohnehin, die sittlichste, vielleicht in
Europa. Und an gewisse Augenblicke denke ich mit Rührung.
A. Humboldt sah ich viel; er kennt mich wenig, und goutirt
mich gar nicht. -- --

Frau von Stael ist in Wien, ich möchte fast sagen bei
Frau von Arnstein. Englischer Brinckmann, lassen Sie sich
nach Wien schicken, und nehmen Sie mich mit!!! Allenthal-
ben möchte ich hin: nur nicht nach Norden. Wegen meinem
Rheumatism. (Apropos, ein rheumatisches Fieber war mein
letztes.) Geht das nicht? Was ist für ein Stern auf Ihrem
Siegel? Sind Sie Ritter geworden? -- Ich möchte Ihnen gern
etwas Interessantes schreiben, ich weiß aber nichts! Ach ja!
Burgsdorfs Vater ist Johanniter-Kommandeur geworden, durch
den Tod eines Hrn. von Buddenbrock, und hat eine Revenue
von 5 bis 6000 Thalern. Schön! Gut für seine Gelehrtenfa-
milie. Er (der Sohn) hat einen Brief von Frau von Hum-
boldt gehabt, wovon er mir weiter nichts sagen wollte, als
daß er eine sehr ruhige Stimmung andeute; ich hörte ihn aber

nur ganz umwerfen kann mich nichts, denn ich liege. Auf
Eines bin ich faſt ſtolz. Der Ausgang der Dinge ändert
meine Meinung eben nicht. Wenn ich bei Ihnen ſäße, hätte
ich Ihnen manches Erfreuliche über den innren Menſchen mit-
zutheilen. Was die Welt betrifft, das helfen Sie ja ſogar
machen, oder zuſehen. Über Zufälle, die uns Freunde raub-
ten, wollen wir ſchweigen. Einer hatte einen Freund, und
der war ich. Unſere Stadt iſt wenig modifikabel und ſehr
modificirend; ich hatte immer eine Ahndung davon, die ich
auch verſchiedenerweiſe ausdrückte, jetzt habe ich die klarſte
Überzeugung. Es iſt noch ohnehin, die ſittlichſte, vielleicht in
Europa. Und an gewiſſe Augenblicke denke ich mit Rührung.
A. Humboldt ſah ich viel; er kennt mich wenig, und goutirt
mich gar nicht. — —

Frau von Staël iſt in Wien, ich möchte faſt ſagen bei
Frau von Arnſtein. Engliſcher Brinckmann, laſſen Sie ſich
nach Wien ſchicken, und nehmen Sie mich mit!!! Allenthal-
ben möchte ich hin: nur nicht nach Norden. Wegen meinem
Rheumatism. (Apropos, ein rheumatiſches Fieber war mein
letztes.) Geht das nicht? Was iſt für ein Stern auf Ihrem
Siegel? Sind Sie Ritter geworden? — Ich möchte Ihnen gern
etwas Intereſſantes ſchreiben, ich weiß aber nichts! Ach ja!
Burgsdorfs Vater iſt Johanniter-Kommandeur geworden, durch
den Tod eines Hrn. von Buddenbrock, und hat eine Revenue
von 5 bis 6000 Thalern. Schön! Gut für ſeine Gelehrtenfa-
milie. Er (der Sohn) hat einen Brief von Frau von Hum-
boldt gehabt, wovon er mir weiter nichts ſagen wollte, als
daß er eine ſehr ruhige Stimmung andeute; ich hörte ihn aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0344" n="330"/>
nur ganz umwerfen kann mich nichts, denn ich <hi rendition="#g">liege</hi>. Auf<lb/>
Eines bin ich fa&#x017F;t &#x017F;tolz. Der Ausgang der Dinge ändert<lb/>
meine Meinung eben nicht. Wenn ich bei Ihnen &#x017F;äße, hätte<lb/>
ich Ihnen manches Erfreuliche über den innren Men&#x017F;chen mit-<lb/>
zutheilen. Was die <hi rendition="#g">Welt</hi> betrifft, das helfen Sie ja &#x017F;ogar<lb/>
machen, oder zu&#x017F;ehen. Über Zufälle, die uns Freunde raub-<lb/>
ten, wollen wir &#x017F;chweigen. <hi rendition="#g">Einer</hi> hatte <hi rendition="#g">einen</hi> Freund, und<lb/>
der war ich. Un&#x017F;ere Stadt i&#x017F;t wenig modifikabel und &#x017F;ehr<lb/>
modificirend; ich hatte immer eine Ahndung davon, die ich<lb/>
auch ver&#x017F;chiedenerwei&#x017F;e ausdrückte, jetzt habe ich die klar&#x017F;te<lb/>
Überzeugung. Es i&#x017F;t noch ohnehin, die &#x017F;ittlich&#x017F;te, vielleicht in<lb/>
Europa. Und an gewi&#x017F;&#x017F;e Augenblicke denke ich mit Rührung.<lb/>
A. Humboldt &#x017F;ah ich viel; er kennt mich wenig, und goutirt<lb/>
mich gar nicht. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
            <p>Frau von Sta<hi rendition="#aq">ë</hi>l i&#x017F;t in Wien, ich möchte fa&#x017F;t &#x017F;agen bei<lb/>
Frau von Arn&#x017F;tein. Engli&#x017F;cher Brinckmann, la&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich<lb/>
nach Wien &#x017F;chicken, und nehmen Sie mich mit!!! Allenthal-<lb/>
ben möchte ich hin: nur nicht nach Norden. Wegen meinem<lb/>
Rheumatism. (Apropos, ein rheumati&#x017F;ches Fieber war mein<lb/>
letztes.) Geht das nicht? Was i&#x017F;t für ein <hi rendition="#g">Stern</hi> auf Ihrem<lb/>
Siegel? Sind Sie Ritter geworden? &#x2014; Ich möchte Ihnen gern<lb/>
etwas Intere&#x017F;&#x017F;antes &#x017F;chreiben, ich weiß aber nichts! Ach ja!<lb/>
Burgsdorfs Vater i&#x017F;t Johanniter-Kommandeur geworden, durch<lb/>
den Tod eines Hrn. von Buddenbrock, und hat eine Revenue<lb/>
von 5 bis 6000 Thalern. Schön! Gut für &#x017F;eine Gelehrtenfa-<lb/>
milie. Er (der Sohn) hat einen Brief von Frau von Hum-<lb/>
boldt gehabt, wovon er mir weiter nichts &#x017F;agen wollte, als<lb/>
daß er eine &#x017F;ehr ruhige Stimmung andeute; ich hörte ihn aber<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0344] nur ganz umwerfen kann mich nichts, denn ich liege. Auf Eines bin ich faſt ſtolz. Der Ausgang der Dinge ändert meine Meinung eben nicht. Wenn ich bei Ihnen ſäße, hätte ich Ihnen manches Erfreuliche über den innren Menſchen mit- zutheilen. Was die Welt betrifft, das helfen Sie ja ſogar machen, oder zuſehen. Über Zufälle, die uns Freunde raub- ten, wollen wir ſchweigen. Einer hatte einen Freund, und der war ich. Unſere Stadt iſt wenig modifikabel und ſehr modificirend; ich hatte immer eine Ahndung davon, die ich auch verſchiedenerweiſe ausdrückte, jetzt habe ich die klarſte Überzeugung. Es iſt noch ohnehin, die ſittlichſte, vielleicht in Europa. Und an gewiſſe Augenblicke denke ich mit Rührung. A. Humboldt ſah ich viel; er kennt mich wenig, und goutirt mich gar nicht. — — Frau von Staël iſt in Wien, ich möchte faſt ſagen bei Frau von Arnſtein. Engliſcher Brinckmann, laſſen Sie ſich nach Wien ſchicken, und nehmen Sie mich mit!!! Allenthal- ben möchte ich hin: nur nicht nach Norden. Wegen meinem Rheumatism. (Apropos, ein rheumatiſches Fieber war mein letztes.) Geht das nicht? Was iſt für ein Stern auf Ihrem Siegel? Sind Sie Ritter geworden? — Ich möchte Ihnen gern etwas Intereſſantes ſchreiben, ich weiß aber nichts! Ach ja! Burgsdorfs Vater iſt Johanniter-Kommandeur geworden, durch den Tod eines Hrn. von Buddenbrock, und hat eine Revenue von 5 bis 6000 Thalern. Schön! Gut für ſeine Gelehrtenfa- milie. Er (der Sohn) hat einen Brief von Frau von Hum- boldt gehabt, wovon er mir weiter nichts ſagen wollte, als daß er eine ſehr ruhige Stimmung andeute; ich hörte ihn aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/344
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/344>, abgerufen am 25.04.2024.